Late Night Show:Einer, dem man zuhören muss

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Trevor Noah gibt nach sieben Jahren die Moderation der Sendung "The Daily Show" ab. (Foto: Willy Sanjuan/AP)

Der Komiker Trevor Noah tritt nach sieben Jahren als Host der legendären Satire-Sendung "The Daily Show" ab. Damit verliert die Show einen Moderator, der nie einer politischen Linie gehorchte. Eine Lobeshymne.

Von Jürgen Schmieder

Es gibt ja viele Dinge auf der Welt, die müssen einfach mal gesagt werden; die Frage ist jedoch, ob alles, was gesagt werden muss, auch immer gehört werden muss. Heutzutage wird viel gesagt, von Leuten die glauben, dass sie zu wirklich jedem Thema was sagen oder schreiben müssen. Es gibt allerdings nur sehr wenige, denen man zuhören sollte, was immer sie auch sagen. Einer davon ist Trevor Noah.

Vor sieben Jahren wurde Noah Gastgeber der Satiresendung The Daily Show, und viele Leute fragten damals: Wer in aller Welt ist das denn? Sein Vorgänger Jon Stewart war eine Legende; auch so einer, dem man unbedingt zuhören musste. Er distanzierte sich von der kühlen Satire und oft auch Arroganz der damaligen Late-Night-Komiker, die allabendlich das Geschehen des Tages kommentierten und die Leute väterlich - Satiriker waren damals immer ältere weiße Männer - zu Bett schickten.

Stewart war einer, der die Leute wachrütteln wollte, und oft gelang ihm das auch. Er war der, dem die Linken in den USA (und nicht nur dort) wirklich zuhörten. Man kann nicht oft genug betonen: Kein Politiker, kein Experte in irgendeinem Gebiet, konnte sich derart Gehör verschaffen, wie der Komiker.

Dann kam Noah, damals 31 Jahre alt, ein relativ unbekannter Südafrikaner, Sohn einer Xhosa und eines eingewanderten Deutschschweizers. Die Zuschauer wussten wenig über ihn und hatten daher kaum Erwartungen. Noah hatte man bei den Late-Night-Talkern Jay Leno und David Letterman gesehen und später auch in The Daily Show. Er war aber so frisch, dass die Leute meinten: Na, dann schauen wir mal, was der so draufhat.

Sein Vorgänger Jon Stewart konnte sich an den beiden Bushs abarbeiten. An Obama ist er gescheitert

Nun, er hat eine ganze Menge drauf, dieser Trevor Noah, und natürlich half ihm, dass er sich zunächst einmal in den letzten Monaten der Obama-Regierung eingrooven konnte. Stewart war ja als Chef-W-Verarscher berühmt geworden. Er ließ den damaligen US-Präsidenten George W. Bush permanent wie einen Tölpel aussehen, und auch wenn er sich an Barack Obama redlich abarbeitete: Man merkte am Ende, dass ihm ein ebenbürtiger Gegner fehlte, einer an dem er sich so richtig reiben konnte. Wohl auch deshalb hörte er auf.

Dann kam Donald Trump und zunächst riefen die Leute: Wo in aller Welt steckt Stewart? Diese Rufe wurden schnell leise, weil Noah nun mal einer ist, dem man beim Thema Rassismus unbedingt zuhören sollte. Er ist in der Apartheid Südafrikas aufgewachsen und blickt nun als betroffener Außenseiter auf Amerika. Es gab direkt nach der Wahl Trumps ein Video von Noah, in dem er Trumps Verhalten mit dem eines Diktators in Afrika verglich. Ein satirisches Meisterwerk, das sich nicht nur im TV versendete, sondern über soziale Medien millionenfach und weltweit verbreitete. Eine weitere Stärke Noahs.

"Ich weiß, wie das ist, in einem Land zu leben, das entzweit ist aufgrund der Hautfarbe; und wo die Leute glauben, dass der Präsident nicht die besten Interessen seines Landes im Sinn hat", sagte Noah im Jahr 2019 in einem Interview mit The Hollywood Reporter: "Ich bin ein ganz schlechter Komiker in belanglosen Dingen. Ich wüsste nicht, was ich tun soll, gäbe es weder Konflikt noch Schmerz noch Tragik. Es ist das Einzige, was ich kann."

Trump, die Pandemie - Noah hatte viel zu verarbeiten

Er konnte es, weil er Witze und Kommentare aus Empathie gebar mit der Gewissheit, dass das, was er sagte, auch unbedingt gehört werden musste. Seine immense Kraft liegt darin, dass er nie was sagt, um der politischen Linie seines Senders zu entsprechen - der ja Comedy Central ist und kein TV-Meinungsportal, wie es die sogenannten News-Kanäle Fox News (rechts) und MSNBC (links) sind. Wenn er was sagt, dann nur, weil ihn das Thema wirklich sorgt.

Diese Eigenschaft, Empathie, hat er mit seinem Vorgänger gemein. Es wäre unsinnig, einzelne Trevor-Noah-Momente aufzuzählen; es gibt zu viele davon, und wer sie erleben will, der möge das auf einem Video-Portal tun.

Nur: Einer, der jeden Tag Konflikt, Schmerz und Tragik verarbeiten muss und der weiß, dass er genau das braucht, um erfolgreich zu sein, der erreicht auch irgendwann seine Grenze. Viele Leute glauben, dass sie zu jedem Thema was sagen müssten - von Noah wurde das quasi erwartet. Und da man ihn, er wäre einem sicherlich nicht böse dafür, als "gemäßigt-woke" bezeichnen kann (ja, gibt es!), gab es Widerhall aus so ziemlich allen konservativeren Richtungen, die meinten, vor allem zu Noah immer was sagen zu müssen - meist, um sich selbst zu profilieren. Das muss einen immens belasten.

Diesen Punkt hat Noah offenbar jetzt erreicht, das teilte er den Leuten am Donnerstagabend mit. "Ich glaube, dass es an der Zeit ist. Ich habe darüber nachgedacht, was wir durchgemacht haben: die Trump-Präsidentschaft, die Pandemie und, na ja, mehr Pandemie." Durch den Fokus auf The Daily Show habe er andere Dinge vernachlässigt, die ihm wichtig seien: "Sprachen lernen. Shows in anderen Ländern. Ich vermisse es einfach, überall sein zu können und ein bisschen was von allem zu tun."

Er kündigte seinen Abschied an, ohne ein genaues Datum für die letzte Sendung zu nennen. Das gibt Comedy Central ein wenig Zeit, in der 25. Spielzeit der legendären Sendung einen geeigneten Nachfolger zu finden. Das dürfte nicht einfach werden, aber genau das hatte man ja auch bei Stewarts Abschied gesagt. Sie müssen nur einen finden, dem man zuhören muss.

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