TV-Doku "Gläubig auf Probe":Indiana Kuntze sucht den lieben Gott

In Klöstern und Moscheen ist der Journalist Sven Kuntze unterwegs - und stellvertretend für uns alle sucht er nach Gott. "Gläubig auf Probe" ist laut WDR eine "Hochglanz-Doku", und die ist richtig ernst gemeint. Nur manchmal nimmt man das den Machern nicht ganz ab.

Hans Hoff

"Doppelbett? Wozu auch." Sven Kuntze kann sich über Details wundern, die andere übersehen. Auch darüber, dass er in einer karg möblierten Klosterzelle für einen winzigen Moment mehr erwartete als eine schmale Liege. Es sind solche Momente, die den Dokumentarfilm Gläubig auf Probe sehenswert machen, weil sie zeigen, dass der Grad der durch solch eine Produktion zu gewinnenden Erkenntnis sehr von demjenigen abhängt, der den Zuschauer durch die neue Welt führt. Sven Kuntze führt gut, weil er sich so etwas wie naive Neugier entweder bewahrt oder wieder neu angeeignet hat.

Gläubig auf Probe

Der Journalist Sven Kuntze ist zum dritten Mal "auf Probe" unterwegs.

(Foto: WDR/good karma productions)

Zweimal war der TV-Pensionär Kuntze schon "auf Probe" unterwegs. Einmal ging es um Alt sein auf Probe, das andere Mal ums Ehrenamt, ums Gut sein auf Probe. Danach sollte eigentlich Schluss sein. Kuntze ist nun 69 Jahre alt und weit genug weg vom Fernsehen, um noch allzu viel vom Medium zu erwarten. So einen ausgemusterten Haudegen lässt man in der Regel in Ruhe, und junge Redakteure sind in vielen Fällen sicher auch froh, wenn sich die alten Zausel nicht allzu oft mit Vorschlägen blicken lassen.

Kuntze hat nichts vorgeschlagen, er wollte gebeten werden. Lange mussten die Filmemacher Gesine Enwaldt und Ravi Karmalker ihm mit der neuen Idee auf die Bude rücken, bis sie ihn so weit hatten. Auslöser für eine Zusage war schließlich auch ein Erlebnis, das Kuntze während der Dreharbeiten zu Alt sein auf Probe ergriffen hatte. Da lernte er eine sterbende Frau kennen, die sich ganz sicher war, in den Himmel zu kommen. Da sprach er nach ihrem Tod auch mit dem Mann, der sich seinerseits ganz sicher war, bald bei seiner Frau im Himmel zu landen. "Das Aufbewahrtsein dieser Menschen hatte etwas Anrührendes, und es hat mir deutlich gemacht, dass mir etwas fehlt", sagt Kuntze heute. Er ist dann kurzerhand zu einem Pfarrer gegangen und hat gesagt: "Die haben mehr als ich da drin. Das will ich auch."

Ob man so naiv fragen darf, wenn man im aktuellen Fernsehgeschäft dieser Tage steckt? Einen wie Kuntze muss das nicht stören. Er hat einfach geschaut, ob er selbst was von der Aktion haben würde, ob er profitieren könnte, wenn er etwas sucht, was ihm einst unter ungeklärten Umständen abhanden kam. "Ich habe meinen Glauben nicht irgendwann beendet, ich habe ihn einfach irgendwo liegenlassen", sagt er. Und dann fand er heraus, dass er möglicherweise der Allgemeinheit auch einen kleinen Dienst mit seiner Forschungsreise erweisen könnte. "Ich habe mich gefragt, warum der Zuschauer sich das angucken soll, wie der Kuntze da durch die Gegend dackelt. Aber das ist ein Massenschicksal", sagt er und wirkt für einen Sekundenbruchteil wie der klare Kämpfer. Indiana Kuntze auf der Suche nach dem lieben Gott.

Vierzig Tage Suche nach Erkenntnis

Nun darf man gestandenen Journalisten durchaus unterstellen, dass sie zwar das Bedürfnis haben, etwas für sich herauszufinden, dass sie aber das reale Empfinden vielleicht auch mal ausblenden zugunsten schöner Statements oder beeindruckender Bilder. Und dass sie Interesse mal vortäuschen und vorher schon wissen, was hinterher herauszukommen hat. Den Vorwurf will Kuntze für sich so nicht stehen lassen. "Es gibt ein reales Bedürfnis. Ich war wirklich auf der Suche nach der Begabung zur Religion", sagt er, und sein Kameramann springt ihm rasch bei. "Ich bin Zeuge. Wir sind völlig ergebnisoffen an die Sache herangegangen", sagt Ravi Karmalker.

Nicht immer will man indes an diese unbedingte Ernsthaftigkeit glauben. Einmal sitzt Kuntze im Film einer Frau gegenüber, die ihm was von Karten und Erzengeln erzählt - so, wie man das von Sendern kennt, die ihren Anrufern Geld für ein paar allgemeine Ratschläge abknöpfen. Man ist sich sicher, dass er sich dabei das Lachen verkneifen musste. "Nein, da lachen Sie nicht", sagt er sehr ernst.

An 40 Tagen war die Kamera mit dabei, als Kuntze durch Klöster, Rehabilitationsanstalten und Moscheen wandelte und Erkenntnis suchte. Weitere 46 Tage hat Kuntze mit Vor- und Nachgesprächen verbracht. "Ich gehe erst hin und quatsche mit denen, und dann kommt irgendwann die Kamera. Man merkt gar nicht, wenn die anfangen zu drehen", schildert er die Vorgehensweise.

Der WDR verkauft das 75-Minuten-Stück als "Hochglanz-Doku", was eine ziemlich unpassende Etikettierung ist, weil Glanz ja eben ein Ergebnis vortäuschen würde, das es nicht gibt. Der Film wirkt in seiner Ruhe einerseits und mit dem ständig über dem Projekt schwebenden Fragezeichen andererseits eher rau und nicht ganz fertig geschnitzt, was den Akteuren durchaus als Absicht ausgelegt werden darf.

Fragt man Kuntze nach dem Ergebnis, sagt er: "Ich habe einen Haufen Leute kennengelernt, die mehr in sich ruhen als ich." Dass Kuntze eher zu den unruhigen Geistern zählt, spiegelt auch eine Beobachtung des Kameramanns. "Lustig war Svens Haltung: Er hat immer gesagt: Jetzt muss doch mal was passieren. So wie ein Aktionär, der für seine Investition etwas erwartet", sagt Karmalker.

Ist Sven Kuntze denn wenigstens als Mensch ein bisschen besser geworden? "Besser?", lautet das Echo, dem erst nach einer längeren Pause die Antwort folgt: "Nee. Man möchte es so gerne werden. Empfänglicher auf jeden Fall. Ich rede mehr drüber."

Gläubig auf Probe ARD, am 31.10. um 22.45 Uhr.

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