Süddeutsche Zeitung

Todestag von Lady Di:Die große Diana-Verschwörung

Auch nach 20 Jahren ist die Boulevardpresse besessen von Lady Di und ihrem Tod. Die Menschen können und wollen nicht loslassen. Das hat zuweilen ekelhafte Auswüchse - aber nicht nur.

Von Julian Dörr

Man hätte das ja alles wissen können. Wenn man nur aufmerksam die Smiths gehört hätte. Denn dort war alles vorgezeichnet. Der Unfalltod von Prinzessin Diana in einem Pariser Tunnel - auf den Tag genau 19 Jahre, nachdem Steven Patrick Morrissey bei einem Konzert in Manchester zum ersten Mal auf den Gitarristen Johnny Marr traf. Das kann doch kein Zufall sein. Sagen zumindest die Anhänger einer Verschwörungstheorie, die den Tod von Lady Di im Werk von Morrisseys und Marrs Band The Smiths prophezeit sieht. Klingt absurd? Ist es auch. Gleichzeitig aber ist das sogenannte "Diana-Morrissey-Phänomen" der krönende Höhepunkt einer kollektiven Besessenheit, die Diana im Tod wie im Leben begleitet hat. Ob sie es wollte oder nicht.

Als Diana Frances Spencer den britischen Thronfolger Prinz Charles 1981 heiratet, wird sie nicht nur Teil des Königshauses, sondern auch Protagonistin einer Geschichte, die von Menschen auf der ganzen Welt geschrieben wird. Die narrative Hoheit über das eigene Leben aufzugeben, muss ein beängstigendes Gefühl sein. Aber nichts weniger erlebte Diana in den kommenden Jahren. Unglückliche Ehe, Scheidung, Affären: Alles wurde im grell brennenden Schweinwerferlicht der Öffentlichkeit analysiert und interpretiert - vor allem von den Boulevardmedien. Fehlende Fakten? Kein Problem!

Im Dauerfeuer der Berichterstattung offenbaren sich die fiesesten Auswüchse des Journalismus

Die Gier des Boulevard hat über die Jahre zu irren Schlagzeilen geführt. Die Daily Mail warb mit exklusiven Tonaufnahmen von Diana, Globe wollte wissen, dass Lady Di an einer tödlichen Injektion im Rettungswagen starb, und der Daily Star hörte von Dianas Geist, dass dieser Williams Ehefrau Kate für zu dünn halte. Für den britischen Boulevard gilt: Diana geht immer. Und wenn es mal nicht um Diana geht, dann findet sich schon ein Dreh. Die Daily Mail versuchte sich an einer solchen Themen-Fusion: Was bringt mehr Klicks als Diana? Diana und Donald Trump! Der soll die Prinzessin nach ihrer Scheidung nämlich mit Blumen "bombardiert" haben, weil er in ihr angeblich das ultimative trophy wife sah. Diana soll daraufhin einer Vertrauten gestanden haben: "He gives me the creeps" - den find ich echt gruselig.

Im Dauerfeuer der Berichterstattung über jede noch so kleine Facette von Prinzessin Dianas Leben offenbaren sich die fiesesten Auswüchse des Journalismus. Einerseits. Andererseits zeigt das ungebrochene Interesse der Öffentlichkeit an dieser Berichterstattung auch eine ungebrochene Liebe. Die Menschen können und wollen ihre Königin der Herzen nicht loslassen. Eine Verehrung, die sich in so irrsinnigen Projekten wie der eingangs erwähnten Diana-Morrissey-Verschwörung niederschlägt.

Wenn man sich ein paar Minuten mit dieser auseinandersetzt (als Einstieg ins Thema sei dieses Youtube-Video empfohlen), kann man nur darüber staunen, mit welcher Akribie die Verbindungen zwischen dem Werk der Smiths und dem Tod Dianas ausargumentiert werden. Da ist dieser Song, der 242 Sekunden lang ist, eine Zahl, die mit der Nacht des Unfalls korrespondiert - die 242. Nacht des Jahres 1997. Oder das Album-Cover mit dem Schauspieler Alain Delon, das zu einem Film führt, in dem Delons Charakter bei einem Autounfall ums Leben kommt. Im Zentrum aber steht der Song "There's a Light That Never Goes Out", in dem Morrissey einen tödlichen Autounfall besingt. Und der seinem Titel nach zudem auf die Flamme de la Liberté verweisen soll, die in Paris über eben jenem Tunnel steht, in dem Diana verunglückte.

Das Interessante ist nun, das es hier keine geheime Macht im Hintergrund gibt - wie in den meisten anderen Verschwörungstheorien. Die Diana-Morrissey-Verschwörung kennt keinen Sündenbock. Anders als in der Boulevardpresse ist hier nicht Prinz Charles schuld am Unglück der Diana. Oder die Queen. Oder Camilla. Oder der MI6. Die Diana-Morrissey-Verschwörung ist keine billige, klickgetriebene Leichenfledderei, wie so vieles anderes, was die Boulevardmedien über die Jahre wieder und wieder verbreitet haben. Sie ist ein Werk der Liebe - zum Pop und zu Lady Di. Eine Hommage.

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