TV-Kritik "Circus HalliGalli":Joko und Klaas blank poliert

ProSieben startet 20er-Jahre-Kampagne zu 'Circus HalliGalli'

Im Vorfeld gab´s um "Circus HalliGalli" Rummel auf allen Kanälen - die Show selbst fiel hingegen ermüdend aus.

(Foto: obs)

Neuer Name, bewährtes Konzept: Joko und Klaas starten ihre neue Sendung auf ProSieben. "Circus HalliGalli" soll Social Media und TV innovativ verknüpfen. Doch die Premiere glich einer billigen Kopie der Vorgängersendung "neoParadise" - aufgemotzt fürs Privatfernsehen.

Eine Nachtkritik von Karin Janker

Sie gelten vielen als authentisch, anarchisch, als Inbegriff des Humors einer ganzen Generation. Entsprechend hohe Erwartung schlug dem Moderatoren-Duo Joachim "Joko" Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf beim Start ihrer neuen ProSieben-Show "Circus HalliGalli" entgegen. Genährt wurde sie auch von dem Rummel, den eine rührige Redaktion vor der Sendung auf Twitter, Instagram, Facebook, YouTube, Webseite und in TV-Trailern - kurz: auf sämtlichen Kanälen - veranstaltete.

Die Show wolle neue Maßstäbe in ihrem Social-Media-Engagement setzen, hieß es vorab. Und so die ganze Woche über im Gespräch bleiben. Das sind hohe Ansprüche, aber Joko und Klaas haben schließlich mit der Aktion "Stehen, damit es weiter geht" in ihrer Vorgänger-Show "neoParadise" auf ZDFneo gezeigt, dass sie eine Bewegung starten können, die das Netz infiziert und wochenlang Gags liefert. Von solchen Ideen gab es in der ersten Folge von "Circus HalliGalli" am Montagabend allerdings keine Spur.

Das Korsett aus Einspielern, Studio-Talk, Werbepause und Musiker-Auftritten war so eng und ermüdend, dass kaum Raum blieb für die oft witzigen Wortgefechte zwischen Joko und Klaas, wie man sie noch von "MTV Home" und "neoParadise" in Erinnerung hat. Denn das Konzept von "Circus HalliGalli" ist eigentlich alles andere als neu: Figuren wie Palina Rojinski, der Sidekick aus "MTV Home", und Oma Violetta aus "neoParadise" tauchen hier ebenso wieder auf wie die Studioelemente Schreibtisch und Couch. Nur steht diesmal der Schreibtisch links von der Couch.

Mit "MTV Home" begann 2009 die gemeinsame Karriere des seither anscheinend unzertrennlichen Moderatoren-Gespanns. Joko Winterscheidt, 34, nahm schon damals den Platz auf der Couch ein, Klaas Heufer-Umlauf, 29, sicherte sich den Schreibtischstuhl. Und dabei blieb es.

2011 wechselten die beiden samt Sendungskonzept zu ZDFneo, dem Jugendkanal des ZDF. Die Quoten dort waren schlechter als erwartet, gerade einmal 20.000 Zuschauer wollten die Premiere von "neoParadise" im Oktober 2011 sehen. Hin und wieder geisterten die beiden schon damals durch das ProSieben-Programm. Im Mai 2012 wurde schließlich bekannt, dass ProSieben sie exklusiv unter Vertrag nimmt.

Knapp an der Schmerzgrenze vorbei

Ihren Wechsel zurück zum Privatfernsehen verarbeiten Winterscheidt und Heufer-Umlauf selbstironisch in einer Anspielung auf den Film "A Clockwork Orange" im Vorspann der ersten Sendung von "Circus HalliGalli": Hirnwäsche mit Hilfe von ProSieben-Shows. Hirngewaschen wirkte auch der Rest der Sendung in der "HalliGalli"-Manege im Western-Look.

Das Studio, das der Privatsender sich für die beiden geleistet hat, ist gefühlt mindestens doppelt so groß wie das Kabuff, in dem "neoParadise" abgedreht wurde. Alles blank poliert, es leuchtet und blinkt in jeder Ecke. Hier kommt nicht die gemütliche Wohnzimmer-Atmosphäre auf, in der den Moderatoren der Schabernack, den sie treiben, gerade erst einzufallen scheint. Hier kommen die Moderationsfetzen etwas ungelenk, aber aufs Stichwort: Der Ausflug vor die Studiotür in eine schwarz-weiße "Fight Club"-Szenerie, in der ein stummer Oliver Pocher vergeblich auf Einlass wartet, ebenso wie der per Countdown angekündigte Topf voll Thüringer Klöße, der mit dem passenden Schlager in einem Spielzeugauto serviert wird. Ein "Ereignis", von dem die Moderatoren laut Einblendung nichts gewusst haben. Aber ein solches "Ereignis" macht noch keine gute Show.

Erfreulich witzig: Helge Schneider und Olli Schulz

Erfreulich witzig in dieser Premiere ist der Studiogast: Helge Schneider. Der seine Gastgeber ganz schön alt aussehen lässt, wenn sie dankbar über jede seiner Faxen und Grimassen loswiehern. Den Höhepunkt der einstündigen Show, der auch die rappenden Gäste Cro und Sido mit ihren Auftritten nicht zu mehr Rhythmus verhelfen, bildet der Einspieler mit dem Musiker Olli Schulz alias Charles Schulzkowski. Ebenfalls nicht neu, weil so ähnlich schon auf "neoParadise" gelaufen, besucht Schulz(kowski) als Bukowski-Parodie eine Berlinale-Party, betrinkt sich vor laufender Kamera und hält die Promis zum Narren.

Im Cord-Anzug mit Whisky-Flasche unter dem Arm wirft er sich ins Foto von Til Schweiger, ruft das Küchenpersonal zum Aufstand auf und lässt sich schließlich ordentlich angesoffen von einem Sicherheitsmann nach draußen geleiten. Schulz schrammt ganz knapp an der Schmerzgrenze des Zuschauers vorbei. Hier blitzt zumindest für einen Moment der Schneid und der Schalk auf, den man sich von den Moderatoren wünscht. Doch die sind nur lustig verkleidet auf dem Kölner Karneval unterwegs und begegnen dort - rein zufällig - ProSieben-König Stefan Raab. Wem sonst.

Zu loben gibt es an "Circus HalliGalli" vor allem das, was die Show von ihren Vorgängern auf ZDFneo und MTV übernimmt. Es fehlen: Serdar Somuncu mit seiner bitterbösen TV-Kritik, die selbstgemachten fiktiven Werbespots - stattdessen gibt es echte Werbung, die viel weniger lustig ist, - und diese gewisse Entspanntheit einer Sendung, die es niemals ins Hauptprogramm schaffen wird. "Circus HalliGalli" ist vielleicht einfach zu sehr Hauptprogramm, um noch wirklich anarchisch und authentisch zu sein. Der angekündigte "Kindergeburtstag für Erwachsene" war zu steril, zu hochglänzend und zu bombastisch beworben, um Charme zu entfalten. Ihm fehlte trotz des dreisten Werbekonzepts vor allem eins: der Mut zum gewitzten Übermut.

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