Süddeutsche Zeitung

TV-Duell:So läuft das Duell Merkel-Schulz ab

Lesezeit: 4 min

Sie hätten es lieber anders gehabt. Nun diskutieren vier Moderatoren und SPD-Kandidat Schulz so, wie Kanzlerin Merkel es will.

Von Hannah Beitzer, Berlin

Jürgen Schmidt-André verspricht ein Duell "auf Augenhöhe": "Also, nicht politisch betrachtet, sondern im Sinne der Kameras." Der 57-jährige Studiotechniker steht in einer Halle in Berlin-Adlershof, bald soll hier die wohl wichtigste politische Fernsehsendung des Jahres stattfinden: Das TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Herausforderer, dem SPD-Kandidaten Martin Schulz. Schmidt-André hat zum sechsten Mal das Set designt für die Show. 2013 hat Merkel noch ein kleines Podest bekommen, der damalige SPD-Kandidat Peer Steinbrück misst 1,86 Meter: "Wir müssen immer dafür sorgen, dass alle die gleiche Sichthöhe haben." Merkel und Schulz aber sind fast gleich groß bzw. lang.

Es gibt viel zu beachten bei dem Duell, das die Sender ARD, ZDF, RTL und Pro Sieben Sat 1 seit 2002 gemeinsam ausrichten. Die Bedürfnisse der einzelnen Sender fließen ebenso in die Vorbereitung wie die der Teilnehmer. Und die Zuschauer sollen ja auch nicht gerade schnarchend vom Fernsehsessel kippen.

Was jetzt herausgekommen ist: ein Duell mit vier Themenblöcken, abwechselnd moderiert von zwei Moderatorenpaaren, nämlich Maybrit Illner (ZDF) mit Peter Kloeppel (RTL) und Sandra Maischberger (ARD) mit Claus Strunz (Sat 1). So ähnlich war es auch schon 2013. Die Themenblöcke sind Migration, Außenpolitik, soziale Gerechtigkeit und Innere Sicherheit. Mehr wollen die Beteiligten noch nicht verraten, denn ein bisschen Überraschung soll ja auch noch sein. Für die Zuschauer, aber vor allem für die Kontrahenten.

Die Sender hätten gern einen anderen Rahmen gehabt

Die Journalisten hätten gern einen etwas lockereren Rahmen für das Format gehabt, erzählen sie auf einer Pressekonferenz in Adlershof - und mehr Zeit. Die Sender wollten eigentlich zwei Duelle, ein öffentlich-rechtliches und ein privates, außerdem mehr Freiheit für die Moderatoren. SPD-Kandidat Schulz wollte es, die Amtsinhaberin nicht. Und sagte sehr deutlich: entweder ein Duell nach den alten Regeln oder gar keins.

Schnell war von "Erpressung" die Rede, der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender nannte das Format gar eine "Missgeburt": "Das Kanzleramt verlangt ein Korsett für die Kanzlerin, in dem sie sich nicht bewegen muss. Und zugleich eines für Schulz, in dem er sich nicht bewegen darf." Und als die Moderatorinnen und Moderatoren am Freitag vor der Sendung die Modalitäten vorstellen, machen sie auch keinen Hehl daraus, dass sie es sich anders gewünscht hätten. "Wir sind jetzt zum fünften Mal in der Situation, daraus das Beste zu machen", sagt Illner. Die ZDF-Frau hat bisher jedes TV-Duell mitmoderiert, ebenso RTL-Mann Kloeppel.

Erst einmal, nämlich im Jahr 2002, hätte sich ein amtierender Kanzler darauf eingelassen, gleich zweimal gegen seinen Herausforderer anzutreten: Das war das Duell Gerhard Schröder (SPD) gegen Edmund Stoiber (CSU). "Wir hatten die Wahl: entweder ein Duell unter den alten Bedingungen oder gar keins", sagt ZDF-Chefredakteur Peter Frey und beugte sich damit dem Druck der CDU. Sie seien sich dann schnell einig gewesen, dass sie den Zuschauern eine solche Möglichkeit, sich ein Bild von den Kandidaten zu machen, nicht vorenthalten könnten.

Merkel "steht wie ein Fels"

Frey zitiert eine Forsa-Umfrage, wonach 48 Prozent der Wahlberechtigten sich das Duell anschauen wollen. 22 Prozent gaben an, dass die Sendung ihre Wahlentscheidung durchaus noch beeinflussen könne. Es ist in der Tat die einzige Möglichkeit, bei der die Kanzlerin und ihr Herausforderer aufeinander treffen. Bisher vermeidet Angela Merkel im Wahlkampf es, den Namen "Martin Schulz" auch nur in den Mund zu nehmen.

Auch für die Moderatoren ist Merkel ein harter Brocken. "Das ist eine Frau, die steht wie ein Fels und lässt doch vieles wie ein Wasserfall an sich herunterperlen", beschreibt Sandra Maischberger, die zum ersten Mal ein TV-Duell moderieren wird, die Situation. Martin Schulz hingegen müsse im Duell auf Angriff gehen. "Unsere Aufgabe wird es sein, sie zusammenzubringen." Eine kleine Änderung gibt es daher schon im Studio: Die Tische der Kontrahenten sind mehr zueinander gedreht als das letzte Mal. Die Moderatoren und Moderatorinnen wünschen sich, dass die Kandidaten auch miteinander ins Gespräch kommen - oder sich streiten.

Wie unlängst in Frankreich, zwischen Emmanuel Macron und Marine le Pen? Lieber nicht, sagt Kloeppel. "Was wir lernen ist, dass nicht jede Debatte je lauter sie ist, auch inhaltsvoller wird", sagt er. Und er wünsche sich auch keine Situation wie im Duell Hillary Clinton und Donald Trump, der während der Debatte durchs Studio tigerte und "wie der weiße Hai" hinter seiner Kontrahentin auftauchte. "Wir haben ein Format gefunden, das zu unserer Debattenkultur passt", sagt er.

Die richtige Balance zwischen Information und Unterhaltung, die ist bei jedem TV-Duell eine sensible Frage. 2013, beim Duell zwischen Merkel und SPD-Kandidat Peer Steinbrück entzündete sich die Debatte vor allem an der Teilnahme des Ex-Pro-Sieben-Entertainers Stefan Raab. So einer in einer Politiksendung? Raab schlug sich wacker und ihm gelang in der Debatte um eine große Koalition in Richtung Steinbrück der prägnante Ausruf: "Das ist doch keine Haltung, zu sagen: Ich will nur gestalten, wenn ich 'King of Kotelett' bin."

Strunz in der Kritik

In diesem Jahr scheiden sich insbesondere an Sat-1-Mann Claus Strunz die Geister. Die Medienkritiker des Portals Übermedien nannten den Moderator "eine Mischung aus AfD, CSU und einem besserwissenden Mittelstufenschüler" und "Klassensprecher aller Populisten."

Eine Sat-1-Sendung am Mittwoch, in der er die Spitzenkandidaten der kleinen Parteien mit Bürgern konfrontierte, erntete viel Kritik, unter anderem, weil er auf dem Aussehen des FDP-Kandidaten Christian Lindner herumritt und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Katja Kipping (Linke) gar fragte, ob sie diesen "scharf" fänden. Zu allem Überfluss stellte sich hinterher auch noch heraus, dass eine der "normalen Bürgerinnen" in Wahrheit Mitglied der Linkspartei ist. Und, seitdem das bekannt ist, Drohnachrichten von empörten Rechten bekommt.

"Ich habe die Sendung am Mittwoch nie als Generalprobe verstanden", sagt Strunz nun während einer Pressekonferenz in Adlershof. Er finde es jedoch legitim, Politik auf "persönliche Fragen" zu verengen, wenn es eine inhaltliche Berechtigung habe. Wer in seinem Wahlkampf so auf Äußerlichkeiten setze wie Lindner, müsse sich auch Fragen danach gefallen lassen. "Wenn Schulz sich vor Sonntag noch den Bart abnimmt, dann würde ich ihn auch dazu befragen." Ob das dann wohl in den Themenbereich Migration, unter Soziale Gerechtigkeit, Außenpolitik oder doch eher Innere Sicherheit fiele?

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