TV-Doku:Hoywoy-treu

Der Osten - Entdecke wo du lebst

"Hoyerswerda" dürften die meisten Menschen noch immer mit Ausschreitungen im September 1991 verknüpfen. Was aber ist das für eine Stadt heute, 25 Jahre später?

(Foto: MDR)

Der MDR malt ein pastellfarbenes Porträt der Stadt Hoyerswerda. Dunkle Ecken auszuleuchten, ist explizit nicht Ansinnen des Formats. Von rechtsextremen Strukturen und sozialen Problemen fehlt jede Spur.

Von Cornelius Pollmer

Die Sendereihe des MDR heißt Der Osten. Entdecke, wo Du lebst, und mancher wird in diesem Titel eine leichte Drohung mitlesen. Schließlich gäbe es im deutschen Osten ja auch einige dunkle Ecken zu entdecken, das aber ist explizit nicht Ansinnen dieses Formats. Es sucht hauptsächlich nach hellen Farben selbst da, wo es assoziativ erst einmal düster wird: Das Wort "Hoyerswerda" etwa dürften die meisten Menschen noch immer mit den sechs Tagen im September 1991 verknüpfen, mit Ausschreitungen gegen ein Heim für Geflüchtete und mit einem überforderten Staat. Was aber ist das für eine Stadt heute, 25 Jahre später? Der MDR geht 30 Minuten lang auf die Suche, und er findet dabei leider nur die vorab recherchierten Hits. Der libanesische Barbier Naser Kassem fühlt sich wohl in Hoyerswerda und wirkt immer noch erstaunt, wie viele Journalisten darin eine Geschichte sehen ("Zu Hause im Schrank: zwei Meter Zeitungen!"). Beim Fleischermeister Frank Sinapius macht das Drehteam offenbar Mittagspause (Off: "Der Mittvierziger macht uns eine Knacker") und über die Minus-161-Grad-Kältesauna darf "Fräulein Janett" sagen, dass sie sich gar nicht so kalt anfühle. Aus diesen zusammengesammelten und mangels Zeit nur oberflächlich erzählten Einzelaspekten entsteht leider keine Geschichte, keine verlässliche Erzählung einer Gegenwart - darin besteht der erste Mangel des Films von René Römer. Der zweite und größere aber liegt in seiner überwältigenden Arglosigkeit. Als historische Bezugspunkte wählt Römer zum einen den Strukturwandel von der sozialistischen City um das Gaskombinat Schwarze Pumpe bis zur Schrumpfkur nach dem Zusammenbruch der DDR. Zum anderen erneuert der Film Eindrücke von 1991, von Randale und Tumulten. Beides aber bleibt von der Gegenwart ungespiegelt. Rechtsextreme Strukturen heute? Werden mit keinem Wort behandelt, vermutlich, weil sie nicht zum look and feel des Formats passen. Probleme des Transformationsprozesses nach dem Verlust tausender Arbeitsplätze und Einwohner? Römer geht zum Keramikkurs in die Kulturfabrik und stellt fest, die Demografie werde dort "einfach weggetöpfert". Mit so einer Strategie aber ist - bei allem Wohlwollen für den entdeckenswerten Osten - Hoyerswerda gewiss noch nicht entscheidend geholfen.

Der Osten. Entdecke, wo Du lebst, MDR, 20.45 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: