TV-Film:"Sie brauchen Klicks, viele Klicks!"

"Die vierte Gewalt" auf Arte

Bilder- oder besser: Drehbuchjournalist: Jan Schulte (Benno Fürmann).

(Foto: NDR/Marc Meyerbröker)

Filme über Journalisten gehen gut dieser Tage. "Die vierte Gewalt" mit Benno Fürmann ist jedoch ein arg plakativer Film über das Zusammenspiel von Politik und Medien.

TV-Kritik von Karoline Meta Beisel

Das größte Talent von Jan Schulte ist es, Frauen zu Dingen zu überreden, die sie nicht machen wollen, und das mit erstaunlich geringem Einsatz. Die Quelle für einen Riesenskandal um die Bundesgesundheitsministerin zum Beispiel will lieber anonym bleiben. "Und wenn alles rauskommt?", fragt die verängstigte Frau. "Das wird nicht passieren", sagt der Journalist - und bekommt ihre Telefonnummer. Oder die Kollegin in der Redaktion: Erst gibt sie vor, nicht recherchiert zu haben. "Komm Britta, ich kenn dich doch", sagt Jan - und schon händigt Britta (Jördis Triebel) ihm ihre Akten aus. Sogar die pubertierende Tochter bringt er dazu, ihm zu helfen, wenn es sein Gegenüber weich machen könnte, ihn als liebenden Vater zu sehen.

Ein effizienter Rechercheur ist dieser Schulte, einfühlsam, aber hartnäckig, ein Bilderbuchjournalist, oder, in diesem Fall, ein Drehbuchjournalist. Die vierte Gewalt heißt der Politthriller, den Arte an diesem Freitag zeigt, und der Titel macht schon klar, worum es hier gehen soll: Das große Ganze, mindestens, die Mächtigen in Berlin und die Presse, die den Mächtigen auf die Finger schaut. Oder auch mal in die Augen, wenn sie so schön sind wie die von Katharina Pflüger (Franziska Weisz).

Schulte erhofft sich, über die junge Abgeordnete mehr über die Ministerin (Victoria Trauttmannsdorff) herauszufinden: Hat sie wirklich ihre Beziehungen eingesetzt, um ihrem kranken Bruder ein Spenderherz zu beschaffen? Und zu wem hat die Ministerin eigentlich sonst noch so Beziehungen?

Mit der journalistischen Unabhängigkeitist es offenbar nicht mehr weit her

Filme über Journalisten gehen gut dieser Tage. Der Kinofilm "Spotlight" über Rechercheure beim Boston Globe wurde in diesem Jahr mit dem Oscar als bester Film ausgezeichnet, der deutsche Fernsehzweiteiler Der Fall Barschel begleitete jüngst zwei Reporter auf der Wahrheitssuche. Auch Benno Fürmann, der Jan Schulte spielt, gab schon einmal den Journalisten: in Daniel Harrichs Der blinde Fleck über das Münchener Oktoberfestattentat.

Anders als diese Filme spielt Die vierte Gewalt (Regie: Brigitte Maria Bertele) allerdings im Zeitalter des Internets, in dem es offenbar mit der journalistischen Unabhängigkeit nicht mehr weit her ist. "Ist das nicht viel zu feuilletonistisch für ein Onlinemedium? Sie brauchen Klicks, viele Klicks!", fasst der Sprecher der Ministerin (Devid Striesow) die neue Medienwelt zusammen.

Möglich, dass Autor Jochen Bitzer dies als bitteren Kommentar auf die wirtschaftliche Lage vieler Medien ins Drehbuch geschrieben hat. Als dann aber der (natürlich) schmierige Chef der Boulevardkonkurrenz vorschlägt, die Affäre zu einer "fetten Regierungskrise hochzujazzen", und um 100 Euro (!) wetten will, dass Neuwahlen "uns alle wieder in die schwarzen Zahlen" bringen, verkommt die Branchenanalyse vollends zur Karikatur. Vielleicht ist eine differenziertere Betrachtung aber auch zu feuilletonistisch für einen Fernsehfilm.

Die vierte Gewalt, ARD, 20.15 Uhr.

Anm. d. Redaktion: Dieser Artikel wurde ursprünglich zur Premiere des Films bei Arte veröffentlicht. Anlässlich der Wiederholung im Ersten präsentieren wir ihn erneut.

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