Sky-Doku über Skate-Legende Tony Hawk:Ruhm ist die schlimmste Droge

Sky-Doku über Skate-Legende Tony Hawk: Tony Hawk bei einem Skate-Event 2015 in München: So viel Publikum und doch erzählt einer der größten Stars der Skater-Szene in der Doku von einer tiefen Einsamkeit.

Tony Hawk bei einem Skate-Event 2015 in München: So viel Publikum und doch erzählt einer der größten Stars der Skater-Szene in der Doku von einer tiefen Einsamkeit.

(Foto: Florian Peljak)

Eine Doku blickt auf Karriere und Leben von Tony Hawk, dem gefeierten Skater - und erzählt weniger von seinem Ruhm als von Scheitern und Selbstzerstörung.

Von Johannes Korsche

Aua. Was sich Tony Hawk da antut, muss richtig weh tun. 54 Jahre alt ist der gefeierte Skater inzwischen, keiner hat je mehr Geld mit dem Skateboarden verdient, kein Skater hat den Sport so sehr geprägt wie er. In diesem Moment, vor ein paar Jahren, da er wie ein geschundenes Reh am untersten Punkt der Halfpipe liegt, ist dieses stolze Sportlerleben aber egal. Ist egal, wie oft Hawk diesen Trick schon gestanden hat, den 900 (zweieinhalb Drehungen in der Luft), an dem er gerade scheitert und scheitert und scheitert. Ist auch egal, wie sehr der Körper eine Auszeit fordert, schwitzt, pumpt. In Hawks Kopf gibt es anscheinend nur eine Gewissheit: Er hat den 900 mindestens ein Mal zu wenig hinbekommen. Entweder er landet ihn jetzt - oder er versucht es so lange, bis ihn der Krankenwagen abholt.

Gutes Stichwort, Krankenwagen, an einer Stelle der zweistündigen Doku Tony Hawk: "Until the Wheels Fall Off" zählt Hawk mal auf, was er seinem Körper schon alles in seiner 40 Jahre andauernden Karriere angetan hat. Eine Auswahl: Er hat sich den Ellenbogen gebrochen, mindestens fünf Mal mehrere Zähne rausgeschlagen, seine Knöchel sind unrettbar zerfleddert. Dutzende Gehirnerschütterungen (immerhin nur ein paar mit Gedächtnisverlust), ungezählte Schleudertraumata. Und trotzdem hört er nicht auf, kann vielleicht gar nicht aufhören. Tony Hawk ist ein Getriebener, der schon in seinen späten Teenager-Jahren so einsam der Beste seines Sports war, dass der Wettkampf gegen sich selbst spannender wurde als der gegen seine Konkurrenten. Dieser Wettkampf hat nur ein Problem: Er endet nicht. "Ich versuche immer noch, meine Grenzen zu verschieben. Ich weiß nicht, für wie lange, aber ich werde nicht aufhören", sagt Hawk.

Hawk wurde zur Legende, zum Rockstar - und war unglücklich

Dieser innere Kampf peitschte Hawk in die Geschichtsbücher des Sports. Jahrzehntelang raunten sich die Skater zu, dass eine zweieinhalbfache Drehung in der Luft, ein 900, theoretisch möglich sein müsste. Viele versuchten es, alle scheiterten. Bis Tony Hawk bei den X Games 1999 in San Francisco einfach nicht aufhörte, es zu probieren. Mehrfach schlitterte er die Rampe auf seinen Knieschoner hinunter und nicht auf dem Bord, mit manisch konzentrierten Blick stürzte er sich Versuch um Versuch in die Halfpipe, während um ihn herum Tausende durchdrehten - und dann: rang ein Mensch der Schwerkraft endlich zum ersten Mal überhaupt den 900 ab.

"Until the Wheels Fall Off" zeigt die Aufnahmen von damals und lässt danach Tony Hawk, seine Familie und das Who's who der damaligen Skater-Generation diesen Moment kommentieren. Ein klassisches Muster des Dokumentarfilms. Den interessanten Gesprächspartnern wie Legende Rodney Mullen oder Hawks "Entdecker" Stacy Peralta sei Dank, wird diese formelhafte Aneinanderreihung nie langweilig.

Spätestens dieser 900-Moment machte Hawk selbst zur Legende. Und das Skaten wieder zu einem Massenphänomen. "Plötzlich waren wir Rockstars", erinnert er sich - und weil Rockstars eben touren, stellte Hawk eine arenafüllende Show mit Motorrädern, Skatern und Musik auf die Beine, zu deren Orten er mit dem Privatjet anreiste. Er lieh einem Videospiel-Entwickler seinen Namen, der unter "Tony Hawk's Pro Skater" inzwischen 19 Spiele herausgebracht hat. Jugendliche skateten wieder - sie alle kannten "den Besten", Tony Hawk.

"Ich habe nicht mit dem Skaten angefangen, um berühmt zu werden", sagt Hawk in der Doku, die recht chronologisch sein Leben durchschreitet - und irgendwann eben die Zeit erreicht, als Hawks Karriere äußerlich ganz oben angekommen ist. Riesiger Ruhm, wie ist das so? "Das ist die schlimmste Droge", sagt Hawk. "Ich mochte mich selbst nicht, ich mochte die Entscheidungen nicht, die ich getroffen habe." Vor allem dass er seinen Sohn damals so vernachlässigt habe, schmerze ihn. "Ich wusste nicht, wie ich ein Ehemann, ein Vater sein konnte, auf den ich hätte stolz sein können." Dann ruckelt er sich aufrecht in seinen Stuhl, senkt seinen Blick und nestelt an seinem Hemd. Wenn ihm etwas zu persönlich wird, reagiert Hawk so. Es passiert ein paar Mal im Film, es sind die stärksten Momente.

Ein schüchterner Mann sitzt dann da, der wohl am liebsten schnell mit dem Skateboard zur nächsten Halfpipe fahren würde. Dort würde er dann versuchen, diesen verdammten Trick, den 900, noch ein Mal zu landen. Nur noch ein weiteres Mal. Bis er es schafft. Oder ins Krankenhaus muss.

Tony Hawk: Until the Wheels Fall Off (2022), 124 Minuten, Regie und Produzent: Sam Jones, Schnitt: Greg Finton, ab 22. Juli auf Sky Documentaries sowie auf WOW und über Sky Q auf Abruf.

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