TV-Kritik: Beckmann:Zwischen Lava und Loipe

Beckmanns Plauderstunde zum Asche spuckenden Vulkan Eyjafjallajökull war überraschend erhellend. Rätselhaft blieb am Ende etwas anderes.

Lena Jakat

Eigentlich hätte es eine Sportlerrunde werden sollen. Doch dann kamen statt der Fußballikone Franz Beckenbauer und Ski-Olympiasiegerin Maria Riesch zwei Vulkanologen und ein Isländer. Ein paar Stunden nachdem das Flugverbot über Deutschland gelockert wurde, nahm sich als erster ARD-Talker gestern Reinhold Beckmann der Aschewolke an. Wie in diese Runde allerdings die blinde Rekord-Biathletin und -Langläuferin Verena Bentele passte, die ursprünglich zu der Sportlerrunde geladen war und nun trotzdem kam, war am Ende ein größeres Rätsel als die wundersame Wolke selbst.

Reinhold Beckmann, Foto: ARD
(Foto: Foto: ARD)

Es war - wie oft bei Beckmann - eine angenehme Plauderstunde, allerdings eine - wie nicht ganz so oft - äußerst informative. Ein isländischer Journalist berichtete augenzwinkernd und in perfektem Deutsch über die Stoik seiner Mitbürger: "Das ist für uns ein relativ kleiner Ausbruch", sagte Ingólfur Bjarni Sigfússon.

"Das ist alles nicht so schlimm. Die alten Lavafelder nutzen wir zum Brotbacken und für Heißwasser." Über die schon nicht mehr ganz neuen Island-Witze seines Gastgebers lachte der Isländer - und, so schien es, nicht nur aus reiner Höflichkeit.

Die geladenen Vulkanexperten erklärten einmütig und anschaulich die möglichen Folgen des schnaubenden Eyjafjalla, die Risiken für den Flugverkehr und die Problematik der fehlenden Messungen. "Das ist gründlich in die Hose gegangen", sagte Lothar Viereck-Götte. Der Jenaer Geologe erläuterte, wie aus der Wolke Schwefelsäure kondensieren könnte, warum Fluor schädlich für die Umwelt ist und wie Benjamin Franklin schon 1783 über den von einem Vulkanausbruch verschleierten europäischen Himmel sinnierte.

Hatte man den TV-Physiker Ranga Yogeshwar noch dazugebeten, weil man fürchtete, die Herren, die sich da so ordentlich mit synchron gefalteten Händen unterhielten, könnten in verkopfte Fachsimpelei entschweben, erwiesen sich diese Bedenken als völlig unbegründet. Viereck-Götte zauberte als Anschauungsmaterial sogar einen Lavabrocken und ein Fläschchen Schwefelstaub aus seinem ausgebeulten Vulkanologen-Jackett.

Beckmann schießt - aber nicht auf die Wolke

Durch ein verlegenes schwefelstaubinduziertes Husten machte sich dann plötzlich Verena Bentele bemerkbar: Fast eine Dreiviertelstunde war gar nicht aufgefallen, dass da zwischen all den klugen Herren in den dunklen Anzügen noch die fünffache Goldmedaillengewinnerin bei den Paralympics am Tisch saß.

Wie, um alles in der Welt, sollte nun sie, die einzige von der ursprünglichen Gästeliste verbliebene Gesprächspartnerin, in diese Runde passen? Und wie würde es der Talk-Routinier Beckmann nur schaffen, diese Sinnkluft zwischen Lava und Loipe zu überbrücken?

Beckmann versuchte den Brückenschlag mit der Frage nach der Botschaft der Wolke. Ist eine Welt ohne Flugzeuge möglich? Sollen wir diese Tage nutzen, um innezuhalten und uns Gedanken über unsere hochtechnologisierte Welt zu machen? Und dann, an Bentele gewandt: "Sie sind ja auch abhängig von vielen Hilfsmitteln und brauchen manchmal mehr Geduld ..."

Die Goldmedaillengewinnerin ließ sich davon nicht beirren und plauderte offenherzig über ihre Blindheit, ihren Sport und beides zusammen, charmant und schonungslos: "Wie sich eine Goldmedaille anfühlt? Ich weiß ja nicht, wie sich Silber und Bronze anfühlen."

Wie sich dagegen die Wolke anfühlt, das konnte auch ARD-Vorzeigewissenschaftler Yogeshwar nicht klären. Gemeinsam mit den Kollegen hatte er sie für die Zuschauer aber ein bisschen anschaulicher werden lassen - und so durfte er diese Sendung zu einem sportlichen Abschluss bringen. Er schoss mit einem Gewehr für Blinde - auf piepsende Zielscheiben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: