TV-Kritik: "Günther Jauch":Hausfrau im Kopf

Thomas Sattelberger Ehemaliger Personalvorstand Telekom Elisabeth Niejahr Korrespondentin DIE ZE

Die gestrige Runde bei Günther Jauch im Gasometer in Berlin

(Foto: imago/Müller-Stauffenberg)

Günther Jauch diskutiert mit seinen Gästen über ungleiche Löhne für Frauen und Männer - und die Zuschauer fühlen sich ins Jahr 1975 zurückversetzt. Viele wollen aber nur erfahren, ob der Moderator in Sachen Böhmermann Stellung bezieht.

Von Karin Janker

Es ist der Sonntagabend, nachdem unter anderem die Neue Zürcher Zeitung die ARD aufgefordert hatte, Moderator Günther Jauch vor die Tür zu setzen. Es ist der Abend, an dem vor allem die jüngere Hälfte der Zuschauer um 21.45 Uhr zur ARD gezappt hat, um zu erfahren, ob der Moderator, für den ihre Eltern nach dem Tatort dranbleiben, irgendwie Stellung bezieht in Sachen Varoufakis, #Varoufake, Böhmermann.

Das Thema des allsonntäglichen Wort-Geplusters vor schläfrigem Publikum dieses Mal: "Der ungerechte Lohn - Warum verdienen Frauen weniger?" Aufgehängt am Datum des Equal Pay Days am zurückliegenden Freitag, dem Stichtag, der darauf aufmerksam machen soll, dass Frauen in Deutschland noch immer weniger verdienen als Männer.

Selbst zu diesem Thema hat die Redaktion aber offenbar nur zwei Frauen aufgetrieben, die am Sonntagabend die Muße aufbringen, sich in Berlin ins Studio zu setzen. All die anderen, die sie angefragt hatten, mussten vermutlich gerade stricken, Stullen für den Montagmorgen schmieren oder die Kinder ins Bett bringen. Eben typische Frauenarbeit verrichten.

Die Fronten liegen seltsam klar

Da sitzen dann also die Männer (neben Jauch sind der Wirtschaftsjournalist Roland Tichy, der Unternehmersohn und inzwischen Hotel-Geschäftsführer Marcus Wöhrl und der ehemalige Personalvorstand Thomas Sattelberger zugegen) und die Frauen (Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und die Journalistin Elisabeth Niejahr) und streiten über Gründe für die Lohnungleichheit und mögliche Auswege aus dem Dilemma. Und man fühlt sich, als schrieben wir das Jahr 1975.

Wobei: Der Einspieler, der am Beispiel der Heinze-Frauen zeigt, wie der Kampf gegen Lohndiskriminierung Ende der 70er Jahre aussah, beweist, dass damals Männer und Frauen gemeinsam auf die Straße gingen für gleiche Bezahlung. Heute hingegen scheinen die Fronten bei dieser wie bei anderen Fragen der Gleichberechtigung wieder seltsam eindeutig zwischen den Geschlechtern zu verlaufen.

Gebracht haben die damaligen Proteste für eine gerechte Entlohnung bis heute jedenfalls wenig und so wirbt Ministerin Schwesig in der Sendung für einen Gesetzesvorstoß, der das ändern soll. Zwar haben auch die erklärten Gegner von Schwesigs Idee eines "Entgeltgleichheitsgesetzes" schon etwas von strukturellen Problemen gehört, die zur Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern führen. Aber Tichy und Wöhrl wurden für die Runde als die ewig Gestrigen gecastet - auch wenn der Journalist Tichy diese Rolle gerne dem Ex-Telekom-Vorstand Sattelberger zuschieben möchte.

Polemik und launige Anekdoten

Wo Tichy in Polemik verfällt und von Schwesigs "Lohngleichschaltungsgesetz" sowie von ihrer geplanten Transparenzregelung als "Nacktscanner" spricht, bleibt Wöhrl als jüngster Gast der Sendung (Jahrgang 1985) so chauvinistisch-altbacken, dass man ihm gerne den Pony aus dem Gesicht streichen und ihn mit einem tiefen Blick in die Augen fragen möchte, ob er das alles ernst meint.

Zum Beispiel, wenn er aus seiner Erfahrung als Hotelketten-Geschäftsführer berichtet, dass er natürlich einer Frau, die weniger flexibel ist, weil sie abends die Kinder ins Bett bringen muss, nicht genauso viel bezahlen kann wie einem Mann, der quasi ständig verfügbar ist. Da seien dem Geschäftsführer natürlich die Hände gebunden. Leistungsprinzip, klare Sache. Wobei, diese Anekdote streut der Jungunternehmer gerne noch ein, wobei es natürlich auch Männer gebe, die dürften ihre geliebte Frau nicht für eine dreiwöchige Dienstreise alleine lassen, sonst bekämen sie Ärger. Natürlich, auch das soll es geben.

Am eigentlichen Thema allerdings führen all diese Klischees, die die Sendung da in die Wohnzimmer der Republik ballert, vorbei. Und kein Moderator weit und breit, der kritisch nachhaken würde. Zum Beispiel als mehrmals betont wird, dass ein Arbeiter in der Industrie, der körperliche Arbeit verrichtet, natürlich und nachvollziehbarer Weise mehr Geld verdiene als eine Frau, die in der Pflege arbeite. Seit wann ist Pflege kein körperlich anstrengender Beruf? Schon mal einen bettlägerigen Patienten aus dem Bett gewuchtet, gewaschen und umgezogen?

Ehegatten-Splitting, Minijob-Klausel und "die Hausfrau im Kopf"

Auch SPD-Ministerin Schwesig entgeht einer kritischen Nachfrage von Seiten des Moderators. Zum Beispiel hätte er ja mal fragen können, warum Deutschland ein Gesetz zur Lohngleichheit braucht, wenn es doch schon ein Anti-Diskriminierungs-Gesetz gibt, das ungleiche Behandlung bei gleicher Qualifikation längst verbietet. Hätte die Ministerin zumindest einmal erklären können.

Auf die statistischen Strittigkeiten bei der Feststellung der Lohndifferenz geht die Redaktion ebenfalls nicht ein. Tichy behauptet: "Die 22 Prozent Lohndifferenz sind kein Hinweis auf Diskriminierung." Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Die Diskriminierung beginnt längst vor der ungleichen Bezahlung. Hätte man das Sendungsthema von dieser Seite her aufgebohrt, wäre man vielleicht zum Kern des Problems gestoßen: Ob es nun 22 oder sieben Prozent Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen sind, hängt ab von Zahlenspielereien, die wiederum nur davon ablenken, dass das Problem ein strukturelles ist. Was Journalistin Elisabeth Niejahr immer wieder in die Diskussion einbringt, nähert sich diesem blinden Fleck der Runde: Ehegatten-Splitting, Minijob-Klausel - und nicht zuletzt "die Hausfrau in unserem Kopf", all das trage an der Wurzel zum Problem der Lohnungleichheit bei.

Bereits vor jeder Gehaltsverhandlung werden Frauen diskriminiert, weil in Deutschland Strukturen geschaffen oder nicht unterbunden wurden, die eine klare Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern fortschreiben. Diese Klischees lassen sich bis in Jauchs Sendung hinein verfolgen: Wenn wir Frauen vor allem als Zuverdiener sehen (und Männern gleichzeitig die Last des Hauptverdieners aufbürden), wenn wir glauben, nur Frauen hätten Kinder (von wem wohl?) und wenn wir noch immer zwischen "typischen Frauenberufen" und "typischen Männerberufen" unterscheiden, fehlt jede Grundlage für Lohngleichheit. Aber so weit drang die Sendung nicht vor, offenbar war die Oberfläche bequemer zu bekratzen.

Ach ja, zu Varoufakis übrigens: kein Wort.

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