TV-Kritik: Let's dance:"An dir ist alles Hüfte!"

Beim RTL-Tanzwettbewerb Let's dance werden Erinnerungen an Tanzschulzeiten wach. So hält man auch ungelenke Versuche der Promis ganz gut aus.

Franziska Seng

Der erste Tanzkurs stürzt Heranwachsende ja schon mal in tiefe Zweifel: Wäre ich vielleicht besser auf einer abgeschiedenen Ölplattform im Atlantik aufgehoben? Bin ich ein Bewegungsdepp? Wie hat Fred Astaire das alles nur gemacht? Der Tanzpartner kann sich da schon mal anfühlen wie ein zwei Zentner schwerer Eichenschrank, den man ohne gleitfreudige Teppichbodenfutzelunterlagen übers Laminat schieben muss.

An derartige Tanzkurserfahrungen erinnerte nun der Auftritt von Box-Champion Arthur Abraham. Beim Start der dritten Staffel von Let's Dance am gestrigen Freitagabend ließ er sich von seiner professionellen Tanzpartnerin umwuseln, während er Beinarbeit verweigerte und einfach nicht aus seiner Deckung kam.

Vielleicht hätte Abraham vorher Jury-Mitglied Peter Kraus fragen sollen. Der Moderator und Sänger verglich zu Beginn der Sendung Tanzen mit Showbiz: "Die Magie des Showbusiness ist, dass es leicht aussieht. Aber glauben sie mir, es ist knallharte Arbeit!". Fairerweise muss man hinzufügen, dass Abraham vor Showstart kaum Zeit für Tanztraining hatte.

So richtig ins Zeug gelegt hat sich dafür die restliche Mannschaft und verhinderte damit, dass die Show - in der ersten Staffel war die SPD-Politikerin Heide Simonis harter Kritik von Jury und Medien ausgesetzt - nicht zu sehr zum Trash-und-Bashing-Format à la Dieter Bohlen verkam. In der dritten Staffel ist die Motivation offenbar hoch: "Ich will diese Scheiße lernen", sagt Gute-Zeiten-Schlechte-Zeiten-Darsteller Raúl Richter. "Ich will abnehmen und Dancing Queen werden", sagt Rolf "Rolfe" Scheider, Ex-Juror bei Germany's Next Topmodel. Und damit nicht genug, ein paar Einspieler zeigten: Für alle diese tanzenden B- bis D-Promis geht mit der Teilnahme ein Traum in Erfüllung.

Und den träumt RTL. Beim Sender weiß man, was das heißt: Selbst aus den kleinsten Momenten das Beste, Schönste rausholen. Showtanzen lebt, wie Fernsehen, von professioneller Illusion. Und auch wenn es mit der Illusion nicht immer klappte, konnte man sich gerade an diesen unperfekten Momenten erfreuen: etwa als die Jurymitglieder - Sänger Peter Kraus, Modedesigner Harald Glööckler sowie die (Ex-)Profitänzer Isabel Edvardsson und Joachim Llambi - vor einen provisorischen roten Teppich gekarrt wurden und im blassen Blitzlichtgewitter vor Statisten posierten, die notdürftig als Paparazzi verkleidet waren.

Kritik an Kerkelings Nachfolger

Oder als der Wahl-Pariser Rolf Scheider zu fabelhaften Chansonklängen abgefilmt wurde, während auf seinem Rücken auf einem Bushäuschen unverhohlen das Logo der Berliner Verkehrsbetriebe prangte.

So gesehen waren die zahlreichen Einspieler gelungen, die mittels Computertechnik die Kandidaten zu federleichten, luftigen Wesen verklären. Schlagerstar Achim Mentzel ("Ich denke, dass ich übergewichtig bin") etwa springt in die Höhe, kickt ein Bein in die Luft und erstarrt in einer eleganten, an den Kinofilm Matrix erinnernden Pose. Freeze, mehrere Sekunden. Dann plumpst er zurück auf den Boden der Tatsachen, landet breitbeinig. Der Zuschauer jedoch hängt noch immer glücklich in den flauschigen Wolken der Matrix.

Beim Tanzen überzeugte er auf seine Weise die Jury: "An dir ist alles Hüfte!" Das für seine scharfen Kritiken gefürchtete Jury-Mitglied Joachim Llambi war von dessen Anblick komplett baff, er vergaß, sich während Mentzels Auftritt Notizen zu machen. Bedauernd musste er feststellen, nun nichts kritisieren zu können. Ganz nebenbei stellte Mentzel mit Minipli und pinkem Outfit sogar Jurymitglied und Modeexzentriker Glööckler in den Schatten.

Ende für Rolf Schneider

Bei langsamem Walzer und Salsa taten sich weitere Talente hervor. Vor allem Schauspieler Raúl Richter erwies sich nahezu als Profi, überzeugte Jury und Publikum und gewann die Gesamtwertung. Tänzerisch überzeugen und mit Sympathiepunkten auftrumpfen konnten Hilu Schwetje, die Ex-Frau des Altbundeskanzlers Gerhard Schröder sowie Sylvie van der Vaart, die nach überstandener Brustkrebserkrankung zum ersten Mal ohne Perücke und mit Kurzhaarfrisur auftrat. In der Endwertung landeten beide hinter Richter auf der vorderen Plätzen.

Allerdings scheidet nach jeder Sendung das Paar aus, das bei Publikum und Jury zu wenig Punkte einheimsen konnte. Ausscheiden musste am Ende überraschenderweise nicht Abraham, er hatte mehr Anrufer erhalten als Rolf Scheider, dessen Auftritt eigentlich überzeugender war. Aber er schied aus.

Wenige Punkte hätte übrigens auch Daniel Hartwich bekommen, könnte man als Zuschauer auch die Moderatoren bewerten. Der neue Partner von Nazan Eckes und Nachfolger von Hape Kerkeling ist humortechnisch nicht auf der Höhe des Vorgängers. Seine halbherzig vorgetragenen Kalauer ("Jetzt kann ich endlich Salsa und Walzer (Pause) unterscheiden!") machten die Längen zwischen den Tanzeinlagen nicht kürzer. Vielleicht kann er sich an den Tänzern ein Beispiel nehmen - und noch einmal kräftig üben.

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