Süddeutsche Zeitung

Theodor-Wolff-Preis:"Diese Geschichte weist in die Zukunft"

Bundespräsident Steinmeier appelliert beim Theodor-Wolff-Preis an die Verantwortung der Medien. Ausgezeichnet wurden ein Digitalteam und vier Journalisten, darunter SZ-Reporterin Elisa Schwarz.

Von Carolin Gasteiger

Als sei es ihm ein ganz besonderes Anliegen gewesen, persönlich zu kommen. Der Theodor-Wolff-Preis wird zwar jährlich verliehen, aber nicht jedes Jahr im Beisein des Bundespräsidenten. Und Frank-Walter Steinmeier fand eindringliche Worte in seinem Grußwort: "Am Ende geht es für die Menschen immer um die gleiche Frage: Können wir dem, was uns gesagt wird, glauben? Das ist die große Verantwortung, in der jede seriöse journalistische Arbeit steht." Die Veranstaltung fand live im Kulturzentrum Radialsystem in Berlin-Friedrichshain statt, und für manchen Redner war es noch ungewohnt, dass er am Pult die Maske abnehmen konnte. Für Steinmeier nicht. In seiner Rede betonte der Bundespräsident, das Wichtigste, das kritischer Qualitätsjournalismus stärken müsse, sei das Vertrauen der Leserinnen und Leser in "die Wahrheit des Geschriebenen, das Vertrauen in die Integrität und Unbestechlichkeit der Schreibenden, das Vertrauen in die unparteiische Vollständigkeit des Berichteten und das Vertrauen in die gewissenhafte, kritische Prüfung der Sachverhalte".

So wirkte es entsprechend staatstragend, als im Anschluss die Auszeichnungen an vier Journalisten und ein Digitalteam verliehen wurden. Anna Petersens Text "Chaos im Kopf" zeichnete die Jury als beste Lokalreportage aus. Sie ist in der Landeszeitung für die Lüneburger Heide erschienen und schildert das Erwachsenwerden von Julie, einer Frau mit Fetalem Alkoholsyndrom.

Als bestes Digitalprojekt gewann eine Teamleistung der Münchner Abendzeitung. In "München hat die Wahl" veröffentlichten Jeanne Jacobs, Sophie Anfang, Emily Engels, Felix Müller, Paul Nöllke und Lukas Schauer zehn Wochen lang je einen Newsletter zur Kommunalwahl 2020.

In der Kategorie "Thema des Jahres - Corona - Leben im Ausnahmezustand" wurde "Seite Drei"-Reporterin Elisa Schwarz von der Süddeutschen Zeitung ausgezeichnet. In "Der Riss" schildert sie, wie sich zwei Freundinnen durch die Corona-Pandemie nach 20 Jahren voneinander entfremden. "Diese Geschichte weist in die Zukunft", urteilt die Jury. Die Problematik, dass "Wissenschaftsfragen im pandemiebedingten Ausnahmezustand zu Glaubensfragen" würden, werde die Gesellschaft noch lange begleiten. Hier spiegele der Konflikt engster Freundinnen über die Einschätzung der Virusgefahr "in der Nussschale die große Politik". Wichtig sei ihr gewesen, so Schwarz bei der Verleihung, Vertrauen aufzubauen und zu verstehen, "warum ein Mensch denkt wie der denkt".

Den Preis für die beste Reportage erhält Wolfgang Bauer, der in Afghanistan mit Taliban-Führern unterwegs war. Sein Text "Unter Taliban" ist im Zeit Magazin erschienen. Stellvertretend für den Preisträger, der gerade wieder in Afghanistan unterwegs ist, nahm sein Kollege Tillmann Prüfer die Auszeichnung entgegen.

In ihrem Stück "Raus aus der Manege" verhandelt Tagesspiegel-Autorin Hatice Akyün ihre eigene Rolle. Die Jury würdigte Akyüns ebenso "klar wie emotional argumentierte Reflexion" über das Leben als "Vorzeigemigrantin". Die Autorin problematisiere in dem Text klug am eigenen Beispiel Fragen der Identität und Gleichberechtigung, ohne schnelle Lösungen anzubieten. Akyün entspricht damit der Losung Frank-Walter Steinmeiers: "Guter Journalismus bietet Orientierung."

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