TV-Kritik: Beckmann:Stalker sind wie Vampire der Neuzeit

TV-Talker Beckmann ließ über Stalking reden und sorgte sich um Yvonne Catterfeld. Die Sängerin war selbst schon Opfer eines Stalkers.

Lena Jakat

Der große Schauspieler Dieter Pfaff war da, und da wird es für manchen Studiogast schwer, sich zu behaupten. Christel Förstl aber gelang es. Die Unternehmerin wird von ihrem ehemaligen Partner verfolgt und tyrannisiert. Und ihre Geschichte gab der jüngsten Ausgabe von Beckmann - für einige Zeit jedenfalls - Titel und Thema: Stalking.

Stalking kommt aus dem englischen Jagdjargon und bedeutet "sich anschleichen". Seit dem Jahr 2007 gilt für dieses Delikt des massiven Nachstellens ein eigener Paragraf im Strafgesetzbuch.

Doch bevor Christel Förstl an der Reihe war, durfte erst Fernsehstar Pfaff, ein Duzfreund des Moderators Reinhold Beckmann, die Werbetrommel rühren: In der nächsten Folge der ARD-Serie Bloch wird der dicke Held selbst Opfer einer Stalkerin. Da zeigte der Hamburger Talk-Gastgeber gerne einen Ausschnitt als fiktiven Einstieg in sein Thema. Soviel ARD-Promotion muss sein.

Dann kam Yvonne Catterfeld. Vor fünf Jahren wurde auch die Sängerin Opfer massiver Bedrohung. Nun sprach sie zum ersten Mal darüber - ihre Bekundungen hatten schon Stunden zuvor Blogs und Online-Klatsch-Magazine geradezu in helle Aufregung versetzt.

Ganz schlimme Bilder

Per E-Mail und über ihre Homepage erhielt das frühere TV-Soapsternchen seinerzeit Morddrohungen von einem Unbekannten. "Ich bekam ganz schlimme Bilder geschickt, bei denen uns allen sehr übel geworden ist", erinnerte sich die Frau, die in GZSZ auf RTL bekannt wurde.

Als besonders schlimm habe sie immer empfunden, nicht darüber sprechen zu können: "Weil man Angst hatte, dass es dann noch massiver wird", so Catterfeld. Monatelang ging sie nur in Begleitung von Bodyguards aus dem Haus, übernachtete im Hotel. "Das ist schlimm, wenn man weiß: Ich kann nicht nach Hause."

Ihren wie immer leicht ölig charmanten, aber besorgten Gastgeber Beckmann ("Hat sich dadurch dein Umgang mit den Fans verändert?") konnte Yvonne Catterfeld aber beruhigen: "Ich bin ein Verdrängungskünstler."

Schließlich berichtete die beeindruckende Christel Förstl, der wahre Star des Abends, wie ihr manisch-depressiver Ex-Partner sie seit eineinhalb Jahren verfolge. Aufrecht saß sie an der Talk-Tafel, sprach konzentriert und ruhig. "Wenn die Nummer im Display nicht angezeigt wird, gehe ich nicht dran." Sie wolle "Psycho-Hygiene betreiben" und "sich von der der Opferrolle befreien".

Detailliert und sehr eindrücklich berichtete die Frau im roten Blazer von den Schmähkampagnen, die ihr langjähriger Mann gegen sie betrieb, von randvollen Anrufbeantwortern und Stalking-Tagebüchern. Förstl: "Die Lebensfreude ist gleich null."

Von der Aufmerksamkeit angefixt

Um eine inhaltliche Anreicherung der Debatte bemühte sich der Experte Jens Hoffmann. Der Leiter des Instituts für Bedrohungsmanagement an der TU Darmstadt sprach von Trennungsstalkern und Promi-Stalkern; Männer und Frauen könnten gleichermaßen zu Verfolgern werden, so Hoffmann. Seine Analyse: "Stalker brauchen Nahrung. Sie sind Identitätsvampire."

Hier schien für einen Moment sogar Beckmanns Stolz auf seine gut beschriebenen Moderationskarten einem echten Interesse am Thema zu weichen: Er wollte wissen, wie sich Prominente besser gegen Stalking wehren können. "Damit nicht an die Öffentlichkeit gehen", riet Hoffmann, "von solcher Aufmerksamkeit werden Stalker erst angefixt."

Doch kaum entspann sich ein richtiges Gespräch, schien nach gut der Hälfte der Sendung für Beckmann alles dazu gesagt zu sein. Es trat auf Ferdinand von Schirach. Der Strafverteidiger in dem senfbraunen Sakko versank neben dem großformatigen Schauspieler Pfaff förmlich in seinem Stuhl. Und jetzt endlich konnte der Gastgeber beweisen, wie gut er sich vorbereitet hatte.

Zuerst Lob und Kamera-Close-Up für von Schirachs Bestseller Verbrechen. Dann ein regelrechtes Bombardement mit Fragen: "Haben Sie Sympathie für Ihre Mandaten?" Und: "Wie sieht der perfekter Mord aus?" Oder: "Gibt es die gerechte Strafe?"

Ausflug ins "Dritte Reich"

Als ob das noch nicht genug wäre, brachte Beckmann auch noch Schirachs Großvater ins Spiel: Baldur von Schirach war eine führende Figur des NS-Regimes und wurde im Nürnberger Prozess verurteilt. "Hat Ihnen sein Schuldgeständnis geholfen?", wollte Beckmann noch schnell wissen, und: "Wie wurde in Ihrer Familie damit umgegangen?" Das Thema Stalking war angesichts der Faszination des Bösen vor 70 Jahren vergessen.

Die Antwort zum "Dritten Reich" allerdings bitte nicht zu ausführlich - eine Runde Reise-nach-Jerusalem stand ja noch aus.

Auch Yvonne Catterfeld durfte noch einmal dem Moderator gegenüber Platz nehmen und über ihre neue CD reden, über Dieter Bohlen und Romy Schneider. Darüber, dass ihr Freund die Texte zu zwei Songs geschrieben hat und sie jetzt besser auf ihre Intuition höre. Näherte sich zwischenzeitlich das Gespräch versehentlich wieder dem Thema der Sendung, so beschränkten sich Beckmann, Schirach und Pfaff auf den Wettstreit, wer Catterfeld wohl am besten vor den Gefahren dieser bösen Welt beschützen könnte.

Dabei ging es doch am Ende nur darum, eben dieser Welt eine neue CD mit harmlosen Liedern schmackhaft zu machen.

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