Süddeutsche Zeitung

Serie "Tote Mädchen lügen nicht":Mit Warnhinweisen

Jugendlichen ist das nicht zu empfehlen: "Tote Mädchen lügen nicht" geht in die nächste Staffel. Die wirkt wie eine brutale, spätpubertäre Version von TKKG.

Von Benedikt Frank

Die Polizei führt Clay aus der Schule ab. Wenig später wissen es seine Freunde und sind in Sorge, als nächstes verhört zu werden. Clay, das war der Held aus der ersten Staffel von Tote Mädchen lügen nicht, eine der beliebtesten, aber auch kontroversesten Netflix-Serien. Sie handelt vom Suizid eines Mädchens, das auf 13 Audiokassetten in 13 Folgen ihre Tat begründet. Clay erhält als ihr Freund die morbiden Hörspiele.

Vor allem die Prämisse der Serie, die der Protagonistin keine Chance auf einen positiven Ausweg aus ihren Problemen ermöglicht, sorgte für Kritik von Psychologen und Suizidpräventionsorganisationen. Und tatsächlich bestätigte die Todesstatistik der USA die Befürchtungen offenbar: Infolge der Veröffentlichung stieg dort die Suizidrate unter Jugendlichen signifikant, es ist vom sogenannten "Werther-Effekt", von Nachahmungstaten, auszugehen.

Eine besonders kritisierte Szene, die den Suizid explizit darstellt, hat Netflix mehr als zwei Jahre später entfernt. Man muss das eher als Marketingstunt verstehen denn als Einlenken gegenüber der Kritik oder gar als Bereitschaft, echte Verantwortung zu übernehmen. Denn auch die neue Staffel drei ist als Anleitung dafür geeignet, wie man mit psychischen Krisen möglichst fatal umgeht.

Zur Seriendramaturgie gehört seit Staffel zwei, dass die Darsteller in einem kurzen Einspieler vor Triggern warnen. Wer wie in der Serie dargestellt Probleme hat, solle sie vielleicht besser nicht sehen und Hilfsangebote nutzen. Das mag gut gemeint sein, damit bedient die Serie sich aber auch dem Mittel der Exploitationfilme, sich interessant zu machen, indem sie Gefährliches und Skandalöses behauptet.

Die zweite Staffel handelte von der juristischen Aufarbeitung des Suizids. Clay und seine Freunde deckten dabei auf, dass Bryce, der Footballstar der Schule, neben dem toten Mädchen weitere Schülerinnen vergewaltigt hatte. Dennoch kam dieser mit einer Bewährungsstrafe davon. Am Ende von Staffel zwei steht dann mit dem Außenseiter Tyler ein weiteres Opfer des Systems aus Mobbing und sexueller Gewalt bewaffnet vor der Schule. In der dritten wiederholt sich ein problematisches Muster aus der ersten: Die Schüler versuchen, ihre Probleme selbst zu regeln. So verhindern sie das Schulmassaker zwar gerade noch. Sie vertuschen aber auch den Versuch und sind folglich höchst nervös, als Clay aus der Schule geholt wird. Die Polizei möchte zunächst aber etwas anderes wissen: Footballstar Bryce ist verschwunden, bald taucht seine Leiche auf.

Clay und Co ermitteln auf eigene Faust, sodass Staffel drei bald wie eine brutale, spätpubertäre Version von TKKG wirkt. Zugespitzte Teenagerprobleme sind Beiwerk zum klassischen Whodunit. Jugendlichen ist das nicht zu empfehlen. Und wer die Schulzeit überstanden hat, kann auf Ohnmachtfantasien von Teenagern ja eigentlich auch verzichten.

Tote Mädchen lügen nicht, auf Netflix*

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Quelle:
SZ vom 28.08.2019
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