Journalismus:Unerledigte Geschäfte

Meghan Markle, Emily Ramshaw

Ungewohnte Rollenverteilung: Herzogin Meghan (r.) interviewt Emily Ramshaw, Mitgründerin und Geschäftsführerin von "The 19th*".

(Foto: AP/AP)

Mit "The 19th*" ist in den USA ein Medium für diversen Journalismus angetreten, von Frauen für Frauen.

Von Aurelie von Blazekovic

Eine der Top-Geschichten bei The 19th* ist, neben einer Analyse von Michelle Obamas Bucherfolg "Becoming" als Faktor im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf, gerade ein Interview von Herzogin Meghan. Richtig gelesen, Meghan ist die Interviewerin. Und die fühlt sich sichtlich wohl in der Rolle der Interviewerin. Bevor sie Schauspielerin wurde, hatte sie auch mit dem Gedanken gespielt, Journalistin zu werden. Mit ihrem Ehemann Prinz Harry kämpft sie gegen englische Boulevardmedien und betont nun in diesem Interview den Wert des Qualitätsjournalismus.

Die Befragte ist Emily Ramshaw, Mitgründerin und Geschäftsführerin von The 19th*. Es geht um die Rolle von Gender in den Medien - Meghan erzählt dann auch selbst ein wenig - und darum, wieso Ramshaw die Nachrichtenseite mit der Mission "Frauen informieren, Nachrichten transformieren" Anfang des Jahres startete.

Der Name entstand in Anlehnung an das "19th Amendment", also den 19. Zusatzartikel der US-Verfassung, der vor hundert Jahren, am 18. August 1920, das Frauenwahlrecht in den USA sicherstellte. Weil das Wahlrecht für nichtweiße Frauen erst Generationen später kam, und bis heute Transgendern der Gang zur Wahlurne erschwert wird (nämlich wenn das Geschlecht nicht mit dem im Ausweis übereinstimmt), ist der Artikel laut The 19th* "unfinished business", ein Fakt, den man mit dem Sternchen im Namen visualisieren wolle. The 19th* ist laut eigenen Angaben für unparteiischen Nonprofit-Journalismus über Gender und Politik angetreten. Ohne Bezahlschranke, sondern mit einem auf Mitgliedern und Spenden beruhendem Modell, soll dort faktenbasierte politische Berichterstattung aus einer Gender-Perspektive stattfinden, sollen tiefgehende Recherchen Ungleichheit und Ungerechtigkeit offenlegen, eine digitale Plattform für Diskurs zwischen Lesern und Politikern entstehen. Und das von einer Redaktion, die die Diversität der amerikanischen Wähler abbilde, "mit Empathie für jeden". Artikel der Seite dürfen kostenfrei weiterveröffentlicht werden, die Washington Post ist beispielsweise Partner und macht das regelmäßig.

Die in Austin, Texas, basierte Redaktion besteht vor allem aus Frauen. Geschäftsführerin Emily Ramshaw war Chefredakteurin der Nachrichtenseite Texas Tribune, auch Mitgründerin Amanda Zamora kommt von dort, und The 19th*-Chefredakteurin Andrea Valdez leitete zuvor die Redaktion des Magazins Texas Observer, ebenfalls aus Austin.

In einer Zeit, in der zunehmend Rufe nach mehr Diversität in Medienhäusern laut werden, und inmitten des diesjährigen US-Präsidenschaftswahlkampf, der sich wohl wie keiner zuvor auch um dieses Thema dreht, scheint The 19th* genau richtig gekommen zu sein. "Eine unglaubliche Medienplattform", sagte Herzogin Meghan als Interviewerin zur Gründerin, "etwas so Besonderes und so Wichtiges."

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