"Der Bergdoktor"im ZDF:Der Arzt, dem Patienten und Bergdohlen vertrauen

Der Bergdoktor

Selten spürte Dr. Martin Gruber die Last, ein Held zu sein, so deutlich wie auf diesem schweren Gang zurück in die Zivilisation: Hans Sigl in einer Szene aus der aktuellen Staffel, auf dem Schlitten leidet Schauspielkollegin Henriette Richter-Röhl.

(Foto: Stefanie Leo/ZDF)

"Der Bergdoktor" ist eine Zierde des Arztberufs, die vor Alpenpanorama Wunder im Akkord vollbringt. Heute Abend tut er das zum 100. Mal.

Von Cathrin Kahlweit

Dr. Martin Gruber ist der Angus MacGyver der Medizin. MacGyver war eine Mischung aus Geheimagent, Abenteurer und Held, berühmt dafür, aus allerlei Alltagsgegenständen, aus Zeugs, das zufällig herumstand oder herumlag, Dinge zu basteln, die wahlweise ihn oder die ganze Welt retteten. Einmal entschärft er eine Bombe mit einer Büroklammer.

Die Kunstfigur MacGyver aus der gleichnamigen US-Fernsehserie schaffte sieben Staffeln und 139 Episoden; ein Kinofilm, der die Kultserie später parodierte, kam 2010 unter dem Titel MacGruber heraus. Was uns wiederum ins Heute und zu Dr. Martin Gruber führt.

Die Landschaft um ihn herum wird gespielt vom Wilden Kaiser und der Tiroler Gemeinde Ellmau

Zugegeben, diese Einleitung ist vielleicht einmal zu viel um die Ecke gedacht, denn Gruber ist nicht der Daniel Düsentrieb unter den Spionen. Er ist Bergdoktor. Aber er kann alles, weiß alles, rettet unentwegt Menschen aus den unmöglichsten Situationen. Im Winterspecial "Höhenangst", der 100. Episode, die den Auftakt zur elften Staffel markiert, operiert Gruber eine Frau auf einer einsamen Skihütte, in die er, was bei ihm schnell passiert, verliebt ist. Er operiert mithilfe von allerhand Zeugs, was da so rumliegt, nachdem er sich selbst und die Dame heldenhaft aus einer Lawine gerettet hat. Dem Vernehmen nach kommt bei dem so dramatischen wie blutigen Eingriff auch eine Büroklammer zum Einsatz. Noch Fragen?

Basis für die Geschichten vom Arzt, dem die Patienten und die Bergdohlen vertrauen, ist eine unfassbar erfolgreiche, alte Hefterlserie mit dem Untertitel "Dr. Burger, Schicksale zwischen Tal und Gipfel" aus dem Bastei-Verlag. Ganz großes Kino auf grauem Papier. Sat 1 sendete dann in den Neunzigerjahren auch schon einen Bergdoktor, erst mit Gerhart Lippert alias Dr. Thomas Burgner, später mit Harald Krassnitzer als Dr. Justus Hallstein.

Seit 2008 aber, als sich das ZDF an ein Remake wagte, wird der Bergdoktor Martin Gruber nun schon von Hans Sigl gespielt, der im weißen Kittel, im Heli der Bergwacht oder am Kletterseil immer supergut aussieht, und deshalb jede Menge Frauen haben kann. Die Landschaft um ihn herum wird gespielt vom Wilden Kaiser und der Tiroler Gemeinde Ellmau, nicht zu verwechseln mit dem deutschen Elmau unterhalb des Wetterstein.

Für bergsüchtige Fernseh-Zuschauer, egal ob sie in Wien, London, Kiew, Budapest oder Timbuktu leben, ist die erhabene Kulisse gut zum Träumen. Gut zum Sehnen. Aber auch nützliche Ablenkung beim Bügeln. Oder wenn der Nagellack trocknen soll. Berge sind ja überhaupt derzeit sehr in; das Spinoff vom populären Bergdoktor, die Bergretter, oder auch die erfolgreiche ARD-Serie Hubert und Staller, die vor allem von Drohnenflügen über das Voralpenland lebt, sind der beste Beweis dafür. Die Hauptrolle im Bergdoktor haben der Wilde Kaiser und die ganze stolze Kaisergruppe in den Nördlichen Kalkalpen. In den Nebenrollen: der Blick von der Terrasse des Köpfing-Hofs am Söller Bromberg, wo in der Serie der elterliche Bergbauernhof des Doktors steht, im Hintergrund die Hohe Salve. TV-Praxis, TV-Wirtshaus, TV-Krankenhaus stehen in Ellmau, in Going, Söll und Scheffau, zwischen steilen Felsen und blauen Bergseen, und Sigl sagt selbst: Der Wilde Kaiser sei "Fluch und Segen zugleich. Wenn er im Bild ist, verkommen wir Schauspieler zu Komparsen".

Früher war er Chirurg in den USA und hat sich wohl ein bisschen was bei "MacGyver" abgeguckt

Fluch und Segen ist die Erfolgsserie, die seit zehn Jahren super Quoten hat, auch für die ganze Region: Weil bei den Dreharbeiten ständig Busse voller Neugieriger im Bild standen, werden jetzt geführte Wanderungen, Spezialtouren, Fan-Tage und Autogrammaktionen angeboten. So kommt auch die ärgste Couch-Potato auf den Berg. Man darf den erzieherischen Faktor von Fernsehen eben nie unterschätzen.

Vom Berg zu den Menschen: Sigl alias Gruber alias Bergdoktor war laut Drehbuch früher mal Chirurg in den USA, wo er womöglich ab und zu im Fernsehen MacGyver geschaut hat. Jetzt ist er aber zurück in Tirol, wo seine Mutter einen Hof bewirtschaftet, und betreibt dort eine kleine Arztpraxis. Die ist die allerbeste Werbung für das Landarztprojekt von Bund und Ländern, mit dem Hausärzte aufs Dorf gelockt werden sollen. Bekanntlich fehlen dort ja Mediziner, weil die Arbeit, wie Miesepeter behaupten, von mageren Einnahmen, kleineren Wehwehchen, betagten Patienten und zu vielen Hausbesuchen geprägt ist. Bergdoktor Gruber beweist, dass das nicht stimmt, und dass es anders geht.

Wenn er nicht gerade mit der Büroklammer operiert, ist er mit den tollsten und seltensten Krankheiten konfrontiert. In dieser Hinsicht ist Gruber der Dr. House des ZDF. Mehr als das: Nephrologe Gregory House ist in der US-Serie ja nur Spezialist für Diagnostik - und außerdem umgeben von einem engagierten, aber doch weitgehend ahnungslosen Team, das er anführen und aufklären muss. Seine Methode: Trial and Error. Gruber ist eine Art Wunderdoktor, er kann Seele und Körper heilen, Teenager mit Borderline-Syndrom und schöne Frauen mit unbekannten Infektionskrankheiten, er ist ein Multitalent mit multiplen Möglichkeiten und arbeitet ohne jegliche Deckelung der Krankenkassen. Gruber ist, man muss das bewundernd anerkennen, eine Art Individualausgabe von Ärzte ohne Grenzen: Er diagnostiziert, medikamentiert, therapiert, operiert - und transplantiert, manchmal sogar zwei Patienten zugleich. In seiner Praxis. Aber auch in einem Krankenhaus, in dem er nicht angestellt ist, zu dem er aber unbeschränkt Zugang hat. Das muss die Wirkung der guten Bergluft in den Alpen sein. Noch Fragen?

Der Bergdoktor, ZDF, 20.15 Uhr.

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