In der Welt, die diese Serie zeigt, werden Frauen auf Äußerlichkeiten oder ihre Gebährfähigkeit reduziert. Männer müssen erfolgreich sein und möglichst geheime Affären haben - sonst sind sie Loser. Und alle rauchen. Trotzdem geraten die meisten ins Schwärmen, wenn sie von "Mad Men" berichten. Warum zum Teufel wird eine TV-Serie in den Kritikerhimmel gehoben, die von derart reaktionären Menschen bevölkert wird, von denen außerdem eigentlich kein einziger wirklich als Sympathieträger fungieren kann? Weil sie so unglaublich ästhetisch ist. Zum Beispiel: Autos und Drinks, Küchenradios und Bürotelefone - nichts wird dem Zufall überlassen bei den "Men of Madison Avenue", den Werbemenschen der 60er Jahre aus New York. Und dann diese Kleider: Damen tragen Spitztüten-BH und Petticoat oder Cocktaildress, die Herren edle Anzüge - alles hat Stil an dieser Serie, sogar das Drehbuch: Welches Geheimnis die so schweigsame wie umtriebige Hauptfigur Don Draper in ihrem Inneren mit sich herumträgt, wird kaum gelüftet. Warum seine brave blonde Hausfrau plötzlich mit irrem Blick aus dem Fenster nach Vögeln schießt, wird erst mal nicht verraten. Und warum die hübschen jungen Frauen in der Werbeagentur sich reihenweise von ihren Kollegen erniedrigen lassen, versteht man nur, weil die Serie eben auch den damaligen gesellschaftlichen Kontext betrachtet. Genau darin liegt das Geheimnis von "Mad Men": In den frühen 60er Jahren, als Rassenhass, Homophobie und Sexismus grassierten, da schien die Welt noch einfach zu sein - aber sehr schwer zu ertragen. Es ist ein gemischtes Vergnügen, sich auf die gebrochene Nostalgie der Serie einzulassen, weil man am Ende heilfroh sein kann, dass diese Zeiten vorbei sind - so optisch wertvoll sie uns heute auch erscheinen.
Und weil es so schön war, steht der nächste Nostalgie-Trip schon vor der Türe: "Boardwalk Empire" zeigt das Atlantic City der 20er Jahre zur Zeit der Prohibition - und wurde bereits mit Golden Globes und Emmy-Nominierungen überschüttet. Die Idee zur Serie hatte "Sopranos"-Macher Terence Winter, Martin Scorsese drehte die Pilotepisode, in USA wird gerade die dritte Staffel produziert. Zeitreise zieht offenbar. In Deutschland allerdings bisher nur im Bezahlfernsehen.