TV-Kritik zu "Der klügste Deutsche":Zähe Angelegenheit mit mauem Ende

Deutschland sucht alles Mögliche - unter anderem den klügsten Einwohner. Doch dafür wendet das Erste deutlich zu viel Zeit auf. Drei Shows werden mit den Kandidaten bestritten, dabei Intelligenz abgefragt. Für den Zuschauer ist das eine eher dröge Angelegenheit.

Verena Wolff

Und dann kommt auch noch Lena Meyer-Landrut. Als wenn der Abend nicht schon eintönig genug gewesen wäre. Es ist 23.20 Uhr, der klügste Deutsche hätte schon seit mindestens fünf Minuten gefunden sein sollen. Stattdessen: "Lottozahlen und Tagsthemen im Anschluss", blendet die ARD ein. Und auf der Bühne: Die Ex-Eurovision-Song-Contest-Gewinnerin. Und damit ist die große Samstagabend-Show noch nicht vorbei. Da nutzt es auch nichts, dass die Nacht eine Stunde länger ist.

'Der klügste Deutsche' mit Kai Pflaume

Smart, aber weichgespült: Kai Pflaume moderiert die ARD-Sendung "Der klügste Deutsche".

(Foto: dpa)

Es hätte eine spannende Sendung werden können. Acht Kandidaten wie du und ich, die sich in zwei im Hauptabendprogramm der ARD ausgestrahlten Halbfinalen qualifiziert haben für die große Show. Darunter: Ein paar kuriose Gestalten. Moderator Kai Pflaume, wie immer smart, aber sehr weichgespült. In der Jury: Matthias Opdenhövel, das noch recht neue Allroundtalent im Ersten, Judith Rakers, die immer wieder auch jenseits der Tagesschau eine gute Figur macht sowie Frank Plasberg, der ebenfalls zu den Allroundern gehört.

Jury stiehlt Moderator die Show

Schon in der Konzeption der Sendung lag einiges im Argen - denn die Jury stellte den Kandidaten die Fragen und nahm damit dem Moderator die Arbeit ab. Und stahl ihm mitunter die Show. Doch das war nicht alles: Auch das Ende kam unverhofft.

Einer der witzigsten Momente des Abends: Ein Einspielfilmchen, das einen Reporter mit dem Foto des 30-jährigen Plasberg in den Süden Bayerns schickt, den Moderator erraten zu lassen. Plasberg trug blonden Vokuhila und Schnauzbart. Die angehaltenen und angequatschten Menschen auf der Straße reagierten, wie Menschen eben reagieren: Sie hielten ihn für den Sänger Frank Zander, sie gaben ich Phantasienamen oder waren sich sicher, dass das doch "der Patzke" sei. So weit, so lustig.

Bei den Kandidatenpärchen, die den Abend über gegeneinander antreten mussten, klang es nach jeder K.-O.-Runde so, als hätte sich der Falsche durchgesetzt - Pflaume und seine Jury hätten den jeweils anderen gern eine Runde weiter gesehen. Andererseits: so viele Runden gab es nicht, auch wenn eine Show von mehr als drei Stunden und nur einem Showact das suggerieren könnte. Zu Beginn mussten die acht Kandidaten, die aus den beiden Halbfinals in den Samstagabend gerutscht waren, pärchenweise gegeneinander antreten - das dauerte fast eineinhalb Stunden. Dabei sah man lauter nette Menschen, die es immer dem anderen Kandidaten ach so sehr gegönnt hätten, in die nächste Runde zu kommen.

Nur ein einziger Experte weit und breit

Eine Weile spielten alle vier gegeneinander - um danach wieder in Pärchen gegeneinander ihr Wissen in verschiedenen Kategorien zu messen. Zwei Kandidaten blieben übrig. Und die Show war eigentlich gelaufen. Denn es gab keinen direkten Zweikampf zwischen dem hessischen Lehrer Jochen Mocek und Norbert Kempinski aus Stuttgart. Der Gewinner wurde von den Zuschauern bestimmt, während Lena Meyer-Landut trällerte. Und dann war alles vorbei. Kempinski gewann. Ruhm und Ehre und den Titel des "Klügsten Deutschen 2012" und 100.000 Euro. Davon, berichtete er, habe er seinem Sohn versprochen, eine Art Weltreise zu machen: "An all die Orte, an denen der Zeichentrickfilm 'Cars' gespielt hat."

Ein Familienmensch ist er also, der Gewinner - der in Trekkingsandalen ohne Socken auf der Bühne stand. Aber das Aussehen sagt schließlich nichts darüber aus, wie klug, schlau oder intelligent ein Kandidat ist, sagte der Neurobologe Martin Korte, der einzige Experte weit und breit. "Klugheit kann man den Menschen nicht ansehen, nicht mal, wenn man ihnen ins Gehirn schauen könnte", so der Hirnforscher.

"Klugheit lässt sich nicht messen"

Er war es auch, der im zweiten Halbfinale den Titel der Sendung ad absurdum führte, denn "Klugheit lässt sich nicht messen", erläuterte er dem Moderator und den Zuschauern. Sie sei eher eine Tugend, die Menschen zugeschrieben werde. Trotzdem wurden viele Stunden bester Sendezeit geopfert, um den Titel doch noch jemandem zu verleihen. Für den Zuschauer bleibt das Fazit: Es hat lange gedauert und es hatte Längen.

Wahrscheinlich weiß fast jeder jetzt, in welchen Denksportaufgaben er sich besonders gut schlägt und welche ihm nicht so liegen. Denn abgeprüft wurden Bereiche wie eine schnelle Auffassungsgabe, musikalische Intelligenz, Logikverständnis, Kreativität und Menschenkenntnis. Doch das war nicht alles: Auch ihr Können in Sachen Geschwindigkeit, Merkfähigkeit und numerisches Denken mussten die Kandidaten unter Beweis stellen. Aufgaben gab es in allen Bereichen, lang und breit und mit zu vielen Antworten. Eine wenig actiongeladene Angelegenheit, da ist jede Maus-Show am Samstagabend spannender. Auch wenn Jury-Mitglied Opdenhövel immer wieder betonte, ihn halte es vor lauter Aufregung kaum noch in seinem Stuhl.

Am Ende siegt der Kandidat mit den Sandalen, der jetzt eine Weltreise plant. Ohne sich mit dem zweiten Finalisten direkt zu messen, ohne sein Wissen nochmals unter Beweis zu stellen. 54 Prozent der Zuschauerstimmen genügten ihm, diese zweite Auflage der Show zu gewinnen und als Sieger aus dem Studio zu gehen.

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