TV-Kritik: Die perfekte Minute:Schöne Beine

Wer bei "Klorolle vorwärts" und "Bademattenrodeo" versagt, dem droht der Show-Tod oder das Mitleid der Moderatorin: Ulla Kock am Brink und ihr TV-Comeback.

Hans Hoff

Wenn von dieser neuen Show nach ihrer sicherlich ziemlich bald bevorstehenden Absetzung etwas bleibt, dann wird es ein Spruch sein: "Der Kandidat hat noch drei Leben." Diesen Satz hämmert es kalt und mechanisch vor einem Spiel aus dem Dunkel, und zu sehen ist ein Mensch, den man gerade bewusst lange warten lässt und der sich gleich zum Horst machen muss, weil er etwa zwischen seine Knie Orangen einklemmen und derart behindert eine Treppe erklimmen muss.

Die perfekte Minute, Foto: Sat1

Alberne Partyspiele: Bei Ulla Kock am Brink geht es um drei Leben - und Orangen zwischen den Knien.

(Foto: Foto: Sat1)

"Du hast erstens schöne Beine, und zweitens kannst du sie zu einem X zusammentun", diagnostiziert dann Ulla Kock am Brink und fügt gleich hinzu, wie solch ein Vorhaben zu bewerten ist. "Das ist die Kunst", sagt sie. So muss man als Moderatorin wohl sein, wenn man nach jahrelanger Pause eine neue Spielshow bekommt. Man muss das Einnehmen einer extrem dämlich aussehenden Haltung zur Kunst verklären, obwohl man genau sieht, dass es letztlich nur Quatsch ist.

Alberne Partyspielchen

Aber was tut man nicht alles für Die perfekte Minute, eine Show, die dem Prinzip von Wer wird Millionär? folgt. Nach jedem Spiel steigt der Kandidat eine Gewinnstufe höher. Allerdings muss er keine Fragen beantworten, sondern alberne Partyspielchen absolvieren, die in ähnlicher Art auch mal als Zwischengag bei Schlag den Raab taugen würden, die man sich aber ansonsten als halbwegs vernunftbegabter Mensch unter 1,3 Promille nicht freiwillig zumuten mag.

Aus 30 möglichen Spielen, die man zwei Wochen lang üben durfte, wählt eine unsichtbare Macht eines aus, das dann unbedingt absolviert werden muss. Gelingt es nicht innerhalb einer Minute, die Aufgabe zu lösen, verliert der Kandidat eines seiner drei Leben. Scheitert er noch mal, ist das nächste Leben futsch. Beim dritten Scheitern geht es dann um alles, denn danach droht der Show-Tod.

Als wäre der alleine nicht genug, bedeutet er auch noch das hemmungslose Mitleid der Moderatorin. Die wanzt sich an den Kandidaten heran, als müsse sie ihn über eine sehr schlimme Diagnose hinwegtrösten. "Komm mal her. Das hast du toll gemacht", sülzt sie. Dabei hat der Tollmacher sich doch gerade zum Deppen gemacht. Wohl denen, die es bis zur Sicherheitsstufe bei 25.000 Euro schaffen, denn die können wenigstens mit einem gewissen materiellen Gegenwert den Kollegenspott aufwiegen, der solch einer Teilnahme eigentlich folgen müsste.

Klorolle vorwärts

Zwischen "Klorolle vorwärts", "Bademattenrodeo" und "Klebrige Murmel" agiert die Rückkehrerin. Vor vielen Jahren verschwand Ulla Kock am Brink, die erfolgreich Shows wie Die 100.000 Mark Show und Verzeih mir moderiert hatte, vom Fernsehschirm. Der vorgeschobene Grund waren einige Flops, der wahre Grund mag eine Art Bestrafung gewesen sein, den sich die Quatschpresse ausgedacht hatte. Die empörte sich auf jeden Fall heftig darüber, dass Frau Kock am Brink der tapferen Sabine Christiansen angeblich den Mann ausgespannt hatte.

Auf dem in Moralfragen eher mittelalterlich orientierten Boulevard war wenig von der Rolle des Mannes zu lesen, vieles dafür von der bösen Ulla. So viel, dass sie für tragende Fernsehauftritte größeren Formats lange nicht mehr in Frage kam und nur noch im RBB talken, off air Sparkassentage ansagen und Schnellzugstrecken mit einweihen durfte. Nun aber ist der Mann wieder weg, und die Böse ist wieder reif für die große Bühne.

"Jaa, jaa, ja, ja, ja, ja!"

"Einmal Slomo gucken", sagt sie nach jedem Spiel, und dann muss sich der arme Kandidat anschauen, wie er sich gerade zum Affen gemacht hat. Man sieht also als Fernsehzuschauer noch einmal, was man gerade schon gesehen hat, was ein bisschen offenlegt, wie die Fernsehmacher über ihre Kunden daheim denken. Die sollen diese Spielchen möglichst kritiklos konsumieren und spannend finden. Nur gehört dazu auch eine spannende Inszenierung. Die aber misslingt fast durchweg.

Zu selten fasziniert mal eine schöne Kameraeinstellung, zu selten überträgt sich die im Studio behauptete Anspannung auf den Bildschirm. Da kann die Moderatorin noch so oft "Das ist ein sehr, sehr, sehr schweres Spiel" sagen, es hilft nichts. Schon nach kurzer Distanz macht sich Gleichgültigkeit breit gegenüber den Kandidaten, den Spielern und der Moderatorin, der man nur anmerkt, dass sie schwer ackern muss für ihr Comeback.

"Jaa, jaa, ja, ja, ja, ja!", sagt sie irgendwann mittendrin, als ein Spiel auf der Kippe steht. Da ist man als Zuschauer aber schon so genervt von dem Geschehen, dass man zum Gegenangriff ansetzen möchte. "Neeeein, neeein, nein, nein, nein, nein!", heißt die korrekte Antwort und damit auch das Urteil über eine Show, die in Amerika erfolgreich sein mag, die hierzulande aber nicht mithalten kann mit der Vorstellung, dass eine perfekte Minute auf jeden Fall anders aussieht als man bei Sat.1 behauptet.

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