Süddeutsche Zeitung

TV-Kritik:Im Schatten

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N24 will in einer Doku-Serie mit acht Episoden die vielen unbekannte Welt des Darknet erklären, kommt dabei aber vor allem zu einem kaum überraschenden Ergebnis: Im geheimen Teil des Internet geht es ziemlich düster zu.

Von Sebastian Jannasch

Irgendwann hielt Leila die Bilder einfach nicht mehr aus. Die junge Frau aus New Orleans klickte sich stundenlang im Internet durch Bilder von Leichenbergen, Pornodrehs und Folterszenen. Nach einem halben Jahr ertrug sie die tägliche Suche nach obszönen Aufnahmen nicht mehr und kündigte ihren Job bei einem Suchmaschinenbetreiber. Dort sollte sie als Online-Moderatorin sicherstellen, dass Internetnutzer die verstörenden Bilder bei ihrer Suche nicht ebenfalls zu sehen bekommen.

Leila ist eine der Hauptfiguren in der ersten von acht Folgen, in denen N24 die Abgründe des Internets zeigen will. Seitdem bekannt wurde, dass der 18-jährige Amokläufer von München im Darknet nach einer Waffe gesucht hatte, ist der anonyme Teil des Netzes in den Fokus geraten: als Tummelplatz für Kriminelle, Drogendealer und Kinderschänder.

Die erste Folge der achtteiligen Reihe Darknet tut wenig, um dem Eindruck eines aus den Fugen geratenen, digitalen Molochs etwas Differenzierung hinzuzufügen. Gezeigt werden "Drahtzieher hinter dubiosen Netzmachenschaften", die Sitten- und Gesetzeshütern haushoch überlegen sind. Folgerichtig trägt die erste Folge der übersetzten Serie aus den USA den Titel "Außer Kontrolle", ohne Fragezeichen, als Feststellung.

Präsentiert wird neben der an Angststörungen leidenden ehemaligen Mitarbeiterin einer Suchmaschine eine Online-Aufpasserin in den USA, die Kommunikation von Schülern systematisch auf anstößige Inhalte durchforstet und sich wundert, warum Jungs heutzutage Mädchen nicht mehr an den Haaren ziehen, sondern ihnen Penis-Schnappschüsse senden. Ein verurteilter Krimineller verkündet verschwörerisch, dass Hacker von der Regierung nicht aufzuhalten seien. Weitere Folgen tragen Titel wie "Missbraucht", "Gefangen" und "Die Macht des Bösen" - die Reihe verspricht Gruselgeschichten. So real Risiken und Kriminalität im Netz sicherlich sind, so nötig wäre eine nüchterne Darstellung statt dunkler Bedrohungsszenarien.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es: In der letzten Folge geht es um Chancen, die das Darknet Dissidenten in Diktaturen bietet, ohne staatliche Überwachung zu kommunizieren. Das bringt ein wenig Grau in die ansonsten tiefschwarze Erscheinung des Internets.

Darknet , N24, freitags, 23.05 Uhr in Doppelfolgen.

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Quelle:
SZ vom 05.08.2016
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