Vorsicht, Dauerwerbesendung: Deutschlands beliebtesten TV-Moderator, der 30 Jahre nach seinen Fernsehanfängen optisch noch immer wirkt wie ein ehrgeiziger Schülerzeitungs-Chefredakteur, die große Geburtstagsgala verantworten zu lassen, war eine Ehre für einen Mann, den man gerne in den eigenen Reihen hat. Nein, die Rede ist nicht von Reinhold Beckmann, der mit ergrauten Schläfen dem Nostalgieabend sein Gesicht lieh. Günther Jauch ist der Gratulant, den die ARD liebt - und der sich ihr in einer rund zweistündigen Sendung mal wieder selbst ans Herz legte.
Nicht nur, dass zu Beginn der Feierstunde die Kamera auf zwei Gesichter zoomte, die eigentlich irritieren müssten: Immerhin gilt der stern TV-Journalist ja als der wichtigste RTL-Protagonist und Wetten, dass..?-Dinosaurier Thomas Gottschalk als das personifizierte ZDF. Mehr noch: Der umtriebige TV-Unternehmer Jauch wickelte mit seiner eigenen Fernsehfirma i&u den Festauftrag ab und zog so bei Ablauf und Dramaturgie der Show die Strippen. Und das bedeutete, ohne gleich allzu sinistre Absichten zu unterstellen: prominente Kamera-Präsenz. Jauch war - als Gespann mit seinem alten Bayerischer-Rundfunk-Buddy Thomas Gottschalk wenigstens in den ersten zwei Dritteln der Show fast ununterbrochen im Bild.
Dabei kommentierte er als aus seiner Sicht naheliegender Zeitzeuge viele der eingespielten Rückblicksfilmchen vor laufender Kamera gleich selbst. Wie das aussehen muss, weiß er ja vom eigenen Heimatsender recht gut: Weite Teile der Archiveinlagen, mit der die ARD ihre historische Erfolgsbilanz von den grauen Gründertagen bis heute beleuchten wollte, sahen aus, wie die etwas hölzernen Star-sitzt-vor-Flimmerwand-Sequenzen in Oliver Geissens popkulturellen Zeitreiseshows.
Deutlich größeres Kino war dagegen eine Stunt-Einlage in bester Schlag den Raab-Manier. Nur dass hier Jauch gegen sich selbst antreten musste: In Erinnerung an eine im Rückblick haarsträubende Himmelfahrtsmission aus seiner früherem SDR-Sendung Rätselflug musste sich der heute 55-Jährige wie seinerzeit an die Kufen eines Helikopters hängen. In der Abenteuer-Gameshow galt es für Jauch damals, mit Hubschrauber-Hilfe einen "Schatz" hoch oben auf dem Loreley-Felsen zu bergen. Der tollkühne Twen verhinderte dabei 14 Sekunden lang mit bloßen Händen den eigenen Absturz. Diesmal bekam Jauch einen Sicherheitsgurt umgeschnallt ("Ich habe zuhause versprochen, dass ich so etwas nicht mehr mache") und wiederholte die Klammerübung verbissen. Fazit: Jauch hielt heute 69 Sekunden durch - die ARD ist ihm jede Kraftanstrengung wert.
Kollege Gottschalk war jedenfalls sehr angetan und zelebrierte den Moment, in dem er Jauch den von ihm während des Turn-Kunststücks verwahrten Ehering zurückgab: "Nimm diesen Ring zum Zeichen meiner Hochachtung", scherzte der ZDF-Mann. Der "Indiana Jones aus Potsdam" (Beckmann über Jauch) hatte sich selbst übertrumpft. Trotzdem brachte Gottschalk den Mut zum Kollegen-Spott auf. Wäre Jauch der erste tollkühne Helikopterflug misslungen, hätte sich vielleicht eine ganz andere spätere RTL-Karriere ergeben. "Das kann man sich gar nicht vorstellen", sagte Gottschalk. "Ich könnte heute Wer wird Millionär? moderieren."
Dass beim Marktführer RTL in Lohn, Brot und Rampenlicht zu stehen, offenbar nicht wirklich die Erfüllung eines Lebenstraums ist, erfuhr man von Jauch später aus einem unerwartet bissigen Seitenhieb auf den Deutschland sucht den Superstar-Moderator Dieter Bohlen. Den identifizierte Jauch für die ARD-Zuschauer nämlich als prominenten Kleindarsteller in einem alten Tatort mit Götz George. "Das wäre mal eine Karriere für Bohlen gewesen", urteilte er schnippisch über dessen Schauspielkünste. "Die hätte er weiter entwickeln sollen. Jetzt sitzt er bei RTL - Tragödie!"
"Ich kenne Sie nur aus dem Fernsehen"
Kurzweilige Komödie wollte die Show dann vor allem bei den von Beckmann angeregten Spielchen sein. Wegen des großen Zeitdrucks kamen die vielen Prominenten auf seinem Sofa - ganz untypisch für den Hamburger Night-Talker - kaum zum Plaudern. Stattdessen mussten Aufgaben gelöst werden, die mal weniger unterhaltsam - Tagesthemen-Anker Tom Buhrow stand bei einem schwer verständlichem Wetterquiz buchstäblich begossen da -, dann wieder großartig komisch waren: Über 30 Jahre nach Thomas Gottschalks TV-Debüt bei der damals visionären Interaktiv-Show Telespiel glänzte das Moderatoren-Team in einem packenden Match gegen das einstige Wimbledon-Wunderkind Boris Becker. Wie damals mussten die Tennisschläger auf dem Bildschirm mit Geräuschen "bewegt" werden.
Auffällige Rundungen
Ein Moment, der es dem Familienpublikum warm ums Herz werden ließ: Beckmann überreicht der werdenden Mutter Barbara Schöneberger einen Strampler mit dem passenden Aufdruck "Das Erste". Ihr erstes Kind kommt im Sommer zur Welt, versicherte die Moderatorin. "Viele halten mich für hochschwanger, langsam trifft's zu", deutete sie ihre auffälligen Rundungen.
Gegen Ende der Sendung ging im bunten Durcheinander ein wenig der rote Faden verloren. Wenn sich die ARD nämlich auf einen Nenner bringen lässt, dann eben den: Zwischen Anarcho Kurt Krömer und Schwiegermutterliebling Florian Silbereisen bietet die Sendergruppe viel Abwechslung, wenn nicht sogar absolute Beliebigkeit. Bezeichnenderweise sank die gefühlte Show-Temperatur um mehrere Grad, als endlich noch der Volksmusik-Moderator auf dem Sofa zu sitzen kam.
Krömer interessierte sich mehr für Maria Furtwänglers Reize: "Ich kenne Sie nur aus dem Fernsehen", säuselte er. "Sie sind so schön." Als Silbereisen nostalgisch werden und von seinem Vorbild Rudi Carrell schwärmen durfte, wirkte der Komiker wie versteinert. Zum von Beckmann betulich angedienten Gastauftritt in Silbereisens Schunkelsendung meinte Krömer lapidar: "Ich habe immer viel zu tun."
Steilvorlage für Silbereisen
Netter sprang Karl Dall in einem Zuspielfilm mit dem ansteckend gut gelaunten "Multitalent der ARD" um. "Wir müssen damit rechnen", sagte er über Silbereisen, "dass er auch noch dabei sein wird, wenn die ARD 100 wird." Diese Steilvorlage verwandelte der Flori in einem gesungenen Carrell-Medley. Alles schunkelte. Und prompt war auch Günther Jauch wieder im Bild. So feiert die ARD-Familie.