Süddeutsche Zeitung

Fehlende Lizenzen:Türkei sperrt Sender

Deutsche Welle und Voice of America sind in der Türkei offenbar nicht mehr empfangbar. Warum der Schritt den Sendern seit Monaten drohte.

Von SZ

Die türkische Aufsichtsbehörde für den Rundfunk (RTÜK) hat den Zugang zur Deutschen Welle in der Türkei gesperrt. İlhan Taşcı, Vorstandsmitglied von RTÜK, schrieb auf Twitter: "Der Zugang zum türkischsprachigen Dienst der Deutschen Welle, DW Türkçe, und Voice of America, die keine Genehmigungen beantragt haben, wurde auf Antrag des RTÜK-Vorstands vom Strafgerichtshof in Ankara blockiert." Am Donnerstagabend gab es Probleme beim Zugriff auf das Internetangebot der Deutschen Welle in der Türkei.

Am Freitag bestätigte der deutsche Auslandssender in Bonn, dass die Angebote dort in allen 32 Sprachen gesperrt wurden und kündigte an, juristisch dagegen vorzugehen. In den sozialen Medien, teilt DW weiter mit, könnten sich Nutzer informieren, wie sich die Zensur umehen lässt.

Dem deutschen Auslandssender und weiteren ausländischen Medien drohte bereits seit Februar eine Sperre ihres Online-Programms in der Türkei. Die türkische Rundfunkbehörde hatte die Sender offiziell dazu aufgefordert, eine Lizenz für On-Demand-Angebote zu beantragen. "Dem war die DW nicht nachgekommen, weil eine Lizenzierung die Zensur von redaktionellen Inhalten durch die türkische Regierung ermöglicht hätte", hieß es am Freitag von einem Sprecher. Beispielsweise seien lizenzierte Medien zum Löschen von Online-Inhalten verpflichtet, die die RTÜK für unangemessen erachte. Das sei "für einen unabhängigen Medienanbieter schlicht inakzeptabel", sagte DW-Intendant Peter Limbourg laut Medienberichten. Die Deutsche Welle hatte angekündigt, gerichtlich gegen die erforderliche Lizenz vorzugehen.

Bei der Aufforderung zur Lizenzbeantragung beruft sich die Türkei auf ein 2020 in Kraft getretenes Mediengesetz, mit dem die islamisch-konservative AKP-Regierung eine weitreichende Kontrolle von Internet-Plattformen eingeführt hat, die Filme, Videos oder Radioinhalte verbreiten.

Lizenzen sind auch in Deutschland die übliche Praxis für alle Anbieter von Inhalten mit einer bestimmten Reichweite. So hat die für die Zulassung bundesweiter privater Sender zuständige Kommission ZAK am 1. Februar ein Verbot des russischen, kremlnahen Senders RT DE ausgesprochen, weil dieser nicht mehr nur online verfügbar war, sondern per Satellit auch einen klassischen TV-Kanal gestartet hatte. Bei den Prüfkriterien der deutschen ZAK, der Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten, geht es vor allem um die Vergabe der Sendelizenzen und um die Frage, ob sich die Sender an die geltenden Vorschriften zum Beispiel in Sachen Werbung oder Jugendschutz halten.

In der Türkei hingegen stehen Medien zum Großteil unter direkter oder indirekter Kontrolle der islamisch-konservativen Regierung, auch Inhalte im Internet unterliegen starker Regulierung.

Um das durchzusetzen, haben regierungsnahe Vertreter eine Mehrheit in dem RTÜK-Gremium. Vorstandsmitglied Taşcı hingegen gehört der größten türkischen Oppositionspartei CHP an. Er kritisierte den Schritt der Aufsichtsbehörde als Angriff auf die Pressefreiheit. Der BBC sagte er, die Türkei habe mit dieser Entscheidung eine neue Schwelle überschritten.

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