Woody Harrelson ist bestens gelaunt an diesem Nachmittag in West Hollywood. Er trägt eine weiße Leinenhose und ein viel zu großes rosarotes Hemd, den blauen Spitzbubenaugen ist anzusehen, dass sie in der vergangenen Nacht spannende Dinge gesehen haben.
"Schön, Sie zu sehen, ist ja immer wieder eine Freude, internationale Freundschaften zu pflegen", sagt er und grinst. Neben ihm sitzt Matthew McConaughey. Blaue Jeans, weißes Hemd, nach hinten gegelte Haare. Zur Begrüßung nickt er nur, seine Augen deuten darauf hin, dass sie in der letzten Nacht erst spät geschlossen wurden.
Vom "Surfer Dude" zum "True Detective"
Allein dieses Bild, wie diese beiden Schauspieler da sitzen und darauf warten, die Fernsehserie True Detective zu bewerben, deren acht Folgen von 12. Januar an auf dem amerikanischen Bezahlender HBO und in Deutschland jeweils einen Tag später auf Sky Go laufen, bietet einen Einblick, an welchem Punkt ihrer Karriere sich die beiden Schauspieler befinden, die vor mehr als einem Jahrzehnt gemeinsam in den Komödien Surfer Dude und EDtv agierten und seitdem als Freunde gelten.
Die nun die ohnehin recht beeindruckende Liste jener Darsteller verlängern, die auf der großen Leinwand überaus erfolgreich waren und nun Teil des goldenen Serien-Zeitalters sein wollen, ob nun im Kabelfernsehen (etwa Robin Williams in The Crazy Ones, CBS), auf Internetportalen ( Kevin Spacey in House of Cards, Netflix) oder eben im Pay-TV ( Claire Danes in Homeland, Showtime).
Ein Erfolgsgarant
Da ist Woody Harrelson, 52, der seine Karriere einst als Barkeeper Woody in der legendären Fernsehserie Cheers begann und dafür im Jahr 1989 mit dem Emmy ausgezeichnet wurde. Der aufgrund von Filmrollen in Natural Born Killers, The People vs. Larry Flint und No Country for Old Men als einer der vielseitigsten Darsteller in Hollywood gilt. Der bereits zwei Mal für einen Oscar nominiert war. Der sich dem perfekten John-Goodman-Quotienten nähert.
Damit wird in Hollywood der Anteil an Flops ausgedrückt, der von Goodman liegt in den vergangenen 20 Jahren bei null Prozent. Für Harrelson gilt ebenfalls: Wenn er bei einem Projekt mitmacht - und sei es nur in einer Nebenrolle -, dann wird es erfolgreich.
Das ist ihm freilich bewusst, er muss längst nicht mehr um Anerkennung werben oder betonen, was für ein prima Charakterdarsteller er doch ist: "Das Geheimnis zum Glücklichsein ist, bei einem Projekt das Resultat vergessen und den Prozess genießen zu können. Erfolg ist nur ein Bonus, aber damit habe ich nichts zu tun." So einfach ist das also. Auch sein Mitwirken an True Detectives erklärt er lapidar: "Das Drehbuch war außerordentlich, Matthew hat mitgemacht, also habe ich nach dem Lesen von zwei Episoden zugesagt."
Harrelson ist für das Leichte und Lockere zuständig an diesem Nachmittag. Er gibt seine Antworten nicht wohlüberlegt, sondern lässt sie einfach aus seinem Mund fallen. Auf die Frage nach seiner Rückkehr ins Fernsehen etwa sagt er: "Das ist doch nicht Fernsehen! Es ist HBO!" Dann grinst er: "Ich bekomme jedesmal 10 000 Dollar, wenn ich das sage - heute habe ich schon fast 40 000 Dollar verdient. Ka-chiiiiiing!" Er wolle künftig ausschließlich Komödien drehen: "Nach dem Ding bin ich fertig mit Dramen."
Vom Pantoffelheld zur Oscar-Nominierung
Und als McConaughew einmal behauptet, keinen Wert auf Momente in Filmen zu legen, die sich in Vorschauen gut vermarkten ließen, sagt Harrelson: "Na klar, darüber denkst Du nicht nach!" Dann ahmt er seinen Kollegen nach und sagt mit der Stimme seines Kollegen die Worte, die nun freilich in jeder einzelnen Vorschau von True Detective vorkommen: "Something deep and dark, detectives. Something deep and dark." Dann grinst er.
Und es gibt McConaughey, 42, dessen Ruhm sich bislang eher durch die Verkörperung charmanter Charaktere in romantischen Komödien begründete. Der sich erst in den vergangenen Jahren an schwierigere Rollen traute und nun für seine Arbeit im Film Dallas Buyers Club mit einem Oscar belohnt wurde. Der extrem Wert darauf legt, weniger für den korrekten Sitz der Bauchmuskulatur bekannt zu sein als vielmehr seine Leistungen als Schauspieler.
Er denkt vor jeder Aussage lange nach, währenddessen macht er bedeutsame Pausen und sieht den Fragesteller lange und eindringlich an: "Es ist nicht meine Aufgabe, dass die Leute mich sympathisch finden." Pause. "Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Menschen Empathie empfinden für die Figuren, die ich verkörpere." Pause. "Ich mache diesen Beruf, weil mich ein Projekt interessiert oder herausfordert - und nicht, weil es erfolgreich sein könnte."
Die Arbeit an True Detective sei kein Spaß für ihn gewesen: "Woody und ich sind Freunde, diese Chemie können wir in Komödien einfließen lassen und Spaß haben. In dieser Serie verkörpern wir jedoch zwei Charaktere, die überhaupt nicht miteinander können, die nichts mit Woody und mir zu tun haben. Deshalb gab es weniger spaßige Momente. Es wurde vielmehr häufig hitzig und intensiv. Wir haben uns einige Male heftig gezofft."
Es sind in der Tat knifflige Rollen, die Harrelson und McConaughey in dieser Serie zu verkörpern haben. Die Handlung beginnt im Jahr 2012, die ehemaligen Ermittler Rust Cohle (McConaughew) und Martin Hart (Harrelson) werden getrennt voneinander ins Polizeibüro von New Orleans einbestellt, um von ihrer Arbeit an einem Fall zu berichten, der 17 Jahre zurückliegt.
Der gottesfürchtige Familienvater Hart und der einsilbige Einzelgänger Cohle hatten damals einen grausamen rituellen Mord untersucht und sich dabei eher angegiftet als angefreundet. Die Geschichte entwickelt sich äußert langsam, die Bilder sind dunkel und trist, den Charakteren wird in Rückblenden Zeit zur Entwicklung gegeben. Dort wird vorsichtig angedeutet, dass während der Ermittlungen etwas zwischen den beiden vorgefallen sein muss, dass beide an diesem Fall emotional zerbrochen sind - oder sich gegenseitig gebrochen haben.
"Der Unterschied zur Arbeit an einem Film ist gewaltig. Es war ein Marathon, wir hatten acht Fernsehstunden lang Zeit, die Geschichte zu erzählen und die Figuren zu entwickeln. Das Drehbuch war 450 Seiten lang, wir haben sechs Monate lang 16 Stunden am Tag gearbeitet", sagt McConaughew, "ich musste lernen, geduldig zu sein. Bei der Vorbereitung habe ich mich mit dem Drehbuchautor Nic Pizzolatto ausgetauscht, ob ich an der einen oder anderen Stelle nicht kräftiger oder farbiger spielen sollte. Doch dann wurde ich gebremst und bekam gesagt, dass sich das alles entwickeln würde. Das hat es dann auch getan."
Eine ungewöhnliche Erzählform
2012 ist aus dem zynischen Antialkoholiker Cohle ein abgefuckter Säufer geworden, der mit langen Haaren und Lemmy-Kilmister-Bart auf seinem Stuhl lungert und die Beamten eher mit seinem Sarkasmus verkohlt, als dass er ihre Fragen beantwortet. Hart dagegen ist immer noch Anzug- und Krawattenträger, er hat Karriere gemacht - es nervt ihn gewaltig, dass er nun mit diesem alten Fall konfrontiert wird. "Ich spiele immer kräftig und charismatisch, werde dann gebremst und bekomme gesagt, dass sich das alles schon entwickeln wird", sagt Harrelson. Und grinst.
True Detectives ist eine düstere, komplizierte und faszinierende Serie, die zum einen von der ungewöhnlichen Erzählform lebt, von der Pizzicato recht selbstbewusst behauptet, dass sie den Stil kriminalistischer Serien im amerikanischen Fernsehen verändern könnte. Das Format ist als Anthologie geplant, der erste Fall soll nach acht Folgen gelöst sein.
Die zweite Staffel, so der Sender eine bestellt, wird einen neuen Fall verfolgen, mit neuen Detektiven und neuen, möglichst prominenten und begabten Darstellern. True Detectives ist eine beeindruckende Serie, durch Harrelson und McConaughew indes wird sie zu einer der besten in dieser Spielzeit - und es wäre nicht verwunderlich, würden beide bei der nächsten Emmy-Verleihung berücksichtigt werden.
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