TV-Kritik: Beckmann:Gottschalk und Koch - der Gipfel der Verkannten

Ein konservatives Gipfeltreffen: Bei "Beckmann" in der ARD reden Ex-Politiker Koch und Entertainer Gottschalk über Land, Leute und Guttenberg.

Johanna Bruckner

Es sind nur Kleinigkeiten, die der Stimmigkeit dieses TV-Stammtisches ein wenig abträglich sind. So gibt es Wasser statt Weizen. Und getragen wird (Tweed-)Jacket der besseren Art statt Trainingsjacke. Ansonsten bedient die spätabendliche Männerrunde im Ersten viele Klischees von Kneipendiskussionen.

Roland Koch und Thomas Gottschalk

Ein Rendezvous zwischen Showbusiness und Politik: Thomas Gottschalk und Roland Koch bei Beckmann.

(Foto: Foto: ddp,AP)

Drei Männer fortgeschrittenen Alters debattieren hier über "Werte und Moral, Parteienverdrossenheit und Bürgerengagement - und darüber, was es bedeutet, konservativ zu sein". Ein Sondergipfel der Konservativen im Fernsehen, ein Versuch des ARD-Talkers Reinhold Beckmann, 54, der ganzen Debatte zu etwas Überbau zu verhelfen. So kam er auf die grandiose Idee, Roland Koch, 52, und Thomas Gottschalk, 60, an seinen Tisch zu laden.

Das ist ein Rendezvous zwischen Politik und Showbusiness, zwischen Macht und Musen. Hier der ehemalige hessische Ministerpräsident und heimliche Reservekanzler, der pausenlos seinen Abschied aus der Politik angekündigt hat, um sich doch wieder lustvoll in die CDU-Streitereien einzumischen. Dort der ewige Wetten, dass ..?-Moderator, der Couch-Clown des ZDF, der doch so sehr vom Edlen und Schönen träumt, dass er liebend gern mit Marcel Reich-Ranicki über Fernsehkultur redet oder bei der Verleihung der Echo-Klassik-Preise den Taktstock schwingt.

Es ist das Gipfeltreffen zweier ewig Verkannter. Zweier, die oben sind und die es doch nicht ganz geschafft haben. Macht das noch konservativer?

Roland Koch, der Politstreber, der als 14-Jähriger seine Freunde in den CDU-Ortsverband statt auf Partys schleppte - und doch nie wirklich über das schöne Hessenland hinauskam. Thomas Gottschalk, der selbst ernannte Humanist, der Deutsch und Geschichte auf Lehramt studiert hat - und nun hauptberuflich Menschen mit zweifelhaften Begabungen in einer Spielshow fördert.

Umso dankbarer scheinen Beckmanns Gäste an diesem Montagabend über die Möglichkeit, öffentlich mitreden zu dürfen über das, was Deutschland wirklich bewegt: über Stuttgart 21, Integration und Zuwanderung. Und natürlich die Kanzler-Frage.

Nein, er sei kein Konservativer wehrt Gottschalk gleich zu Beginn vehement ab - da hatte ihn der Gastgeber völlig zurecht als einen Werten und Traditionen verbundenen "Paradiesvogel" vorgestellt. Er habe sich anfangs gescheut, der Einladung nachzukommen, aus Angst vor "programmiertem Selbstmord", tut der Entertainer kund.

Die Moderatorenhoheit des Seniors bei Wetten, dass..? ist in Gefahr, seitdem die sportliche Michelle Hunzinker alles zu überstöckeln droht. Da wäre es fatal, nun auch noch ganz offiziell den Stempel "konservativ" aufgedrückt zu bekommen. "Negativ besetzt", sei der Begriff, sagt der blonde Showmaster. "Ich will nicht, dass ich als Gottschalk reinmarschier' und als Sarrazin wieder rausgeh'."

Um es vorwegzunehmen: Das ist er nicht. Denn immer dann, wenn sich der Mann im schwarz-weiß karierten Tweed-Jacket, der früher - dem Wohlfahrtsstaat sei Dank - zumindest Klamotten aus der Altkleidersammlung auftragen konnte, einmal traut, eigene Ansichten zu vertreten (und seien die noch so harmlos), schiebt er sicherheitshalber ein "Das ist natürlich nur meine naive Entertainersicht" hinterher. Und hebt entschuldigend die Hände.

Überraschend fortschrittlich

Aber wie lautet bloß die Antwort auf die Frage, was es bedeutet, "konservativ" zu sein"? Das quält ja alle, die in der Partei mit dem großen "C" sind oder sie wählen. Roland Koch hat deshalb sein Buch Konservativ betitelt - das Buch, das ihn als Quasi-Intellektuellen ausweisen und wegrücken soll vom Image des leicht pockennarbigen Polit-Haudraufs. Also zitiert der Mann im TV-Studio Vicomte de Chateaubriand: Konservativ sei derjenige, der sich gegen die Übertreibung von Veränderung wehre.

Also, folgt man dem Vater des Doppel-Steaks: Veränderung ja - aber bloß nicht zu viel!

Was ist konservativ?

Überraschend fortschrittlich, im wahrsten Sinne des Wortes, präsentiert sich angesichts dieser Definition die "Galionsfigur der Konservativen" (Beckmann über Koch): Ob für ihn eine Rückkehr in die Politik vorstellbar sei, fragt der Moderator den Ministerpräsidenten a.D., so wie schon viele über ihn vorher gefragt haben. "Nein, ich gehe jetzt in ein anderes Leben", erwidert der Polit-Frühpensionär. "Was wird aus dem Koch?", hakt Beckmann noch nach. "Ich bin in der glücklichen Lage, zwischen Alternativen auswählen zu können", lautet die politisch-diplomatische Antwort.

Nur einmal fällt Roland Koch aus der Rolle des Teflon-Talkgasts: Ob er die Wähler mit seinem verfrühten Abgang nicht hinters Licht geführt und im Stich gelassen habe, fragt ARD-Moderator Beckmann im ganz offensichtlichen Bemühen, etwas Dynamik in das belanglos dahinplätschernde Blabla-Konservativkolloquium zu bringen. Und spielt prompt einen Mitschnitt von Kochs letztem Beckmann-Besuch ein, in dem der CDU-Mann nach mehrmaligem Nachfragen versichert, für weitere fünf weitere Jahre in Hessen regieren zu wollen.

"Sie sind klug genug, zu wissen, wie blödsinnig diese Frage ist", giftet der Zurückgetretene. Und echauffiert sich über die "Impertinenz" seines Gegenübers. Verständnis - und Bewunderung - für den Rücktritt gibt es dagegen von Thomas Gottschalk. "Bemerkenswert" sei es, Macht so früh loszulassen. Dem Wetten, dass..?-Moderator fällt das Loslassen offenkundig nicht so leicht. Bei der Frage nach Kochs beruflicher Zukunft wirft er eiligst ein "Meinen kriegt er nicht!" ein.

Im Verlauf des Abends outet sich der Star öffentlich-rechtlicher Unterhaltung als der wahre Konservative. Nur: So sagen würde er das nie. Was Gottschalk, den verhinderten Bekenner, bewegt, ist die Frage: "Wie schafft man das, ohne in eine Ecke gestellt und aussortiert zu werden?"

Das "Verzeih-Gen"

Schließlich ist ein Gottschalk kein Karl-Theodor zu Guttenberg: Dem Verteidigungsminister und Posterboy des Konservatismus sieht man sogar Fehltritte und radikale Reformen nach. "Verzeih-Gen" nennt der TV-Titan das. Dem feschen Freiherrn und fränkischen Landsmann bescheinigt er Kanzlerpotenzial - und unkt zugleich, die eigene Partei werde Guttenberg vermutlich vorher so weit hochschießen, dass er falle und man ihn los sei. Vielleicht hatte er ja für diese Information mit Horst Seehofer geredet..

An Beckmanns Tisch tritt zutage, was an so vielen Stammtischen zu beobachten ist - es wird geunkt und orakelt. An solchen Möbeln der Alltagskultur weiß man grundsätzlich alles, erstens am besten, und zweitens schon ganz früh. Gottschalk, der Resident aus Mailbu, will schon vor Jahren gewusst haben, dass das mit Multikulti "nicht funktionieren kann".

Und Roland Koch? Der hat schon für eine Deutschpflicht in der Grundschule plädiert, als sich andere noch gegen "Zwangsgermanisierung" verwehrt haben. Das soll noch mal einer sagen, Konservative seien die Ewiggestrigen.

In der aktuellen Konservatismus-Debatte liefert das Beckmannsche Gipfeltreffen keine neuen Erkenntnisse. Daran kann auch ein "Fakten-Check" zum Thema Zuwanderung nichts ändern, den Frank Plasberg beigesteuert haben könnte.

Was es gab: Einen überwiegend blass-braven Diskussionsleiter und zwei prominente Diskutanten, die sich ihrer Halbwertszeit (schmerzhaft) bewusst scheinen. Am Ende bleibt der Vorhang zu und eine gewisse Trostlosigkeit zurück. Lieb' Vaterland, magst ruhig sein.

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