TV-Dating-Format "Catch the Millionaire":Paschas im Rattenlabyrinth

Neue ProSieben-Show 'Catch The Millionaire'

"Catch the Millionaire" bei Pro Sieben

(Foto: dpa)

Falsche Millionäre und willige Kandidatinnen: Pro Siebens "Catch the Millionaire" ist mehr Softporno als Sozialexperiment. Weitaus bedenklicher ist allerdings, was die Versuchsanordnung der Show über unsere Gesellschaft aussagt.

Von Matthias Kohlmaier

Gero ist 32 Jahre alt, Politologe und arbeitssuchend. Vorübergehend wohnt er deshalb wieder zu Hause bei Mama in seinem Jugendzimmer unter dem Dach. "Ich habe die harte Realität des Arbeitsmarktes kennengelernt", sagt er zu seiner Situation. Umso besser, dass Gero, 32, Politologe und arbeitssuchend, für ein paar Wochen im Aufrag von Pro Sieben den Millionär spielen darf.

Bei der TV-Show Catch the Millionaire ist Gero einer von drei männlichen Teilnehmern, die aus einer Vielzahl interessierter Frauen eine potenzielle Partnerin auswählen sollen. Der Haken, wenigstens aus Sicht der zu Beginn 18 und mittlerweile nur noch neun Teilnehmerinnen: Sie dachten lange Zeit, um die Gunst dreier Millionäre zu buhlen. Dass nur einer der Männer wirklich reich ist - und die anderen beiden: arbeitssuchend (Gero) und Maschinenbaustudent (Chris) - haben die Frauen erst in der dritten Episode der Sendung erfahren. Pro Sieben nennt das "ein faustisches Spiel um Geld und Liebe und Moral und Charakter".

"Es hat ein bisschen was vom Beobachten von Ratten in einem Labyrinth", nennt es Kommunikationswissenschaftlerin Maya Götz, Expertin für geschlechterspezifische Rezeptionsforschung. "Der Zuschauer soll sehen, wie sich die Ratten in der ungewohnten Situation verhalten und daraus seine Schlüsse ziehen. Damit gibt sich die Show zumindest den Anschein, ein echtes Experiment mit realem Gebrauchswert zu sein."

Wie wir uns die Balz vorstellen

Wer nicht jeden Freitagmorgen bangen Blickes die TV-Quoten vom Vorabend prüfen muss, wäre nie auf die Idee gekommen, Catch the Millionaire mit Goethes Faust in Verbindung zu bringen. Die allermeisten Zuschauer dürften bei dem Format nicht an Mephisto oder Auerbachs Keller denken, sondern: So also hältst du's mit dem Trash-TV, Pro Sieben. Dass die ersten drei Ausgaben jeweils deutlich mehr als eine Million Zuschauer verfolgt haben, ändert daran nichts.

Das Publikum lässt sich auch nicht von dem schrecklich simplen Rollenbild abschrecken: Mann mit Geld wählt aus einer Schar junger hübscher Mädchen aus. Aber warum eigentlich? Warum dürfen in solchen Shows - abgesehen von der RTL-Bachelorette vor einigen Jahren - immer die Männer den Pascha geben?

Weil wir alle uns die Balz so vorstellen, meint Wissenschaftlerin Götz: "Es widerspricht den normalen Rezeptionsgewohnheiten, Männer zu zeigen, die sich für eine Frau anpassen." Wollen die TV-Zuschauer wirklich harte Kerle sehen, die sich ein unmündiges Weibchen nehmen? "Hierarchisierung" nennt Götz das Prinzip von Catch the Millionaire, Frauen ordnen sich den Männern unter. "Das passt besser zum noch immer sehr patriarchalischen Denken im Großteil unserer Gesellschaft." Aha.

Geld heißt Status heißt Macht

Catch the Millionaire billigt den teilnehmenden Männern, genau wie das RTL-Pendant Der Bachelor, einen immens hohen Status zu. Sie schweben quasi über den Kandidatinnen und dürfen über deren Wohl und Wehe entscheiden. Wo sich RTL noch auf die Attraktivität des Mannes als wichtigstes Statusobjekt verließ, hat Pro Sieben nun noch einen weniger subjektiven Fakt addiert: Reichtum. Geld heißt Status und der verleiht den Männern die Macht, ein Urteil fällen zu dürfen, das die Kandidatinnen zu akzeptieren haben. Eben wie im längst vergangenen Patriarchat üblich.

Gut zu diesem angestaubten und überholten Rollenbild passt auch die Auswahl der Kandidatinnen. Die präsentieren sich zwar nicht pauschal als gänzlich hohle und geldgeile Hühnchen, lassen aber zumindest teilweise Zitate ab à la: "Geld is' geil, weil Geld glücklich macht" oder "Mein Partner muss mich schon finanzieren können, er ist immerhin mein Partner." Den vornehmlich jungen Zuschauerinnen und Zuschauern der Sendung sollen die Kandidatinnen paradoxerweise gleichzeitig als besonders moderne Frauen dargestellt werden. Frauen, die wissen, was sie wollen.

Das große Problem dabei fasst Maya Götz so zusammen: "Es ist nicht die gesamte Bandbreite an den in Deutschland lebenden Frauen für diese Sendung gecastet worden, sondern nur eine ganz spezielle Klientel." Und diese stehe dann auf einmal für "die normale Frau". Diese normalen Frauen schmeißen sich den vermeintlichen Millionären an den Hals und führen den wirklich normalen Frauen vor dem Fernseher vor, wie es in der Welt des Privatfernsehens funktionieren könnte, mit der großen Liebe.

'Catch The Millionaire'

Gero, 32, arbeitssuchender Politologe und Pseudo-Millionär

(Foto: obs)

Pro Siebens "faustisches" Spiel, das mit zunehmender Dauer immer mehr einem Softporno gleicht, wollen bisher bei Weitem nicht so viele Menschen sehen wie von Senderseite erhofft. Marktanteile um die elf Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen liegen sogar knapp unter dem Senderschnitt. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit enorm, dass es keine zweite Staffel geben wird, in der sich ein echter und zwei Pseudo-Millionäre von 18 Frauen anbeten lassen dürfen.

Moment, was ist eigentlich mit den Männern? Verhalten die sich wie echte Gentlemen, gänzlich überfordert von so viel weiblicher Hingabe? Keineswegs. Der 32-jährige Gero spricht in seiner Rolle als Millionär plötzlich nicht mehr vom harten Arbeitsmarkt, sondern sagt Sachen wie: "Es ist schon problematisch, wenn so viele Frauen auf einen stehen." Machos, egal ob Proll oder Akademiker, und unterwürfige Frauen sind offenbar das, was ein unangenehm großer Teil unserer Gesellschaft von einer TV-Dating-Show erwartet.

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