TV-Kritik: Deutschlands beste Partyband:Unser Star fürs Bierzelt

Wenn gerockt wird, wackelt der Wäscheständer: Eine absolut überflüssige und dennoch liebenswerte TV-Suche nach Deutschlands bester Partyband.

Rupert Sommer

Wie wohltuend, dass es auch ohne den Nervensägensong Beautiful von Christina Aguilera geht. Wie angenehm, wenn sich nicht alles um den Mann mit der größten Klappe dreht, sondern um das größte Herz für Rock 'n' Roll. Wie unverfroren unoriginell die neue kabel eins-Wettsingsendung daher kommt - und wie leicht es fällt, sie trotzdem gut zu finden.

Eigentlich nur naheliegend, dass eine Casting-Sendung für Stimmungsmucker große Shows wie Deutschland sucht den Superstar, Das Supertalent oder Unser Star für Oslo bis in Details kopiert. Immerhin ist es auch bei einer Coversong-Band erklärtes Ziel, den erklärten Star-Vorbildern so nahe wie möglich zu kommen.

Noch ein bißchen verrückter als die Originale

Und so will Jurorin Anja Lukaseder, ehemals selbst DSDS-Ringrichterin, nun eben eine Art Dieter Bohlen sein. Steve Blame, der als MTV-Moderator der ersten Stunde einst mal ganz nah dran war an den jungen Fans und den Pophelden, füllt die liebenswert schrullige, kreativ radebrechende Bruce-Darnell-Rolle aus. Und Oliver Petszokat hat die Aufgabe, mit weit aufgerissenen Augen freundliche Belanglosigkeiten zu verbreiten, wie das Nina Eichinger auch nicht besser kann.

Nur dass bei Deutschlands beste Partyband eben keine Superstars geklont, sondern Unser Star fürs Bierzelt, respektive für das Fußballstadion in Hannover, gesucht wird. Hier treten am 1. Juni die alt gedienten Hardrock-Teutonen The Scorpions ihr Heimspiel an - und die von kabel eins zum Sieger gekürte Partykellerband darf als Vorgruppe die Kuttenträger bei Laune halten.

Trotz allen Nacheifer-Ehrgeizes überzeugen die besten Cover-Bands nur dann, wenn sie den Mut haben, sich von ihren Vorbildern zu lösen und im besten Fall noch ein bisschen verrückter zu sein.

Musik in Heim- und Handarbeit

In dieser Hinsicht überzeugt das Konzept der neuen Partyband-Reihe, mit der Senderchef und langjähriger Amateur-Rocker Jürgen Hörner sich und der kabel eins-Klientel eine große Freude gemacht hat, auf ganzer Linie: Diese eigentlich völlig überflüssige Castingshow-Kopie ist eben deswegen sehenswert, weil Musik hier noch in Heim- und Handarbeit entsteht - und kein Teilnehmer verbissen gewinnen möchte, um einen Job in der Musikbranche zu bekommen.

Wer nämlich wie die Karlsruher Formation Double Trouble mit ihrer AC/DC-Darbietung durchfällt, steht nach eigenem Bekunden schon bald wieder auf der nächsten kleinen Bühne - "bei Scheidungen, Beerdigungen oder normalen Partys".

Eigentlich hätte mit dem Stadionrock der australischen Starkstrom-Metaller nicht viel schief gehen dürfen. Wie man auf dem Highway to Hell sicher fährt, zeigten die zottelhaarigen Senioren von den Rock 'n' Roll Deputyz aus Lüneburg. Nicht nur ihre Interpretation des AC/DC-Hits Thunderstruck überzeugte die Jury, sondern vor allem ihr beeindruckender Teamgeist.

In kurzen Einspielfilmen wurde gezeigt, wie die Ehefrauen ihre spleenigen Nordmannen unterstützen - beim Abfüllen von Tournee-Whiskey, beim Stullenschmieren und beim Kostümflicken an der Nähmaschine. Wenn gerockt wird, wackelt der Wäscheständer.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Frauen in Partybands nichts verloren haben.

Familiensinn und Pappaufsteller

Familiensinn prägte auch den Zusammenhalt der Dachauer Partyband Ois Easy, die bei Schmusesongs von Take That den Gitarren-Turbo zuschaltete - und das tatsächlich stilsicher in Lederhosen und Trachtenhemd.

Weil ihr Leadsänger durch eine jähe Lungenentzündung vom Auftritt abgehalten wurde, schleppten die verbliebenen sechs Band-Kollegen ihn einfach als Pappaufsteller mit auf die Bühne. Dass nicht der Original-Frontmann am Mikrophon Vollgas gab, wäre so "gar nicht aufgefallen", stellt Anja Lukaseder trocken fest -und hatte damit recht. Starkult haben die Partybands nicht nötig.

Schwitzige Männerbündelei schweißte die Schwermetall-Formation The Great Rock Block aus Karlsruhe zusammen. In der von tatsächlich sechs E-Saiten-Spielern angetriebenen Truppe ("Musik ohne Gitarren ist im Prinzip keine Musik") regierte das absolute Machotum. Die Schlagzeugerin der Band wurde daher kurzfristig in Alfons umbenannt. Ordnung muss eben sein, erklärt Sänger Johnny augenzwinkernd. "Keiner von uns möchte eine Frau in der Band haben."

Vom Cover-Song zur Travestie

Dass der Weg vom Cover-Song zur Travestie ein kurzer ist, verdeutlichte der hünenhafte Sänger von Biba und die Butzemänner aus Jena und versuchte sich als Nena.

Und bei der pfiffigsten Band des Abends, der ehemaligen Schülertruppe AB and the Balls aus Köln schlüpfte Frontmann Tobias für seine The Best-Variante gleich mal in die Rolle von Tina Turner. Da war selbst Steve Blame, der stolz berichtete, dass er die echte Legende schon acht Mal interviewen durfte, sprachlos -und begeistert. Die jüngste Teilnehmerband kam so ebenfalls eine Runde weiter.

Selbst mit dem ungewöhnlich jungen Durchschnittsalter von nur 21 Jahren passten die Kölner gut ins kabel eins-Bild: Der Schlagzeuger der Abituriententruppe hatte bereits eine stark gelichtete Stirnglatze. Doch auch er muss sich wohl keine Sorgen machen. "Ich finde, Rock 'n' Roll konserviert", fasste Anja Lukaseder gegen Ende einer Sendung, in deren Werbepausen für Erektionshilfe geworben wurde, zusammen. Sie brachte damit die Vitalkraft von AC/DC & Co. auf den Punkt.

Und damit beruhigt sie wohl auch Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Der CDU-Politiker tritt doch gerne mal als Coverboy von AC/DC in Bierzelten auf.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: