TNT-Serie "Weinberg":Leicht blutig im Abgang

'Weinberg' Set Visit

Wer hat die Weinkönigin ermordet? Das 1100-Seelen-Nest Mayschoß an der Ahr hat sich in einen Drehort verwandelt.

(Foto: Sascha Steinbach/Getty)

"Traumhafte Bedingungen für eine albtraumhafte Story" - Bezahlsender TNT dreht in einem beschaulichen Weindorf einen Psychothriller. Das Ziel: Deutsches Fernsehen, für das man sich nicht schämen muss.

Von Hans Hoff

Als sich der Novembernebel lichtet, steht die Sonne hinter den Wolken bereit. Für einen Moment bricht sie durch, und sofort erglühen die Weinberge um die Ahr-Gemeinde Mayschoß in goldenem Oktobergelb und beinahe blutigem Rostrot. Wohin man auch schaut: Weinberge. Rund um das 1100-Einwohner-Dorf scheint es nichts anderes zu geben als Weinberge. Fast alle hier haben zu tun mit dem Wein. Aber der spielt im Augenblick keine Rolle, denn das beschauliche Dorf ist gerade Drehort für eine Serie, die gern Psychothriller sein möchte.

Überall stehen die Autos der Filmleute im Weg, und unten an der Ahr haben sie Buden aufgebaut für ein Weinfest. Drehtag drei von 48. An einer Bude stehen gerade Jenny Schily und Rainer Sellien vor der Kamera. Sie ordern den neuen Riesling, aber es geht nicht um Wein. Es geht um die düsteren Geheimnisse, die hier viele pflegen.

Weinberg heißt die sechsteilige Serie, die der Pay-TV-Sender TNT hier drehen lässt. Sie soll im kommenden Herbst laufen, wenn der Nebel wieder über die Hügel zieht und die Menschen frösteln lässt. Das mit dem Frösteln dürfte dann aber nicht allein den Temperaturen geschuldet sein, sondern vor allem dem Geschehen in der Gemeinde Mayschoß, die für die Kamera Kaltenzell heißt und voller Fragen steckt. Wer hat die Weinkönigin ermordet, und wer ist der Mann, der da eines Herbsttages im Weinberg erwacht und nicht mehr weiß, wie er heißt?

Neues Twin Peaks?

Weinberg ist der zweite Serienversuch für TNT. Mit Add A Friend, der ersten eigenproduzierten Fernsehserie eines deutschen Bezahlsenders überhaupt, hat der Sender schon beachtliche Erfolge eingefahren. Da soll Weinberg zumindest mithalten können. Eigentlich soll die neue Serie die alte sogar übertrumpfen. Allein schon, weil sie teurer ist. Wie teuer genau, das will Anke Greifeneder, die bei TNT als Senior Executive Producer geführt wird, nicht verraten, und auch ihre Eingrenzung lässt die Größenordnung nur erahnen. "Es ist nicht Avatar und auch nicht der Offene Kanal Bielefeld." Tags drauf wird ein Sprecher nachschieben, dass die Serie wohl mehr als 3,5 Millionen Euro kosten wird.

Der anfängliche Versuch der Heimlichtuerei passt aber prima zum Psychothriller, in dem auch niemand so richtig sagen mag, was ist. "Wir gehen erzählerisch stark ins Genre, aber es wird immer auch surreale Elemente geben", sagt Arne Nolting, der gemeinsam mit Jan Martin Scharf das Buch geschrieben hat. Beide zeigen sich begeistert von Mayschoß. Das ist genau der Ort, den sie sich beim Schreiben vorgestellt haben. "Das Dorf haben wir genommen, weil man sich hier umguckt und eingeschlossen ist", sagt Nolting. "Man kann nicht weg."

Auf der Suche nach dem Brain-Fuck

Zu spüren ist, mit welcher Begeisterung die Menschen hier arbeiten. Ein bisschen so, als entstünde hier in der ländlichen Abgeschiedenheit ein neues Twin Peaks. Ein wenig treibt sie dabei auch der Wunsch, das deutsche Fernsehen besser zu machen, am Ende etwas vorweisen zu können, für das man sich nicht schämen muss, das man im besten Falle selbst gern anschaut. Nimmt man den Willen der Macher zum Maßstab, dann wird Weinberg ganz groß, ganz anders.

Was anders bedeutet, das haben die Drehbuchautoren schon im Vorfeld erfahren. "Man hat uns alle Freiheiten gelassen", betont Scharf. Aber nicht nur das. Macht es schräger, haben sie als Anweisung vernommen. "Das ist das Gegenteil von dem, was man sonst aus Redaktionen hört", sagt Nolting und schwärmt in Hochglanz weiter: "Das sind traumhafte Bedingungen für eine albtraumhafte Story."

Für Producerin Greifeneder ist die Abgrenzung zum Serieneinerlei, bei dem auch der Dümmste immer alles sofort verstehen muss, Programm. "Es muss einen Twist haben, einen Brain-Fuck mit sich bringen", sagt sie. Soso. Irgendwas im Hirn soll sich tun, wenn man später sieht, was hier gerade angerichtet wird. Brain-Fuck, sagt einer, könne doch auch eine schöne Weinmarke abgeben. Vorerst aber soll der Brain-Fuck vor allem TNT auszeichnen.

Fortsetzung? Vielleicht!

"Es stärkt das Pay-TV. Wir sind diejenigen, die mit Add A Friend angefangen haben, und wir hoffen, dass sich das weiter entwickelt", kreist Greifeneder die Motivation des Senders ein. Sie sieht sich zudem in ihrer Begeisterung bestärkt von der Filmstiftung NRW, die 600 000 Euro zum Projekt beisteuert.

Zur großen Heimlichtuerei gehört auch, dass das Ende des Sechsteilers nicht verraten wird. "Viele Schauspieler kennen das Ende auch nicht", sagt Greifeneder. Normalerweise hört man so etwas, und am Ende droht dann eine halb gare Wischiwaschi-Auflösung. Das soll bei Weinberg anders sein. "Wir erzählen das zu Ende. Wir lassen niemanden im Regen stehen", sagt Autor Nolting. Mit Blick auf den Erfolg der Serie Add A Friend, die ja gerade in der dritten Staffel läuft, lässt er sich indes ein Türchen offen. "Man könnte natürlich weitermachen. Wenn man denn möchte", sagt er. Dem stimmt auch Greifeneder zu. "Am Ende steht Bobby Ewing unter der Dusche und hat alles nur geträumt", sagt sie mit Verweis auf das große Dallas-Vorbild und lächelt vielsagend.

Noch denkt hier aber niemand an eine Fortsetzung. Wichtig ist jetzt erst einmal der Brain-Fuck, der Mayschoßer Brain-Fuck, Jahrgang 2014. Von der Sonne verwöhnt, vom Nebel liebkost. Das könnte was werden.

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