Auch Jane Campion hat den Satz jetzt also gesagt. Im vergangenen Sommer war das, während der Filmfestspiele in Cannes, wo sie und ihre Hauptdarstellerin Holly Hunter genau 20 Jahre zuvor die Goldene Palme für ihren Kinofilm Das Piano gewonnen hatten. Jane Campion sagte, so jedenfalls zitiert es der britische Telegraph, dass das Fernsehen "die neue Dimension" sei. Kino sagte sie, sei konservativ. "Ich habe die Nase voll davon."
So oder so ähnlich ist dieser Satz im vergangenen Jahr zu einer Art Jingle jener Filmemacher geworden, die mehr von sich und vom Leben erwarten, als im Auftrag der großen Hollywoodstudios in Fortsetzungsschleifen Superhelden auf Heldentour oder hübsche Pärchen durch Pärchenwirren zu schicken. Steven Soderbergh erklärte seine Abkehr vom Kino, als er für den Sender HBO die Geschichte des homosexuellen Klavierschlagerstars Liberace verfilmt hatte, die den amerikanischen Kinos "zu schwul" für die Leinwand gewesen war. Und Kevin Spacey, beim Streamingdienst Netflix zum Serienstar gemacht, nutzte einen Branchentreff in Edinburgh für eine ähnliche Botschaft.
Das Drama beginnt
Das Fernsehen, das außerhalb Deutschlands jedenfalls, ist zum Sehnsuchtsort all derer geworden, die große Geschichten abseits des Popcorn-Kommerz erzählen wollen. Bei Jane Campion, die das Buch zu Top of the Lake schrieb und Regie führte, spielt diese Geschichte in Neuseeland, an einem Ort mit weiten Wiesen und einem eiskalten See, in dem sich gleich zu Beginn die zwölfjährige Tui das Leben nehmen will. Das Drama beginnt, als man sie wieder herauszieht. Denn Tui ist schwanger, von wem, will sie nicht sagen. Und noch bevor Detective Robin Griffin (Elisabeth Moss) die Ermittlungen wegen eines möglichen Missbrauchs aufnehmen kann, ist Tui aus dem Haus ihres Vaters verschwunden.
Top of the Lake erzählt in (je nach Schnittfassung) sechs bis sieben Folgen von einem Kriminalfall und dessen Aufklärung - und ist trotzdem etwas vom Irrsten, was es derzeit im Fernsehen zu sehen gibt. Die Landschaft, durch die einst Peter Jackson seinen Hobbit den vermaledeiten Ring tragen ließ, ist derb, und die Menschen passen gut hinein.
Matt Mitchum, der Vater von Tui, ist ein roher Typ mit einer Drogenküche im Keller. Die Szenen gleich zu Beginn, in denen er auf einem Landstück namens Paradies einer Gruppe von Frauen begegnet, die sich auf der Flucht vor dem Leben und den Männern eine Containerstadt ins Gras gebaut haben, um ihre Blessuren zu begutachten, die hätte man früher wohl als großes Kino bezeichnet. Jetzt ist es großes Fernsehen. Und die weißhaarige Frau, deren bizarren Ratschlägen die verzweifelten Damen nach Paradies gefolgt sind, wird übrigens gespielt von Holly Hunter.
Top of the Lake , WDR, dreimal mittwochs jeweils zwei Folgen, von 22.15 Uhr an.