TV-Doku zu Fettleibigkeit:Dick, aber gesund

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Kranke Dicke, gesunde Dünne? Nicht immer trifft das Klischee zu. (Foto: Robert Coellen)

In Deutschland ist jeder Zweite übergewichtig. Das klingt schlimm. Aber sind dicke Menschen zwangsläufig krank? Eine 3sat-Dokumentation zeigt, dass ein hohes Gewicht der Gesundheit in vielen Fällen eher nützt.

Von Kathleen Hildebrand

"Ich hasse diese Mäuse", sagt Marcelo Nobrega. Er ist Genetiker und füttert in seinem Labor an der University of Chicago zwei Mäuse-Gruppen mit Fast Food von McDonald's. Er gönnt ihnen kaum Bewegung. Und trotzdem: Die eine Gruppe bleibt einfach dünn. Nobrega und seine Kollegen haben ein Gen deaktiviert, das die Gewichtszunahme regelt. Dass Marcelo Nobrega die dünnen Mäuse "hasst", liegt wahrscheinlich daran, dass er selbst so aussieht, als ergäbe die Berechnung seines Body Mass Index (BMI) einen überdurchschnittlichen Wert.

Damit gehört Nobrega nicht gerade zu einer Minderheit. Die Dokumentation "Dicke leben länger", die 3sat am Donnerstagabend zeigt, beginnt mit einer Reihe eindrücklicher Zahlen: In den USA sind 70 Prozent der Menschen übergewichtig, in Deutschland ist es jeder Zweite. Weltweit wiegen 2,1 Milliarden Menschen zu viel. Um das Vorurteil vom kranken Dicken zu überprüfen, hat die Filmautorin Uta Meyer Experten aus verschiedenen Disziplinen besucht: Genetiker, Diabetologen und Hirnforscher.

Eine Diät hilft nicht jedem

Ärzte nennen jeden adipös, dessen Body Mass Index höher ist als 30. Von diesem Wert an wird man als dicker Mensch zum Patienten: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, schwere Organstörungen gehen angeblich mit dem Übergewicht einher. Weil das Dicksein oft Ergebnis von komplexen genetischen Zusammenhängen ist, hilft eine Diät nicht jedem - die Magenverkleinerung ist dann die einzige Möglichkeit für eine dauerhafte Gewichtsreduzierung. Was für ein starker operativer Eingriff das ist, zeigt die Kamera von Filmemacherin Uta Meyer so schonungslos, dass die Bilder aus dem OP selbst schon als Appetitzügler wirken.

Auf die Reise zu den Experten für Dickleibigkeit hat Uta Meyer sich gemacht, weil immer mehr neue Studien zeigen, dass "dick" nicht gleichbedeutend mit "krank" ist. Krebspatienten mit Übergewicht wurden niedrigere Sterberaten bescheinigt, Dicke überlebten häufiger schwere Operationen, auch Dialyse-Patienten profitieren offenbar von vermeintlich überschüssigen Pfunden. Selbst bei massiver Adipositas hat ein Patient keine schlechtere Gesundheitsprognose als ein Raucher mit Normalgewicht.

Dicksein als Anpassung an Stress?

Ein Hirnforscher bezeichnet das Dicksein sogar als "genialen Anpassungsmechanismus" an unsichere, Stress auslösende Lebensumstände: Dicke schütten in belastenden Situationen wesentlich weniger gesundheitsschädliches Cortisol aus als Dünne. Fettpolster schützen offenbar besser vor den Widrigkeiten des modernen Lebens als jene Schlankheit, die derzeit als Körperform-Ideal gilt.

"Happy Obese": Immer mehr Übergewichtige outen sich als glückliche Dicke. (Foto: Robert Coellen)

Dass ein hoher BMI-Wert allein kein Operationsgrund ist, zeigt das Gespräch mit einer kanadischen Adipositas-Patientin. Sie ist eine der "happy obese", der "glücklichen Dicken", die diese kleine, feine Dokumentation ins Bewusstsein des Zuschauers holen will: "Ich habe keine Beschwerden. Ich bin sehr gesund", sagt die junge Frau. Der Film zeigt sie nicht nur in der Arztpraxis, also als kranken Menschen, sondern in ihrem gepflegten Garten, mit Retro-Gießkanne und gemütlichem weißgetünchtem Haus im Hintergrund - vielleicht muss man so deutlich darauf hinweisen, dass Dicke nicht zwangsläufig in Messie-Buden voller Chipstüten hausen.

Sie sagt aber auch, dass die Diskriminierung von Dicken die letzte gesellschaftlich akzeptierte Form von Diskriminierung überhaupt sei. "Dicke leben länger" wird das nicht sofort ändern. Aber vom Schlankheitswahn Befallene haben nach dieser Dokumentation einige Argumente weniger.

Dicke leben länger , 3sat, Donnerstag, 20.15 Uhr.

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