Format-Entwickler:"87 Prozent schalten bei Werbung um"

Im Umfeld schlechter Sendungen zu werben, ist sinnlos - sagt TV-Format-Entwickler Borris Brandt. Das Potential liege heute woanders.

Sigrid Eck

Mit seiner Firma Entertainia bietet der 49-Jährige Unternehmen die Entwicklung von Formaten an. Brandt war Marketingleiter bei 20th Century Fox und Programmdirektor bei ProSieben. Bis 2008 verantwortete er die Geschäftevon Endemol Deutschland.

Borris Brandt

"Die Zapping-Quote nimmt nur ab, wenn die Programmqualität steigt", meint TV-Format-Entwickler Borris Brandt.

W&V: Herr Brandt, Sie haben sich vom Privatfernsehen verabschiedet. Warum?

Borris Brandt: Für kleine Produzenten ist es heute schwer: Keine klaren Briefings, wenig Fachleute, keine Rückmeldung, Versprechen und Handschläge zählen nicht mehr. Vor allem ändert sich das Geschäftsmodell Privatfernsehen langsam.

W&V: Inwiefern?

Brandt: Entertainia hat eine aktuelle Marktforschung über das Medienkonsumverhalten. 87 Prozent der Zuschauer schalten beim Werbefernsehen um. Die Zapping-Quote nimmt nur ab, wenn die Programmqualität steigt. Wenn soziale Randgruppen für soziale Randgruppen Fernsehen machen, ist die "Treue" gleich Null. Bei Wer wird Millionär?, spannenden Filmen oder Serien sieht das anders aus. Aber, das ursprüngliche Geschäftsmodell des Privatfernsehens wankt und wird kippen.

W&V: Ihr Fazit aus der Entwicklung?

Brandt: Früher hat man Anregungen für ein neues Produkt oft im TV bekommen und es dann im Laden gekauft. Heute bekommt man aus verschiedensten Quellen seine Anregungen. Und über 70 Prozent der Konsumenten informieren sich vor allem im Internet. Spannend ist: Fast 80 Prozent der Konsumenten würden für Produktinformationen, für News aus der Welt der Marken gerne das TV nutzen. Besser noch, man würde sogar Geld dafür bezahlen. Das rechtfertigt eigene Slots, Sponsoring, Product-Placement, vielleicht eine eigene Plattform.

Parallel nimmt die Anzahl der qualitativ hochwertigen Slots, in denen man im klassischen TV werben kann, ab. Deshalb konzentrieren wir uns darauf, der Industrie attraktive Umfelder zu liefern, in denen sie sich mit ihren Markenbotschaften wiederfindet.

W&V: Gibt es tatsächlich Menschen, die einen Betrag dafür zahlen, um zu erfahren, wie man sich besser versichert?

Brandt: Nicht unbedingt für das Wie. Aber rund um Finanzdienstleistungen und Versicherungen würde man für Informationen bezahlen - besonders wenn man verständliche Angebote nachvollziehbar günstiger bekommt.

snbb" - stört nicht beim Bügeln"

W&V: Ist das etwa ein Plädoyer für das Medium Fernsehen, aber dafür, es anders zu nutzen, als es bisher der Fall war?

Brandt: Genau. Die öffentlich-rechtlichen Sender sind auf dem besten Weg, zu werden wie das Privatfernsehen. Sie können ja nicht zusehen, wie ihre Zielgruppe stirbt, also passen sie sich an. Im Privat-TV gibt es handwerklich gut gemachte Sendungen, keine Frage. Aber auch unfassbar viel Müll. Qualitativ hochwertige, werbetaugliche Umfelder machen vielleicht 20 bis 30 Prozent des Gesamtsenders aus.

Wir haben viele Gespräche mit Markenartiklern geführt, die sagen: "Ja, wir müssen im Fernsehen werben, um ein Grundrauschen zu erzeugen, aber wir sind damit nicht zufrieden." In einem schlechten Umfeld will niemand sein. Zu Recht. Denn die Loyalität, der Nutzen und die Wertigkeit in einem Trash- Umfeld geht gegen Null, egal wie hoch die Quote ist.

W&V: Die Markenartikler suchen tatsächlich nach Zuschauern, die aufmerksam sind? Und schielen nicht auf Rabatte?

Brandt: Absolut. Der Zuschauer liebt seine Sendung, ist emotional eingebunden, wird von einem Produkt positiv angesprochen und geht daraufhin einkaufen. In einem Trash- Umfeld verkauft man nichts. Die Zuschauer glotzen illoyal, eher nebenbei und sind ohnehin am unteren Rand des Konsumpotenzials. Wir nennen solche Programme intern "snbb" - stört nicht beim Bügeln. Qualität des Umfelds und des Kontakts sind die Hauptargumente in der Kommunikation der Zukunft, nicht Rabatte und Old-School-Währungen.

W&V: Über Product-Placement wird viel gesprochen. Dort wollen Werbungtreibende den Zuschauer elegant erreichen.

Brandt: Unsere Untersuchung hat ergeben: 90 Prozent der Zuschauer akzeptieren gut gemachtes Sponsoring oder Product- Placement. Wenn die Kombination aus Produkt und Unterhaltung gut gemacht ist, freut sich der Zuschauer sogar. Red Bull macht das perfekt, oder Heineken, Apple, Kinderschokolade, einige Autobauer, Sport, T-Mobile und Luxusmarken - das ist ein spannender Markt.

Mehr zu W&V unter www.wuv.de

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