Vor nicht allzu langer Zeit war der streitbare Schweizer Journalist Roger Köppel noch ganz bei den Deutschen. Als Welt-Chefredakteur verantwortete er gut zweieinhalb Jahre lang Schlagzeilen zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Steuerhinterziehern sowie andere Headlines zum deutschen Rechtsstaat.
Dann ging Eidgenosse Köppel Ende 2006 just dorthin, von wo er hergekommen war - zur Schweizer Weltwoche -, und es erschien ein sehr lesenswertes Porträt über ihn mit dem Titel Der Grenzgänger. Mit dem Grenzgängertum, so könnte man meinen, kennt sich Köppel aus.
Der Grenzgänger von heute läuft einfach vor dem deutschen Fiskus davon. Weil die Schweiz nah und ihr Bankgeheimnis legendär ist, schlummert viel deutsches, aber unversteuertes Geld auf den Konten von Credit Suisse, UBS und wie immer sie heißen. Bis zu 300 Milliarden Euro, so die Mittwochabend-Runde bei Frank Plasbergs Hart aber fair, könnten den Finanzämtern hierzulande nicht gemeldet worden sein. 300 Milliarden!
Im Vergleich dazu sind die hochgerechneten Millionen, die mittels einer den deutschen Steuerbehörden angedienten Kontodaten-CD im Nachhinein eingenommen werden könnten, vielleicht Peanuts - doch bei Plasberg in der ARD ging es weniger um die konkrete Summe.
Es ging ums große Ganze.
Was ist schlimmer: Illegal beschaffte Daten kaufen oder millionenschwere Steuerbetrüger laufen lassen? Ist die ominöse CD Hehlerware? Oder verliert der Staat an Glaubwürdigkeit, wenn er wertvollen Hinweisen auf Straftaten nicht mehr nachgehen kann?
Kein gemeinsamer Nenner
Darüber diskutierten neben Köppel auch der seit 13 Jahren in der steuerschönen Schweiz lebende Sport-Moderator Marcel Reif. Gemeinsam bildeten sie hier das Schweizer Bänkchen, Botschafter des guten Geschmacks, wie er in den Kantonen verstanden wird. Reif, der Grübler in der Runde, hat auch nach der Sendung noch keine eindeutige Meinung, sicher ist er sich aber in einem Aspekt: "Nur draufhauen" sei einfach "nicht zielführend". Sprach's, und grübelte gedankenversunken weiter. Und da saßen CDU-Mann Wolfgang Bosbach, Ex-Innenminister Gerhart Baum (FDP) und Hans Leyendecker, Leiter des SZ-Ressorts Investigative Recherche, im Fernsehstudio.
Die Diskutanten kamen erwartungsgemäß auf keinen gemeinsamen Nenner, aber eines steht zumindest fest: Köppel wird weder mit Leyendecker noch mit Bosbach in diesem Leben gut Freund. Das liegt daran, dass der Schweizer auf das Schweizer Bankgeheimnis beharrt.
Die Linie von Kanzlerin Merkel, jene Steuerhinterzieher-CD erwerben zu wollen, macht den Konservativen aus Zürich fuchtig. "Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang", echauffierte sich der (Quoten-)Schweizer gleich zu Beginn der Plasberg-Sendung. Köppel, der noch vor wenigen Wochen an vorderster TV-Front für das Minarett-Verbot gekämpft hatte, musste im Berliner Studio um Luft und Worte ringen.
Die Stimme überschlägt sich
Der Zorn ist im Falle dieses Eiferers größer als die Selbstkontrolle. Köppels Stimme überschlug sich fast. Als "beunruhigende Vorgänge, vor allem für Deutschland", geißelte der 44-Jährige mit dem zarten Jungengesicht und den Grübchen das Vorhaben des Kabinetts Merkel. Ja, sei denn der Druck auf der Straße größer als die Rechtsstaatlichkeit?, fragte der Journalist. Der deutsche Staat breche deutsches Recht, die Entscheidung der Regierung sei eine "ungeheure Einmischung" und zugleich eine "Verwahrlosung rechtsstaatlicher Grundsätze. Köppel: "Das ist doch ein Skandal, meine Herren!"
So ungefähr muss man sich einen Zwingli der Neuzeit vorstellen - doch auf der Suche nach geistigem Beistand kam Köppel nicht weit voran.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso Roger Köppel am Ende fast ganz alleine war.
Lediglich Gerhart Baum sprang Köppel in Ansätzen und in den ersten 45 Minuten der Sendung zur Seite, weil auch er geltendes Recht gebrochen sieht. "Wir verletzten Grundsätze des Rechtsstaats", findet der Liberale: "Wir ermuntern zu einem Klima des Denunziantentums." Als Christdemokrat Bosbach dankenswerterweise Klartext sprach und den CD-Ankauf vehement verteidigte, trommelte Baum nervös mit den Fingerkuppen auf der Tischplatte.
Wo war Ackermann?
Doch in der zweiten Halbzeit der Talkshow ging auch der ehemalige Innenminister auf Distanz zum selbsternannten Schweizer Botschafter Köppel. Wie sich der Gast aus der Schweiz denn bitte die Zukunft vorstelle, wollte Baum wissen: "Richtig wäre es, ein Abkommen mit der Schweiz zu finden."
Und Köppel? Der konnte auch am Ende der Sendung und nach etlichen verbalen Angriffen aus der Runde noch lachen. "Ich erlaube mir gelegentlich, die Politik der Deutschen zu kritisieren", kokettierte er. Selbst auf die letzte Plasberg-Frage, bei welchem der vier Mitdiskutanten er denn einziehen würde, antwortete er souverän lächelnd: "Bei allen." Dafür ist Köppel einfach zu sehr Medienprofi.
Warum allerdings kein einziger Top-Banker an dem Abendgespräch teilnahm, bleibt Plasbergs Geheimnis. Josef Ackermann zum Beispiel, Deutsche-Bank-Chef und Schweizer in Personalunion, hätte gut in die Runde gepasst.
Er hätte zu Geld, Gier und Gesetz sicherlich manches beizutragen gehabt.