Tod des ehemaligen Außenministers:Wie Guido Westerwelle öffentlich über seine Krankheit sprach

Guido Westerwelle

Guido Westerwelle bei Günther Jauch: ernster, verletzlicher, herzlicher.

(Foto: dpa)

Anders als viele ernsthaft erkrankte Politiker behielt er sein Leiden nicht für sich.

Von Kathleen Hildebrand

Er sei fast ein neuer Mensch, wunderte sich Günther Jauch in seiner ARD-Talkshow über die "180-Grad-Wende" von Guido Westerwelle: so sanft, gar nicht mehr arrogant. Da erzählte der ehemalige Außenminister von seiner Krankheit und dem Leben danach, seinem "Plusleben". Es gehe ihm mittlerweile ganz gut, sagte er, auch wenn er noch nicht vollständig genesen sei. Haare hatte er schon wieder, als er Jauch gegenüber saß, aber seine Augen waren gerötet und ganz so forsch wie früher schien er nicht zu sein.

Dafür strahlte Guido Westerwelle ehrlich übers ganze Gesicht. Und auch seine Themen waren andere: Westerwelle sprach von der Schönheit der Natur, die ihm nun stärker als zuvor auffalle, vom Zusammenhalt seiner Familie, von der Schicksalsgemeinschaft der Krebspatienten im Universitätsklinikum Köln, wo er behandelt wurde. "Der Krebs macht alle gleich", sagte er. "Genau wie der Tod alle gleich macht." Diese Sätze klingen jetzt, da Westerwelle im Alter von erst 54 Jahren gestorben ist, anders als damals, als man meinte, er sei ebenjenem Tod von der Schippe gesprungen.

Einen so öffentlich lebenden Politiker wie Guido Westerwelle hat es in der jüngeren deutschen Geschichte nicht gegeben. Nicht nur auf Parteitagen oder im Parlament war es ihm jahrelang um maximale Aufmerksamkeit gegangen. Auch seine Kunstsammlung zeigte er gern her, ließ sich auf Bällen sehen und provozierte, wo immer es ging. "Ihr kauft mir den Schneid nicht ab!", schrie er auf einem Parteitag einmal seinen Kritikern entgegen, von denen es nie wenige gab.

Mit seinem Eintritt in die Regierung als Außenminister schwand diese Liebe zum lauten Auftritt. Dann noch einmal mit dem Ende seiner politischen Karriere im Jahr 2013. Und dann erst recht im Juni 2014, als Westerwelle erfuhr, dass er an Leukämie erkrankt war.

Westerwelle kehrte als veränderter Mensch in die Öffentlichkeit zurück

Seine Stiftung für internationale Politik, die Westerwelle Foundation, gab seine Krankheit am 20. Juni 2014 bekannt. Danach wurde es sehr still um Guido Westerwelle. Aber anders als viele Politiker alten Schlags, beließ Westerwelle es nicht bei dieser Stille. Er kehrte zurück in die Öffentlichkeit. Und zwar, so schien es zumindest vielen, die ihn nur aus dem Fernsehen kannten, als veränderter Mensch: ernster, verletzlicher, herzlicher.

Anlass seiner Rückkehr war ein Buch, das er veröffentlicht hatte. Es heißt "Zwischen zwei Leben. Von Liebe, Tod und Zuversicht" und gibt offensiv und detailliert Auskunft über die Zeit nach der Diagnose "Blutkrebs". Darüber, was sie veränderte, über Chemotherapie und Knochenmarktransplantation. Über das Hoffen und Bangen dieses einen Jahrs mit der schweren Krankheit. Auch intime Details ließ Westerwelle in diesem Buch nicht aus - bis hin zur Begutachtung seines Stuhlgangs durch die Ärzte. "Entweder sagt man alles, oder man lässt es", sagte Westerwelle bei einer Lesung.

Nach der Veröffentlichung Ende 2015 schien Guido Westerwelle auf dem Weg der Besserung zu sein. Er warb dafür, dass mehr Menschen sich in die Datenbank für Knochenmarkspender aufnehmen lassen. "Wir müssen dahin kommen, dass man an Leukämie nicht mehr sterben muss", sagte er bei der ersten Lesung aus seinem Buch. "Und wir schaffen das auch." Obwohl in der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) inzwischen mehr als 5,7 Millionen potenzielle Spender registriert seien, sei es oft immer noch schwer, passende Stammzellen zu finden.

"Ich habe viel erlebt, vieles gesehen und habe nichts versäumt."

Auch ein großes Interview mit dem Spiegel gab er im Herbst vergangenen Jahres. "Und dann stirbste" war es überschrieben. "Schlimm war, als ich dachte, ich muss sterben", sagte Westerwelle darin. "Ich wollte und ich will unbedingt weiterleben. Sie glauben gar nicht, was der Mensch alles aushält." Und er räumte mit einem Vorurteil auf - nämlich dem von den sogenannten "Krebstypen", dauergestressten Menschen, die sich bei der Überlastung, die sie sich zumuten, nicht wundern müssen, wenn sie schwer erkranken: "Wenn Stress oder Unglück Krebs verursachen würden, dann müsste man in Kriegs- und Notzeiten besonders viele Krebsfälle haben. Hat man aber nicht."

Ob er sich nach der Diagnose sofort mit dem Thema Tod befasst habe, fragten ihn die Interviewer Dirk Kurbjuweit und Klaus Brinkbäumer. "Ja", sagte Westerwelle. "Ein wichtiger Gedanke war aber auch, dass ich in die Jahre meines Lebens viel hineingepackt habe. Ich habe viel erlebt, vieles gesehen und habe nichts versäumt." Und: "Ich wusste, dass ich ein erfülltes Leben gehabt hatte."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: