In der Türkei sind die bekannten regierungskritischen Journalisten Can Dündar und Erdem Gül am Freitagabend zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Das Gericht in Istanbul befand beide damit der Veröffentlichung geheimer Dokumente für schuldig. Dündar, Chefredakteur der Tageszeitung Cumhuriyet, soll für fünf Jahre und zehn Monate in Haft, sein Hauptstadtbüroleiter Gül für fünf Jahre. Die Anklage hatte ursprünglich lebenslänglich für beide Journalisten gefordert. Das Gericht sah aber einige Anklagepunkte als nicht erwiesen an. Vor bald einem Jahr hatten Dündar und Gül über angebliche Waffenlieferungen der Türkei an Islamisten in Syrien berichtet. Sie wurden angeklagt, weil sie angeblich Staatsgeheimnisse verraten hätten, eine Terrororganisation unterstützt und die Regierung mit ihrer Berichterstattung hätten stürzen wollen.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, der persönlich Anzeige erstattete und als Nebenkläger im Prozess zugelassen wurde, hatte nach der Veröffentlichung der Berichte angekündigt, Dündar werde einen hohen Preis bezahlen.
Attentäter schießt auf den "Landesverräter"
Am Ende dieses Verfahrens steht auch ein Attentatsversuch. Nachdem sich das Gericht zur Urteilsberatung zurückgezogen hatte, schoss vor dem Gerichtsgebäude ein Mann auf Dündar, der gerade mit seiner Frau auf dem Weg in ein Café war. Beide blieben unverletzt. "Ich habe nur gesehen, wie er seine Waffe auf mich richtete", sagte Dündar später vor Journalisten. Allerdings traf eine Kugel einen Berichterstatter am Bein. Ein Streifschuss. "Landesverräter" soll der Schütze gerufen haben, der sich festnehmen ließ, ohne Widerstand zu leisten. Die Anklage wurde international als Schlag gegen die Pressefreiheit in der Türkei gewertet. Schon am ersten Verhandlungstag Ende März wurde die Öffentlichkeit von dem viel beachteten Prozess ausgeschlossen. Dündar und Gül hatten drei Monate in Untersuchungshaft verbracht, bevor das Verfassungsgericht Ende Februar ihre Freilassung anordnete. Erdoğan kritisierte die Entscheidung des obersten Gerichts mit den Worten: "Ich sage es offen und klar, ich akzeptiere das nicht und füge mich der Entscheidung nicht, ich respektiere sie auch nicht." Dündars Anwalt Bülent Utku sagte vor Verhandlungsbeginn, eigentlich rechne er mit einem Freispruch. "Aber bei politischen Prozessen weiß man ja nie." Nach dem Urteil sagte Dündar: "Wir werden weiterhin unsere Arbeit als Journalisten erledigen." Daran könnten "alle Versuche, uns zum Schweigen zu bringen", nichts ändern. Die Journalisten wollen das Urteil anfechten.