TV-Ereignis Kate und William:Die Milliarden-Prophezeiung

Das britische Königshaus schafft es, ein globales Publikum anzusprechen, wie sonst nur olympische Wettkämpfe und Pioniertaten im All. Zwei Milliarden Zuschauer sollen das "TV-Ereignis des Jahres" verfolgen. Nur: Wo kommt diese Zahl her?

Tobias Moorstedt

Im grauen Mittelalter wurde Königen ihre Krone mit den Worten "von Gottes Gnaden" aufgesetzt. Im bunten Medienzeitalter brauchen Monarchen eine zeitgemäße Form der Legitimation: der Kniefall des TV-Volkes. Kein Wunder also, dass keine Programmankündigung für die Übertragung der Hochzeit von Prince William und Catherine ohne den Hinweis auf die "mehr als zwei Milliarden Menschen" auskommt, die das Spektakel an diversen Endgeräten angeblich verfolgen werden.

Final Preparations Are Made Ahead Of The Royal Wedding

"Kaffeesatzleserei": Zwei Milliarden Menschen sollen das junge Glück von Kate und William an diversen Endgeräten verfolgen. Die Zahl ist leider ohne konkrete Herleitung.

(Foto: Getty Images)

Die neunstellige Zahl und das behauptete öffentliche Interesse, für das sie steht, ist für Fernsehmacher eine Rechtfertigung für den betriebenen Aufwand und ein perfekter Werbeslogan für "den TV-Event des Jahres", wie ZDF-Chefredakteur Peter Frey glaubt: Zwei Milliarden Menschen sind dabei. Und Du willst fehlen?

Nur: Wo kommt diese Zahl her? Und: Wo kommt diese Zahl her? Eine Nachfrage bei der GfK Fernsehforschung oder der global operierenden Agentur Nielsen ergibt: "Wir berechnen keine Vorab-Quoten!" Bernhard Engel, Fernsehforscher beim ZDF, sagt: "Das ist keine belastbare Prognose." Sein Kollege Michael Darkow von der GfK nennt es "Kaffeesatzleserei". Eine explorative Tiefenbohrung in Pressearchiven und auf Nachrichten-Aggregationsseiten ergibt, dass sich viele Meldungen auf einen Bericht der englischen Tageszeitung Daily Mail beziehen, der, liest man ihn, einen Text des Wall Street Journal zitiert, in dem die Zahl 2,4 Milliarden tatsächlich genannt wird. Blöderweise ohne konkrete Herleitung.

Das britische Königshaus schafft es, ein globales Publikum anzusprechen, wie sonst nur noch Fußballendspiele, olympische Wettkämpfe und Pioniertaten im All. In der inoffiziellen Top-Ten der TV-Events finden sich die Mondlandung (50 Prozent weltweite Zuschaltung), das Fußball-WM-Finale 2006 (715 Millionen Menschen) oder die Beerdigung von Prinzessin Diana (angeblich 2,5 Milliarden Menschen).

Leben auf dem Planeten Erde drei Mal mehr Monarchisten als Fußballfans? ZDF-Statistiker Engel erklärt: Die Fußball-WM generiere auf Grund der Rechtevergabe an die höchstbietenden Sender belastbare Quoten. Die Bilder von Hochzeiten und Todesfällen seien hingegen frei verfügbar und über mehrere Tage zu sehen: "Viele Menschen werden das Hochzeitspaar kurz im TV anschauen", sagt Engel. Aber: Gibt es keinen Unterschied zwischen dem willentlichen Zuschauen und dem zufälligen Erdulden?

In der Zahl 2.000.000.000 drückt sich die Sehnsucht des Fernsehens nach Größe aus, nach einer vergangenen Zeit, in der sich die Gesellschaft jeden Abend um das bläulich schimmernde Lagerfeuer versammelte und Informationen und Storys austauschte. Das junge Glück von William und Kate hat eine doppelte Funktion: Es soll den Fortbestand des Hauses Windsor sichern und den Status des Fernsehen als Leitmedium dokumentieren. Monarchie und Massenmedien, das passt zusammen. Das "TV-Ereignis des Jahres" ist auch der glitzernde, melancholische Reigen zweier archaischer Systeme. Oh happy day!

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