TV-Kritik: "Anne Will":"Die Gier der Banken muss gebändigt werden"

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Die Banker zocken schon wieder - klagen die Politiker Ilse Aigner und Bodo Ramelow. Gab es die Finanzkrise gar nicht?

Melanie Ahlemeier

Ach, wenn doch alles so einfach wäre: Gut anderthalb Jahre nach dem spektakulären Crash von Lehman Brothers in New York zocken die Banken schon wieder brüderlich, als sei nichts passiert. Weil die Finanzinstitute wissen, dass letzten Endes immer der Staat einspringt, proben sie erneut das Himmelfahrtskommando - ohne Scham, ohne Herz.

Und das bringt die Gemüter der Nicht-Banker in Rage.

Rund 470 Milliarden Euro Steuergeld hat der deutsche Staat in die Rettung der Banken gepumpt, mehr als 100 Milliarden davon verschluckte allein das schwarze Loch Hypo Real Estate (HRE), jene Münchner Großimmobilienbank, die die Bundesregierung in einer Nacht- und Nebel-Aktion erst rettete und darum seit einigen Monaten kontrolliert. Weil eine HRE-Pleite mindestens so heftige Folgen wie das Lehman-Desaster gehabt hätte, vielleicht sogar noch schlimmere. Wer weiß das schon so genau.

Doch was sind die Konsequenzen aus der Finanz-Apokalypse? Und gibt es Lehren aus dem HRE-Desaster? "Zocken, spekulieren, abkassieren - haben Banker aus der Krise nichts gelernt?", wollte ARD-Talklady Anne Will am Sonntagabend im Ersten wissen. Wohl schon lange nicht mehr war sich eine Talkrunde dermaßen einig: Ja, die Banker drehen schon wieder das große Rad. Ja, Banker müssen stärker kontrolliert werden. Und ja, eigentlich dürfte das alles gar nicht so sein, wie es derzeit schon wieder ist.

In Sachen Banken sind alle einig

Gleich nach dem Tatort inspizierte ein Gesprächskreis die Dauer-Problemzone der Politik. Einvernehmlichkeit war die große Konstante in der Will-Runde, in der neben Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) auch der Linke-Fraktionsvorsitzende im thüringischen Landtag, Bodo Ramelow, und Rechtsanwalt Gerhart Baum Platz genommen hatten.

"Die Gier muss gebändigt werden", echauffierte sich der Jurist Baum, der vielen Zuschauern eher als Ex-Innenminister (FDP) und Terrorexperte ein Begriff ist, gleich zu Beginn der einstündigen Sendung - und schickte (rhetorisch sehr geschickt) gleich noch das Helmut-Schmidt-Zitat von der "profitbesoffenen Euphorie" hinterher. Das zieht immer, vor allem in einer Live-Sendung. "Tut die Bundesregierung genug?", wollte Baum wissen. Und der Zuschauer fragte sich: Nutzte Baum die mediale Öffentlichkeit vor einem Millionenpublikum zur besten Sendezeit, um mehr für seine Mandanten herauszuholen?

Der Mann mit den Sorgenfalten auf der Stirn vertritt etliche Privatinvestoren, die ihr Geld in Lehman-Zertifikate versenkt haben. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zur Tagesordnung übergehen", mahnte der Liberale, der zeitweise wie ein Wasserfall redete und fix noch auf den Weltverbrauchertag (Motto: "Our money, our rights") hinwies, um nur wenige Minuten später zu fragen: "Warum bereinigt man diese ganze Lehman-Sache nicht mit einem Strich?"

Für Ramelow, der eigentlich ganz gerne Ministerpräsident von Thüringen geworden wäre, ist die Angelegenheit klar: "Ackermann ist schamlos" geißelte er die Rendite-Erwartungen des Deutschbankiers von 25 Prozent. Und: Banken seien wie "Drückerkolonnen", erklärte der Linke stakkatomäßig. Darum plädiert er vehement für einen Finanzmarkt-TÜV und eine strengere Regulierung der Finanzmärkte. Dass vom Staat gestützte Banken nun auch noch an einer Pleite Griechenlands in Form von Wetten verdienen wollten, nannte Ramelow eine "nationale Schande".

Und Schnellsprecherin Aigner? Für die Frau aus Bayern steht fest: Banken haben rapide an Vertrauen eingebüßt - gleichzeitig aber sei das seit Januar abzuzeichnende Beratungsprotokoll für Geldanleger eine feine Sache. Und dass die "Beipackzettel" für Finanzprodukte noch nicht einheitlich daherkommen - ja mei, das wird halt geprüft. Und wer weiß? Vielleicht findet sich ja noch bankübergreifend und bundesweit ein einheitliches Formular - womöglich sogar eins, das von den Sparkasse entworfen wurde.

Dem Kunden in die Augen schauen

Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Heinrich Haasis, hatte an diesem Sonntagabend den wohl undankbarsten Job - er musste die Bankerzunft verteidigen. Ruhig, konzentriert und widerstandsfähig nahm er die Aufgabe an. Ob er überzeugen konnte? "Zum Geschäft der Sparkassen gehört es, dem Kunden in die Augen zu schauen", erklärte er sein Mantra von den "zufriedenen Kunden".

Haasis selbst hält übrigens keine Zertifikate, wie er auf Nachfrage erklärte. Rückendeckung erhielt der Sparkassen-Mann von Gerald Hörhan. Der selbsternannte Investment-Punk ("Ich habe immer versucht, ehrlich zu sein" und: "Die Leute sollten investieren, nicht zocken"), der aufgrund seiner Sprechweise unfreiwillig an Günther Oettinger erinnerte, verriet sein Erfolgsrezept: "Ich würde nicht in etwas finanzieren, das ich nicht verstehe."

Schade eigentlich, dass die Redaktion von Anne Will es nicht geschafft hatte, Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann oder den Deutschland-Chef von Goldman Sachs, Alexander Dibelius, zu verpflichten. Sie hätten das Phänomen der Krisen-Zockerei am Beispiel des Investmentbankings bestimmt noch besser erklären können.

Aber vielleicht wäre das auch zu einfach gewesen.

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