TV-Kritik: Maischberger:Ein Blech, das töten kann

Provokationen am Fließband, ein dominanter Verkehrsminister - Sandra Maischberger spürte der "Hassfigur Autofahrer" nach.

Günther Fischer

Wie beruhigend: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) würde seine Führerscheinprüfung höchstwahrscheinlich erneut bestehen. Die meisten der von Sandra Maischberger im Stil einer Fahrlehrerin hochgezeigten Verkehrsschilder interpretierte er korrekt, so manche Multiple-Choice-Führerscheinfrage konnte der bayerische Politiker als Einziger richtig beantworten. Nur den nötigen Parkabstand eines Autos zur Fahrbahnmarkierung interpretierte Ramsauer völlig falsch.

Der Mann, den sie "Ramses" nennen, gewährte auch noch Einblick in seine private Autofahrerseele, als er sich über ein Lkw-Elefantenrennen auf der Autobahn echauffierte: "Nichts ist lehrreicher als die eigene Erfahrung." Dass Deutschlands Autobahn-Hauptverantwortlicher ganz offensichtlich weiß, wovon er redet, ist zwar eine nette Erkenntnis, half der ARD-Sendung aber nicht wirklich auf die Sprünge.

"Hassfigur Autofahrer: aggressiv, gefährlich, asozial?" - das war als Thema vorgegeben. Nun ist das eine Formulierung, die zum Austausch dumpfer Straßenkampfklischees regelrecht einlädt. Die Fronten waren denn auch schnell geklärt: Hier der PS-Guru und "Schumi"-Manager Willi Weber und der ehemalige VW-Manager Klaus Kocks, dort Klaus Gietinger, erklärter Autohasser, Buchautor und offensichtlich Stichwortgeber der Redaktion, die Ex-Grüne Jutta Ditfurth, die sich als "Mutter der Tempo-30-Zonen" verstanden wissen will sowie Verena Aßmann, die an den tragischen Tod ihrer Tochter und Enkelin erinnern durfte, verursacht vom Testfahrer eines Autokonzerns.

Dazwischen ein Bundesverkehrsminister als Realo des Straßenverkehrs, der das Wort nicht gerne abgab, und eine schlingernde Moderatorin.

Sexuelle Männer-Störungen und das Auto

Dass Sandra Maischberger in ihrer Anmoderation auf den Neue-Deutsche-Welle-Song Ich geb Gas, ich will Spaß der achtziger Jahre (der übrigens schon damals ironisch gemeint war) und unreflektiert auf Zahlen und Daten des Buchautors Gietinger zurückgriff, gab die fatale Richtung vor - eine Fahrt gegen die Einbahnstraße.

PR-Mann Kocks durfte vom Phallus-Pfeil Auto faseln und vom beschützten Innenraum als "Fruchtblase" - das Auto als Hermaphrodit. Seine seltsame Schlussfolgerung ("Der Umgang mit Gefahr reduziert das Gefahrenbewusstsein") wurde nicht weiter hinterfragt. Er galt sich selbst wohl in dieser Runde als eine Art Philosoph.

Das einzig Glaubwürdige war Kocks eitles Bekenntnis zum Spaß am Schnellfahren und das Geständnis, kürzlich einen "Idiotentest" absolviert zu haben. Jutta Ditfurths Replik kam ebenso reflexartig und klischeebeladen: "Das ist doch nur das Geprahle von Leuten ohne Selbstbewusstsein, die ihre sexuellen Störungen mit dem Auto austoben."

Der größte Teil der Sendung glich einer einfallslosen Abfolge von bemüht provokanten Formulierungen, quasi einer automatisierten Automobilproduktion, zu der jeder seinen Teil beitrug - und sei er noch so fehlerhaft und fehlentwickelt.

"Das Auto ist nichts als ein Stück Blech"

Autor Klaus Gietinger diskriminierte das Auto aufgrund von aktuell 4160 Verkehrstoten im Jahr als "Massenvernichtungsmittel" - was sich Peter Ramsauer, ebenfalls die Statistik bemühend, umgehend verbat, dafür aber seinerseits "freie und möglichst reibungslose Mobilität" für jedermann einforderte. Jutta Ditfurth fügte sinnfällig hinzu, dass es wohl eher selten vorkomme, dass ein Radfahrer einen Autofahrer totfahre.

Ex-Manager Kocks blökte dazwischen, dass Gietingers Buch langweilig und schlecht geschrieben sei - worauf Frau Ditfurth nur meinte, sie habe keine Lust, mit Herrn Kocks zu streiten, der doch einen Tunnelblick und nur die Maschine im Kopf habe.

Der offenbar frisch vom Service gekommene und bestens präparierte Peter Ramsauer wiederum bekam unzählige Gelegenheiten, seinen Satz vom "situationsangepassten Fahren" loszuwerden und für das in Bayern so beliebte "begleitete Fahren mit 17" zu werben. Er ärgerte sich auch darüber, dass Kocks einfach so vor den TV-Zuschauern mit seinen Punkten in Flensburg gewissermaßen prahle: "Wir sind doch hier im öffentlich-rechtlichen Fernsehen!"

Am Ende landeten die Kombattanten bei den ganz großen Themen: bei der Arbeitsplatzdebatte, beim Spritpreis als Lenkungselement, der erwünschten regelmäßigen Wiederholung der Führerscheinprüfung und sogar bei der Elektromobilität (natürlich: Ramsauer). Der zu verteufelnde Autofahrer, die "Hassfigur" am Lenkrad, war da schon ganz weit weg.

Langes Lernen mit den Autos

Dabei hätte es genügend intelligente Ansätze gegeben: Willi Weber gab zu bedenken, die Autos seien heute technisch so ausgereift, dass man die Fahrzeuge regelrecht erlernen müsse. Die Frage, wo die Freiheit desjenigen, der fährt, endet, blieb unbeantwortet - auch das Primat des Autoverkehrs im öffentlichen Raum wurde nicht weiter hinterfragt. Jutta Ditfurths Vorwurf des Flächenfraßes und ihre Idee einer Stadt als gleichberechtigter Lebensraum aller Menschen wurden nicht diskutiert.

Ausgerechnet Formel-1-Manager Willi Weber war es dann, der für einen hellen Moment sorgte: Autofahren sei Charaktersache. So einfach, so simpel. Jeder, der schon einmal mit einem PS-stärkeren Auto unterwegs war, weiß sofort, wovon er sprach: "Das Auto ist nichts als ein Stück Blech", so Weber. "Ich bin es doch, der es bewegt. Und wenn es zu schnell fährt, dann bin ich verantwortlich - und nicht das Auto."

Sandra Maischbergers Kurssuche im Gewirr der Argumente zeigte sich in einer simplen Frage, die sie an Willi Weber richtete: "Können Sie mit Ihrem Ferrari überhaupt Tempo 30 fahren?" Es war, als ob sie in einem Tunnel die Scheinwerfer abgeschaltet hätte.

Frau Maischberger, zu Ihrer Beruhigung: Es ist schwerer als mit einem Twingo, aber es geht.

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