TV-Kritik: DSDS:Bohlens Superdohlen

RTL-Lautsprecher Dieter Bohlen findet, ein Superstar muss nicht nur singen können. Im Vergleich zu Stefan Raab wirkt DSDS platt.

Christina M. Berr

An diesem Abend sind lauter kleine It-Girls unterwegs. Eine Blondgelockte im schwarzen Lederoutfit, eine Brünette im silbernen Fummel, eine Dunkelhaarige im roten Hängerkleidchen. Eines war den meisten Kandidatinnen der ersten Liveshow der aktuellen Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" auf RTL gemein: Die Rocklänge war miniminimini.

DSDS, Foto: dpa

Hauptsache was fürs Auge: Kandidatin Steffi bei ihrem Auftritt.

(Foto: Foto: dpa)

Die Jurymitglieder fanden das wunderbar, die Zuschauer vor dem Fernseher offenbar nicht. Denn sie wählten am Ende - wenn man den Auswertungen des Notars glauben mag - zunächst einmal sechs Männer in die nächste Runde und mit Kim Debkowski nur eine Frau.

Die gute Kim hatte sich in einer hässlichen 80er-Jahre-Leggings auf die Bühne gewagt. RTL-Zampano Dieter Bohlen hätte nicht anders gewählt, sagt er am Ende der Sendung zur Entscheidung der Zuschauer - und das war die wirkliche Überraschung des Abends, denn über knapp vier Stunden Sendezeit hinweg kommentierte Bohlen vor allem das Outfit der Kandidaten.

Er selbst saß jeckisch-närrisch im Dalmatiner-Jackett da. Die eigentlich reizend aussehende Mitjurorin Nina Eichinger war vampmäßig geschminkt, die Haare fielen strähnig-fettig in das zu schmal wirkende Gesicht. Nur der Dritte im Bunde, Volker Neumüller, sah angenehm unspektakulär aus. Gesucht wurde aber kein Supermodel, sondern anscheinend die Supersexbiene.

Und so sah es gerade zu Beginn der Show nach einer technisch aufgepeppten Neun-live-Sendung aus, in der sich Mädchen auf Sofas strecken und räkeln. Bei RTL räkelten sie sich auf einer heißen Maschine. Ledermädchen Steffi Landerer aalte sich rücklings auf dem Motorradsitz, die Kamera filmte von oben.

Abgrenzung zu Raab

"Wir hatten noch nie so geile Weiber, ich meine jetzt optisch", befand Bohlen. Und fügte hinzu: "Zu einem Superstar gehört nicht nur singen." Ein Satz, der offenbar auch an Stefan Raab gerichtet war. Der Pro-Sieben-Kollege sucht gerade ebenfalls im Rahmen des Eurovision-Song-Contests ein Gesangstalent. Und es sah aus, als wolle Bohlen sein Konzept von Raabs Suche Unser Star in Oslo abgrenzen.

Oft sind beide Sendungen in jüngster Zeit verglichen worden. Raab kam dabei besser weg. Eine der Oslo-Kandidatinnen hatte stolz bekannt gegeben, sie würde sich nie bei Bohlen bewerben.

Der Poptitan verkündete am Samstag mehrmals, seine Kandidaten seien so viel besser als in den vorherigen Staffeln (hat dann nicht die Jury was falsch gemacht?) und zementierte gleich den Erfolg seiner Sendung: Über 100 Millionen Zuschauer bei DSDS habe man mit allen Wiederholungen, rechnete Bohlen vor. Das auch an die Adresse von Stefan Raab.

Aber da ist Bohlen schon bei Lady Gaga und bei seinen Kandidaten: "Gaga haben wir auch hier oben!" Da will man nicht widersprechen.

Lesen Sie auf Seite 2, auf welche Dramaturgie DSDS setzt.

DSDS, Gefängnis, Kind, DSDS

Insgesamt gibt es 15 Auftritte, mehr oder weniger gut gesungen, meist eher mittelmäßig dargeboten und vor allem unglaublich schlecht in Szene gesetzt: Einer reitet auf einer Rodeoplastikkuh in einem Tempo, dass selbst Jopi Heesters noch mitmachen könnte. (Eigentlich der ideale Kandidat für Andy Borgs Musikantenstadl.) Eine wird mal kurz von einer Windmaschine angeblasen. Ein paar andere werden kurzerhand auf einen Barhocker verfrachtet. Eine gute Show sieht anders aus.

Dafür sind die ausgewählten Lieder aus Hitparaden vergangener Zeiten zum Mitsingen geeignet, I love Rock'n'roll ,Yesterday und Let's get loud und so weiter.

So weit, so unspektakulär. Dramaturgisch gesehen ist das Ganze ziemlich langweilig, die Juroren geben ihren Kommentar ab, haben aber erst mal nichts zu entscheiden. Zwischen den Live-Auftritten und der eigentlichen Wahl liegen ermüdende 45 Minuten Cindy aus Marzahn, in der man für seinen Kandidaten anrufen und damit zahlen soll. Dieter Bohlen kostet.

Das findet er selbst - und erklärt gleich mal seinen Besuch auf dem Wiener Opernball vor zwei Tagen als Ersatz für US-Schauspielerin Lindsay Lohan, die dem Wiener Bauunternehmer Richard "Mörtel" Lugner abgesagt hatte: "Ich hab ja nicht getanzt, weil Herr Lugner hat zwar viel Geld, aber so viel Geld, dass ich tanze, hat er nicht." Der Satz ist einstudiert, die Pointe verrutscht, niemand lacht. So eine Liveshow ist eben nicht jedermanns Sache.

Das Interessante des Abends sind die Einspieler: Kleine Filmchen, die jeden Kandidaten kategorisieren und als einen bestimmten Typus inszenieren. Da ist der Kandidat, der einen guten Freund in den Trümmern des Kölner Staatsarchivs verloren hat. Oder die energiegeladene alleinerziehende Mutter Ines Redjeb. Der frischgebackene Papa Mehrzad Marashi, den RTL von der Karibik bis ins Krankenhaus begleitet (Frau und Kind werden direkt nach der Geburt gefilmt). Und dann gibt es noch Menowin Fröhlich mit einer perfekten RTL-Geschichte, die Moderator Marco Schreyl so resümiert: DSDS, Gefängnis, Kind, wieder Gefängnis, wieder DSDS.

Besser hätte man das nicht als Drehbuch schreiben können. Die Dramaturgie stimmt und dann erklärt der geläuterte Held auch noch: "Der Knast hat wirklich einen guten Menschen aus mir gemacht". Ach, wie schön ist die Fernsehwelt. Und die guckt auch brav in Steffi Landerers Ausschnitt, als diese - tief über den Billardtisch gebeugt - behauptet, es gehe ihr wirklich um die Musik.

Herzzerreißende Liebeslieder

Das ist fast schon wieder komisch. Wirklich zynisch ist hingegen die Werbung. Denn für die einstige "Da-werden-Sie-geholfen"-Nummer 11880 von Bohlens Ex Verona Pooth hatten die Werbemacher eine ganz besondere Idee. Und hier hatte wohl die herzkranke Celine Denefleh mit ihrem eingesetzten Defibrillator inspiriert: "Weiter geht's mit herzzerreißenden Liebesliedern", heißt es am Ende der Werbepause und: "Kardiologen finden Sie im Internet."

Wer sich das ausgedacht hat, kann ja nur hoffen, dass das Mädchen eine Herzattacke auf der Bühne bekommt. So perfide ist nicht mal Dieter Bohlen.

Der beließ es bei seinen typischen, an diesem Abend angenehm selten eingestreuten Bohlen-Sprüchen ("Ich hoffe, heute halten Dich Deine Dinger über Wasser" oder "Es sieht aus, als wenn da Mäuse an Deinen Eiern knabbern" ). Selbst Nina Eichinger schaffte es ungewollt auf die platte Ebene: "Da steht ein Mann auf der Bühne, der sein Ding durchzieht", sagte sie. Und Schreyl vergriff sich einmal richtig in der Wortwahl: "Tief durchatmen, Brauner!"

Dann ging es zwischen endlosem Talk-Geplänkel sogar um die Musik, oder wie Marco Schreyl meinte, um die "feuilletonistische Frage", die da lautet: "Wie hat Dir Nelsons Gesang gefallen?" An Schreyl ist wahrlich ein Kulturkritiker verloren gegangen. An Bohlen, Eichinger und Neumüller allerdings sind Jurymitglieder verloren gegangen, denn die fanden an diesem Abend irgendwie alles nett, lieb, sexy - oder sogar mal rockig. Selbst Marias Anklänge an eine modern-schräge Zwölftontechnik schienen die drei nicht zu stören.

Zwischendurch gab es wieder den üblichen DSDS-Vorführzynismus, die Flop-Ten aller 35.000 Bewerber werden eingespielt - und dann darf auch noch der Sieger Andreas Gerlich wie auf Speed gesetzt über die Bühne hüpfen ("I'm your pusher", "Here we go", ausgesprochen als "Hi wi go") und bekommt als Dankeschön ein Megafon überreicht. Der Mann erzählt von seinem Erfolg im Internet.

Den besten Satz des Abends lieferte allerdings Helmut Orosz. Von Schreyl gefragt, was man denn bei DSDS so lernt, meinte er: "Den Text" und fügte dazu: "Das T-Shirt auszuziehen."

Selten hat ein Kandidat das so gut auf den Punkt gebracht.

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