Erst beim Abspann, als die Kameraleute sich entspannten und der Rest der Nation sich dem heute-journal zuwandte, platzte es auch aus Maybrit Illner heraus: "Herr Töpfer, ganz große Oper! Ihr wart toll!" Kurz zuvor hatte es Klaus Töpfer, Ex-Umweltminister, Ex-Beauftrager der UN für die Umwelt und heute Vizepräsident der Welthungerhilfe, geschafft, der erfolgreichen Moderatorin in den letzten Sekunden ihrer 500. Sendung noch die Schamesröte auf die Wangen zu treiben.
Doch der Reihe nach: Maybrit Illner, seit 1999 auf Sendung, hatte was zu feiern. 500 Sendungen, seit zwölf Jahren im Programm und inzwischen so etwas wie das dezente Nasenpiercing des Zweiten Deutschen Fernsehens.
Die Jubiläumssendung war Teil des ZDF-Schwerpunkts "Burnout - der erschöpfte Planet" und wurde extra um eine halbe Stunde nach vorn verlegt, damit die Zuschauer direkt vom Umweltthriller Verschollen am Kap in Illners Talkshow hinübergleiten konnten, in der sie wiederum der Schauspieler Heino Ferch erwartete. Diesmal allerdings nicht in seiner Rolle als zwielichtiger Wasser-Manager Claas Lohmann, sondern als Heino Ferch, im wahren Leben Experte für die ungerechte Rohstoffverteilung in der Welt.
Das Thema der Sendung war kontrovers formuliert ("Die oder wir? Der brutale Kampf um Rohstoffe"), in der Sache war allerdings Einigkeit zu erwarten. Natürlich kann niemand dagegen sein, dass alle Rohstoffe auf der Welt gerecht verteilt werden.
Ergo bemühten sich die Diskutanten nur noch um ein paar Differenzierungen: Töpfer ("Afrika sollte nicht immer das schlechte Beispiel sein"), der Bestseller-Autor Frank Schätzing ("Auch die Schwellenländer müssen Verantwortung lernen") und der aktuelle Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel ("Zum Glück bewirken die Konzerne auch viel Gutes"). Für sein Lob auf die Konzerne erhält Ex-FDP-Generalsekretär Niebel auffällig viel Applaus, doch nur aus einer bestimmten Ecke.
Heino Ferch wurde seiner Rolle als emotionaler Anker fürs Publikum voll gerecht ("Eine schnöde Tasse Kaffee verbraucht 140 Liter Wasser"). Daran konnte auch Auma Obama nichts ändern, die um Sachlichkeit bemühte Entwicklungshelferin, die sich von der etwas flachen Diskussion zeitweise an die siebziger Jahre erinnert fühlte. Während des Studiums in Deutschland habe man ihr damals oft gesagt, wenn man nicht aufesse, würden die Kinder in Afrika hungern.
Zu ihrer Genervtheit trug wohl außerdem bei, dass Maybrit Illner nicht müde wurde, die Verwandtschaft Aumas zum derzeitigen US-Präsidenten und Halbbruder Barack Obama zu betonen. Als man gerade dachte, die Jubiläumssendung würde jetzt so dahinplätschern, gab Illner eine Kostprobe ihres Talkshow-Könnens und spielte all ihre Trümpfe aus.
Sie holte den Hedgefonds-Manager Karsten Schröder mit in die Runde, der wohl selbst Agrarprodukte im Portfolio zu haben scheint. Ziemlich offensiv vertrat dieser die Position, dass Finanzspekulationen auf Agrarprodukte der Preisfindung dienten. Wichtige Investitionen in die Infrastruktur der Dritten Welt würden also durch Spekulationen begünstigt. Damit hatte der Abend sein Streitthema gefunden: Finanzspekulation auf Nahrungsmittel, Segen oder Fluch?
Der linke CDU-Mann Töpfer betonte, die Preisschwankungen bei Nahrungsmitteln erhöhten gerade für Kleinbauern in der Dritten Welt erheblich die Kosten. Schauspieler Ferch nannte die Argumentationen des Managers "scheinheilig". Und die Moderatorin? Die zauberte ihrerseits geschickt einen Einspielfilm nach dem nächsten aus dem Ärmel. Sogar der Hedgefonds-Manager musste am Ende eingestehen, dass die Preisschwankungen bei Nahrungsmitteln mittlerweile zum Problem geworden sind.
Kurz bevor die Sendung, natürlich mit Überlänge, zu Ende ging, ergriff Töpfer noch einmal das Wort:"Ich bin der Älteste hier und deshalb gratuliere ich Ihnen herzlich zur fünfhundertsten!" Da musste sogar die hartgesottene Moderatorin kurz schlucken. In den langanhaltenden Beifall hinein versuchte sie noch einmal ihre Sachlichkeit zurückzugewinnen, was ihr aber nicht mehr gelang - "Große Oper!"
Herzlichen Glückwunsch! Bitte mehr davon.