Süddeutsche Zeitung

TV-Kritik: DSDS:Ostern feiern mit klebrigen M&M&M's

Dauerwerbesendung mit Fabergé-Osterei und Zusatz-Geduldsfolter: DSDS mit Dieter Bohlen wird endgültig zum Altherrenverein.

Rupert Sommer

Das hat man schon länger geahnt, jetzt ist es wieder amtlich: Dieter Bohlens verbalonanistische Feierabendrunde Deutschland sucht den Superstar (DSDS) ist eine reine Männerveranstaltung. Co-Moderatorin Nina Eichinger hat wenig zu sagen und wird höchstens in den TV-Spot-Pausen fesch geschminkt - dann aber mit der Einblendung "Dauerwerbesendung".

Für selbstbewusste Kosmetikpüppchen wie Kim Debkowski bleibt nur dann Platz, wenn sie artig aus dem Fabergé-Osterei hüpfen oder Bohlen als Stichwortgeber für die eigene Selbst-Mythologisierung dienen.

Als "Miss Bling-Bling" (O-Ton Marco Schreyl) nämlich im zweiten Durchlauf einer klebrigen Ostershow die weißlackierten Overknee-Stiefel übergestreift hatte, um den 1977er Disco-Hit "Yes, Sir, I can Boogie" von Baccara zu singen, erinnerte Bohlen das an die Anfänge seiner Laufbahn.

"Ich habe dem Song meine Karriere zu verdanken", schwärmt der Musikproduzent aus der ostfriesischen Provinz. Weil er nämlich auf der Erfolgsspur des Songs seinerzeit zu einer Anstellung beim Hamburger Schlager-Verlag Intersong kam. "Dieters kleine Ostergeschichte", deutsche Marco Schreyl den nostalgischen Schlenker für die jüngeren Fans vor den Fernsehgeräten aus.

Das Halbfinale wird eine reine Männersache

Kim Debkowski hat ihr kostümbildnerisch aufwendiger Auftritt samt schwarzem Kraushaar und einer Art weißen Hut-Heiligenschein jedenfalls wenig genutzt: Das DSDS-Halbfinale wird eine reine Männersache.

Die drei "M's" haben sich durchgesetzt: Manuel Hoffmann, Menowin Fröhlich und Mehrzad Marashi bestreiten die Runde der letzten Drei. Dass es für Kim, die in der Mottoshow "Alt gegen Neu" zunächst auf Alcazars "Crying at the discotheque" gesetzt und dabei nicht wenige Töne verwackelt hatte, eng werden würde, spürte sie offenbar selbst.

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Jedenfalls grüßte die 17-Jährige nach ihrem zweiten Song etwas trotzig den längst ausgeschiedenen "Checker" Thomas mit den Worten: "Ich kämpfe für uns - die jungen Wilden."

Richtig alt wirkte diesmal nicht Routinier Mehrzad (29), sondern sein direkter Konkurrent Menowin (22). Dessen Markenzeichen, die schräg sitzende Baseball-Mütze, wirkte nicht kess, sondern signalisierte, dass der Jury-Liebling diesmal nicht ganz stabil stand.

"Buchstabensuppe"

Sein erster Song-Versuch, die katastrophal vernuschelte Menowin-Variante des Milow-Welterfolgs "Ayo Technology" war tatsächlich lediglich eine unverständliche "Buchstabensuppe", wie Bohlen schimpfte.

Im zweiten Durchgang setzte Menowin auf den Kool-and-the-Gang-Klassiker "Celebration", gewann einige Sympathiepunkte zurück - geriet aber selbst schwer ins Schwitzen.

In der 30-minütigen Zusatz-Geduldsfolter, die RTL ab 23 Uhr mit dem nur für gefühlte fünf Prozent der Sendezeit zutreffenden Titel Die Entscheidung vermarktet, musst er stoisch das Zuschauer-Voting abwarten. Für die Dramaturgie der letzten Sendungen werden die diesmal braven Streithähne Mehrzad und Menowin noch dringend gebraucht. Dass im Hintergrund schon "Finale, Finale"-Sprechgesänge zu hören waren, ist wohl kein Zufall.

Der eigentliche Gewinner des Abends zauberte sich dagegen selbst aus dem Hut beziehungsweise Osterei: Manuel Hoffmann war eigentlich schon rausgeflogen und durfte nur nach dem plötzlich herbeizitierten Koksskandal von Helmut Orosz zurückkehren.

Diese zweite Chance nutzte er clever und bot vor allem mit dem Gute-Laune-Oldie "A Walk in the Park" der Nick Strater Band einen schmissigen Auftritt samt witziger Tanzeinlage. "Ich weiß nicht, was sie dir in den Tee getan haben", orakelte Dieter Bohlen über den zuvor blassen Jungen, der ihm diesmal so gut gefiel. "Das ist der Manuel, den ich immer sehen wollte", lobte auch Co-Juror Volker Neumüller.

Altherrenverein mit Oldie-Songs für die Jugend

Und damit stand eigentlich auch nur eines fest: Auch DSDS ist längst ein Altherrenverein. Durch die Bank kamen die Oldie-Songs besser weg als die zeitgenössischen Hits. Die herzerwärmendste Nummer war jedenfalls Mehrzads souveräne Interpretation von "Unchained Melody", des 1965er-Hit der Righteous Brothers.

Nach diesem Song konnte sich Mutter Marashi kaum halten und war dabei, die Bühne zu stürmen. Sie wäre ihrem Sohn "fast in die Performance reingesprungen", übersetzte Schreyl den Vorgang für die Fans ins RTL-Deutsch.

Angesichts von so viel Generationen-Harmonie wäre der Weg letztlich gar nicht mehr so weit zum Retro-Getingel von Thomas Gottschalks zeitgleich gesendeter ZDF-Geburtstagssause My Swinging Sixties gewesen, die man in den DSDS-Werbepausen aufsuchen konnte. Dort war mit dem schwer schlagseitigen Helmut Berger der schrägste Entertainer des Samstagabends anzutreffen - und der wäre selbst fast "aus der Performance" gefallen. Doch das ist schon wieder so eine Männergeschichte

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