Thomas Hermanns' Buch jetzt als Bühnenstück:Kein Pardon fürs Quatsch-Musical

Vor 20 Jahren hat Thomas Hermanns den "Quatsch Comedy Club" gegründet und dazu beigetragen, dass aus Comedians Popstars wurden. Hermanns liebt das flirrend Triviale des Fernsehens. Jetzt hat er dazu eine Steigerung gefunden: "Kein Pardon", ein Musical nach seinem eigenen Buch.

Hans Hoff

Thomas Hermanns amüsiert sich köstlich. Er sitzt in Reihe zehn des Düsseldorfer Capitol-Theaters und verdreht seine Hände genauso so albern zu komplizierten Fingerübungen wie der Warm-Upper auf der Bühne das gerade vormacht. In Wahrheit gehorcht Hermanns aber nur sich selbst, denn das, was der Aufwärm-Clown da vorne gerade vormacht, hat Hermanns ihm vorgeschrieben.

Thomas Hermanns

Es gibt Momente, in denen er selbst verblüfft wird: Thomas Hermanns.

(Foto: dpa)

Von ihm stammt das Drehbuch zu diesem Stück. Es heißt Kein Pardon und basiert auf jener Idee, aus der Hape Kerkeling in den 90er Jahren schon einen Kinofilm fertigte. Leider ist Kein Pardon nun ein Musical geworden.

Man kann also nicht entspannt einer netten Bauerntheateraufführung rund um die komischen Untiefen des Fernsehens folgen, kann nicht einfach locker dabei zusehen, wie auf der Bühne ein kleiner Junge aus dem Ruhrgebiet mit dem großen Medium konfrontiert wird - und dann in Windeseile zum umschwärmten Moderator aufsteigt, was seinen Charakter nachhaltig verändert.

Nein, man muss auch grässlich kitschige Lieder ertragen und dazu Dirk Bach, der im November und Dezember vergeblich versuchte, so zu sein wie Heinz Schenk einst im Film war. Bach, der seinen Musical-Einsatz in diesen Tagen für das RTL-Dschungelcamp unterbrochen hat, sollte einen arroganten, allzu satten Showmoderator darstellen, wirkte aber eher wie eine zappelnde Wurst. Thomas Hermanns stört sowas nicht. Er freut sich ganz offenbar. Quasi über sich selbst.

Warum das so ist, verrät er im Gespräch. "Musik und lustige Sätze" seien das, was man sein Lebensthema nennen könne. Musik ist viel in Kein Pardon, mit den wirklich lustigen Sätzen ist das so eine Sache. Hermanns sieht das natürlich anders. Es habe seit der Premiere im November so viele großartige Kritiken gegeben, berichtet er, da müsse er ja wohl von einem Erfolg ausgehen.

Tatsächlich sind die der Pressemappe beigelegten Rezensionen ziemlich überschwänglich ausgefallen. Allerdings liegen da auch vornehmlich Ausrisse der lokalen Blätter bei, die nun einmal davon leben, dass sie das winzige bisschen Glamour, das in Düsseldorf vorkommt, auch brav pflegen. Soviel gibt es davon nicht in der rheinischen Geldstadt. Also ist unbedingtes Lob angesagt: Man will schließlich auch morgen noch etwas zu berichten haben.

Wenn Thomas Hermanns in Düsseldorf weilt, um bei seinem Musical nach dem rechten zu sehen, wohnt er im derzeit schicksten Hotel. Er empfängt in einer hochgelegenen Lounge, die den weiten Blick ermöglicht und am südlichen Horizont die Silhouette des Kölner Doms erahnen lässt.

Aber nach Weitblick ist Hermanns gerade nicht. Er setzt sich höflich mit dem Rücken zum Panorama. Das passt, weil auch seine Arbeit selten den weiten Blick spiegelt. Zu gerne macht es sich Hermanns bequem im mentalen Wohnzimmer des vergnügungswilligen Durchschnittsbürgers, der in die Glotze schaut und meint, allein dadurch an der großen Welt teilhaben zu können. Hermanns mag das flirrend Triviale, jenen Glitter, den die Fernsehbilder auf überschaubare Verhältnisse werfen.

Aus solchen stammt Hermanns, und mit dem Fernsehen ist der gebürtige Bochumer sozialisiert worden. Mit 20 Jahren hat er sich einen Stempel gebastelt. Mit dem presste er das Label "Kulturstiftung für gehobene Unterhaltung" auf diverse Oberflächen. Er wusste, er wollte was. Und das, was er wollte, kam aus dem Zentralapparat der deutschen Wohnkultur.

Er hat sie noch alle gesehen, die großen Fernsehstars, die große Treppen herunter kamen, die professionell gute Laune versprühten und den Menschen das Gefühl gaben, sich wärmen zu dürfen am großen Lagerfeuer.

Alles kommt vom Fernsehen", sagt Hermanns, wenn man ihn fragt, woraus er seine Inspiration zieht, und dann gibt er auch seine Quelle preis. "Alle meine Sachen sind in der Muppetshow drin." Der moderierende Frosch, die auf Diva machende Sau, die Lieder. Alles drin. Alles gewürzt mit ein bisschen Wahnsinn. "Fernseharbeit hat was Irreales", sagt er dann noch und skizziert den realen Ausweg: "Man muss das als Operette verstehen."

In Operetten gibt es gerne überraschende Wendungen. In der Operette, die das Leben des Thomas Hermanns beschreiben könnte, gab es die Wendung, Anfang der 90er Jahre. Da eröffnete er in Hamburg den Quatsch Comedy Club, eine Einrichtung, in der Menschen, die man heute Comedians nennt, für die man damals aber nur schwer einen Namen fand, auf die Bühne kamen und nacheinander ihre schönsten Nummern vorführten.

Ein Fernsehgesicht, das Spott auf sich zog

Früh hatte Hermanns Wigald Boning auf seiner Bühne. Der brachte Olli Dittrich mit, der im Quatsch Comedy Club seine Figur Dittsche entwickelte. Und dann kamen immer mehr. Sie spielten live und ohne doppelten Boden. Sie fühlten sich gut aufgehoben. Spricht man mit Comedians heute über Hermanns, loben sie unisono seine freundliche Art, seine Fürsorge. Der meint es ernst, und er tut was für seine Schützlinge.

Plötzlich redete man auf der Bühne nicht mehr nur über die großen Lebensfragen, sondern auch über Allerweltsdinge, über das, was man im Fernsehen gesehen hatte, über die Waltons, über Raumschiff Enterprise, über die Schwierigkeit, bei der AOK auf die Schnelle einen Auslandskrankenschein zu bekommen. Die frühen Schritte Michael Mittermeiers hat Hermanns begleitet, hat Regie geführt bei mehreren Programmen.

Und er hat auch stets zugesehen, dass die Begleitumstände stimmten. "Wir haben den Comedian als Popstar etabliert", sagt er. Hier ein Jingle, dort eine Fanfare und dazu die Begeisterung eines perfekt eingestimmten Publikums. Selbst dem eher drögen Dieter Nuhr wurde ein neues Image verpasst. "Wir haben ihm zum Sexsymbol umgeleuchtet", sagt Hermanns, ein bisschen stolz.

Schnell kreuzte das Fernsehen bei Quatsch auf. "Quatsch" sagt Hermanns immer, wenn er vom Quatsch Comedy Club spricht. Als es darum ging, einen Moderator für Quatsch zu finden, griff er schließlich zur Notlösung. "Bevor jemand es schlecht macht, mache ich es selber", sagt er und wurde zu einem Fernsehgesicht, das mancherlei Spott auf sich zog.

Wegen seiner imposanten Zahnfront kam mal jemand auf die Idee, ihn mit einer großen Pferde-Fernsehserie der 60er Jahre zu assoziieren. "Das ist der Mann, der die Zähne von Fury aufträgt", hieß es. Kein Pardon.

In der Folge hat Hermanns viel gewirkt im deutschen Fernsehen. Er hat für Pro Sieben das Musikquiz Popclub moderiert, hat die Drehbücher zur Dirk-Bach-Sitcom Lukas im ZDF mitgeschrieben, und er hat sich bei den ARD-Sendungen zum Eurovision Song Contest (ESC) als Kenner schlechter Schlager profiliert. Allerdings schmiss er den Job hin, als absehbar schien, dass die Begriffe ESC und Deutschland nicht mehr zusammen gehen wollten.

Das Schlager-Schiff sank, und Hermanns verließ es, bevor Alex Swings Oscar Sings 2009 in Moskau den absoluten Tiefpunkt des deutschen ESC markierten. Dass im Jahr danach eine Lena kommen und in Oslo siegen würde, konnte da noch niemand wissen.

Fragt man Hermanns, warum er nie ein eigenes Programm auf die Bühne gebracht hat, bekommt man eine klare Antwort. "Ich war nie Comedian, ich denke mir das Zeug lieber aus", sagt er. Er schreibt die Dinge auf, konzeptioniert sie. Daheim hat er eine Pinnwand, auf der hängen Zettel mit Titeln, die eine Idee markieren. Immer wenn Ruhe ist, nimmt Hermanns einen von der Wand und macht sich an die Umsetzung.

Er hat schon einige Zettel von der Wand genommen. Gerade waren wieder ein paar Künstler als neues Rat Pack auf Tour. Hermanns hat sich das Singeprogramm mit den alten Liedern und lustigen Sätzen der Frank-Sinatra-Dean-Martin-Ära ausgedacht, und Michael Mittermeier, Rea Garvey, Sasha und Xavier Naidoo sind seiner Idee gefolgt.

Im Februar feiert der Quatsch Comedy Club, der inzwischen in Berlin eine Heimat gefunden hat, seinen 20. Geburtstag, eine Gala wird es geben, am 9. Februar strahlt Pro Sieben sie aus - wann es mit aktuellen TV-Folgen weitergeht, ist aber unklar. Und im Spätsommer 2012 soll ein Thomas-Hermanns-Roman erscheinen, ein Krimi aus dem Fernsehmilieu.

"Ich arbeite mich am Fernsehen ab", sagt er so, als sei es Leidenschaft und ein bisschen Plage in einem. Die Arbeit an Kein Pardon hat ihm vielleicht auch deshalb so viel Freude gemacht, weil sie ihm so nah ist. "Das ist ja meine Geschichte", sagt er. Er ist lange der kleine Junge geblieben, der es ganz plötzlich mit den Kameras und den großen Studioscheinwerfern zu tun bekam.

So ganz hat er das Abgründige des Mediums Fernsehen ohnehin noch nicht verstanden. Immer sind da Momente, in denen selbst er noch verblüfft wird. So trudelt einmal im Jahr das Angebot ein, ihn als Schauspieler zu engagieren. Kürzlich erst wurde dem bekennenden Schwulen wieder so etwas unterbreitet.

In einer Vorabendserie sollte er eine transsexuelle Krankenschwester spielen. Nicht dass Hermanns als Freund der Operette keinen Sinn für skurrile Wendungen und abstrus-kitschige Entwicklungen hätte, aber das war selbst ihm zu viel. Er glaubt ohnehin an klaren Trennungen der Genres: "Moderatoren sollten nicht schauspielern, und Schauspieler sollten nicht moderieren."

Ohnehin sind die Zeiten vorbei, in denen Hermanns oft an der Kamera-Front zu finden war. "Das deutsche Fernsehen macht mich nicht so richtig feucht", sagt er und spricht über das Verschwinden des Ehrgeizes in der Branche. Früher habe man noch versucht, so gut zu werden wie die Amerikaner. Heute fehle da die Ambition. "Wenn wir heute anfangen würden, gäbe es Quatsch nicht im deutschen Fernsehen", sagt er.

Wenn es ihm zu viel wird, düst der 48-Jährige nach London oder New York. Inspiration gibt es dort en masse, Stoff für viele neue Zettel an der Pinnwand. Die besten Musicals gibt es dort auch. Fragt man Hermanns nach seinen liebsten, rattert er gleich eine lange Liste herunter. Keines der Musicals auf seiner Liste läuft in Deutschland. Da laufen Shows wie Kein Pardon.

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