TV-Kritik: "Bachelor"-Finale:Ich Ken, du Barbie

Bachelor RTL Alissa Jan Kralitschka

"Siegerin" Alissa und Bachelor Jan.

(Foto: RTL)

Wenn RTL zur Primetime die Plastikpuppen tanzen lässt: "Der Bachelor" bringt Kuppelshow und Mattel-Charaktere zusammen. Heraus kommt ein Format, das schon bei geringem Konsum akute Übelkeit erzeugt. Ein Handbuch für alle, die gefahrlos mitreden wollen.

Von Johanna Bruckner

Was haben Spielzeuge und TV-Shows gemeinsam? Manche werden immer wieder neu aufgelegt, trotz begründeter Bedenken. Was herauskommt, wenn Barbie und Ken auf Kuppelshow treffen, zeigte jüngst RTL: "Der Bachelor" heißt die verhängnisvolle Verschmelzung von multiresistentem Spielzeug und nicht totzukriegendem Sendungskonzept. Am Mittwochabend lief das Finale der dritten Staffel. Bei einem Marktanteil von etwa 20 Prozent (in der Gruppe der 14- bis 49-Jährigen) ist das Grund zur Furcht: Fortsetzung folgt bestimmt.

Wer nun angesichts der guten Quoten erwägt, da auch mal reinzuzappen - und sei es nur, um das Schweigen im Aufzug mit medienkritischem Smalltalk zu überbrücken - bekommt anbei ein Handbuch zum Mitreden. Selbst einzuschalten ist tatsächlich wenig empfehlenswert: Die gezeigten Klischees verursachen bereits bei geringem Konsum akute Übelkeit.

Ken

Firmiert in der Show unter anderem Namen, die aber auch überwiegend einsilbig sind, zum Beispiel Jan (Bachelor Nummer drei). Hat einen Beruf, der völlig nichtssagend klingt, zum Beispiel "Financial Planer" (Bachelor Nummer eins, Marcel) oder "Image-Manager" (Bachelor Nummer zwei, Paul). Ist zudem meist im Model- und/oder Mister-Business tätig. Haarfarbe darf variieren, verpflichtend sind für jeden Ken-Kandidaten aber regelmäßige Sonnenbankbesuche und ein Zahnbleaching. Letzteres zahlt sich spätestens in der ersten Nacht der Rosen aus (siehe Barbie-Währung), wenn Ken sein zufriedenes Grinsen über die zur Wahl stehende Weiblichkeit nicht mehr verbergen kann (siehe Rosen-/Romantik-/Quoten-Barbie). Weiter kommt eigentlich nur eine Mimik vor: Der sinnierend-bange Blick in Ferne, der spiegelbildlich stehen soll für das innere Ringen, welche Barbie denn nun die Richtige ist (siehe Rosen-Barbie).

Außerdem ist bei jedem Ken ein geübter Umgang mit dem einschlägigen Balz-Vokabular zu beobachten, wobei sich die Intensität der verwendeten Schlüsselworte mit Sendungsverlauf in der Regel steigert. Beispiele aus der aktuellen Staffel: "Du hast unglaubliche Augen" (Bachelor Jan beim ersten Aufeinandertreffen mit einer Barbie). "Ich glaube, ich habe mich verliebt" (beim Finale). Außerdem ist der männliche Protagonist meist in der Lage, Gefühle (nicht zwangsläufig seine wahren) in Sprache zu übertragen und Emotionen zu thematisieren. ("Ich hoffe, dass sich mein Kopf ausschaltet und nur noch das Herz spricht." / "Eine Frau wird sehr glücklich und eine Frau wird sehr unglücklich sein.")

Am Ende erwählt Ken eine Barbie zu seiner Herzdame, in dem er ihr eine Rose überreicht (siehe Rosen-Barbie/Barbie-Währung). Dabei scheinen folgende Entscheidungskriterien relevant: Charakter (möglichst schwach), Gewicht (möglichst gering), Brust-Implantate (möglichst vorhanden).

Die Rosen-Barbie

Firmiert in der Show unter Namen, die in meist auf -a enden, wie Anja (zweite Staffel) oder Alissa (aktuelle Staffel). Hat einen Beruf, der aber keine Rolle spielt, weil für die Entscheidung von Ken nicht ausschlaggebend (siehe oben: Charakter, Gewicht, Brust-Implantate). Oder wie Bachelor Jans Vater Heinz auf den Punkt fragte: "Kann 'se kochen?" Ist meist im Model- und/oder Miss-Business tätig - was Vater Heinz' Frage beantwortet. Haarfarbe darf variieren, verpflichtend ist für jede Rosen-Barbie-Darstellerin aber ein Zahnbleaching. Das zahlt sich spätestens im Finale aus, wenn sie Kens letzte Rose (siehe Barbie-Währung) mit einem glückseligen Lächeln entgegennimmt. Weiter muss sie eigentlich nur eine Mimik beherrschen: Den Blick aus tränenverhangen-flehenden Augen, wenn Ken sie bis zur Finalentscheidung zappeln lässt.

Außerdem ist bei jeder Rosen-Barbie ein geübter Umgang mit dem einschlägigen Balz-Vokabular zu beobachten, wobei sich die Intensität der verwendeten Schlüsselworte mit Sendungsverlauf in der Regel steigert. Beispiele aus der aktuellen Staffel: "Suchst du deine Traumfrau?" (Alissa zu Jan beim ersten Aufeinandertreffen). "Ich glaube, ich habe mich verliebt" (beim Finale). Außerdem ist die weibliche Protagonistin in der Lage, ihrer wachsenden Bewunderung für Ken Ausdruck zu verleihen - in verbaler Form ("Oh Gott, sieht der gut aus!") oder nonverbal (siehe oben: Blick aus tränenverhangen-flehenden Augen).

Am Ende wird die Rosen-Barbie von Ken zu dessen Herzdame erwählt, in dem er ihr eine Rose überreicht (siehe Barbie-Währung). Sie bekommt den Vorzug vor der Romantik-Barbie, weil sie Kens Kriterien (siehe oben: Charakter, Gewicht, Brust-Implantate) erfüllt.

Die Romantik-Barbie

Firmiert in der Show unter wechselnden Namen, die aber alle nicht relevant sind, weil Ken sie nicht erwählt. Hat einen Beruf, der aber keine Rolle spielt, weil für die Entscheidung von Ken nicht ausschlaggebend (siehe oben: Charakter, Gewicht, Brust-Implantate). Ist meist im Model- und/oder Miss-Business tätig. Haarfarbe darf variieren. Ein Zahn-Bleaching ist optional, da ja kein glückseliges Lächeln zu erwarten ist.

Bei jeder Romantik-Barbie-Darstellerin ist ein geübter Umgang mit dem einschlägigen Liebes-Vokabular zu beobachten, wobei die Intensität der verwendeten Schlüsselworte im Sendungsverlauf gleich bleibt. Spätestens beim ersten Einzel-Date: "Ich habe mich in dich verliebt." Beim Finale: "Ich habe mich in dich verliebt." Am Ende wird die Romantik-Barbie von Ken verschmäht, weil sie seine Kriterien (siehe oben: Charakter, Gewicht, Brust-Implantate) nur ungenügend erfüllt.

Die Quoten-Barbie

Firmiert in der Show unter wechselnden Namen, die aber für ihre Funktion irrelevant sind. Genauso unerheblich: Beruf, Haarfarbe und Zustand der Zähne. Ist meist Nackt-Model oder sonst wie im Erotik-Business tätig. Präsentiert gerne und weitgehend schamfrei zumindest ihre sekundären Geschlechtsmerkmale. Übt sich darüber hinaus in Provokation, indem sie wahlweise über andere Barbies herzieht oder herfällt (im romantischen Sinne).

Ken würde gerne der Quoten-Barbie seine letzte Rose geben, darf das aber nicht.

Die Barbie-Währung

Rosen. Werden zu Staffelbeginn noch inflationär an die Barbies verteilt, dann aber durch künstliche Verknappung zur gefragten Währung. Am Ende ist nur noch eine Blume zu vergeben, die der Bachelor mit der alles entscheidenden Frage überreicht: "Ich Ken, du meine Rosen-Barbie?"

Jans letzte Rose bekam übrigens Alissa. Allerdings, so bemerkte ein aufmerksamer Beobachter, sei an dieser die Rezession nicht spurlos vorbeigegangen: "RTL muss sparen: Die Rose hat schon braune Stellen." Vielleicht bekommt der Barbie-Hersteller Mattel vom Sender vor der nächsten Staffel ja eine Großbestellung Plastikblumen.

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