Vor einigen Jahren hieß es, die Serien würden das Erzählen neu erfinden - und irgendwie stimmt das ja auch. Bei vielen Serien, die auf den Streamingportalen vor sich hin schwadronieren, kann man allerdings darüber streiten, ob das unendliche Auswalzen von wenig Handlung eine besonders erhaltenswerte neue Erzählform ist. Klar hat es einen Einfluss auf die Erzählung, wenn man sich eine ganze Staffel einer Serie in ein paar Tagen reinziehen kann - aber es gibt eben beim Erzählen Faktoren, die unabänderlich bleiben. So gesehen ist The Tourist - Duell im Outback, coproduziert vom ZDF mit der BBC und HBO, ein Musterbeispiel dafür, wie es gehen kann: Fürs Binge Watching gemacht, aber in manchen Aspekten wunderbar traditionell.
Was daran anders ist als früher? Man kapiert mindestens zwei von sechs Folgen lang nicht so recht, worum es geht. Fängt an wie ein Remake von Steven Spielbergs Duell, macht weiter wie Memento und driftet dann bald ins Fargo-Territorium - The Tourist ist irgendwie ein Thriller, aber die Geduld, sich jede Woche wieder hinzusetzen und herauszufinden, was für einer - die hätte im linearen Fernsehen wohl kaum jemand gehabt. Ein kleiner Hinweis: Die Hintergrundmusik, alter, liebestrunkener Swing, manchmal genauso liebestrunkene Popsongs, verraten es - im Kern hat The Tourist eine romantische Komponente. Und klar, der namenlose Tourist hat keine weiße Weste.
Mit der Dorfpolizistin gelingt der Schauspielerin Danielle Macdonald ein Meisterstück
Jamie Dornan, als Christian in Fifty Shades of Grey berühmt geworden und zuletzt in Kenneth Branaghs großartigen Bürgerkriegsdrama Belfast zu sehen, spielt den namenlosen Touristen, der in der ersten Folge durch den australischen Outback fährt - und dann von einem Lastwagen von der Straße abgedrängt wird. Er wacht im Krankenhaus auf und hat keine Ahnung, wer er ist oder wie er hier hingekommen ist. Die Dorfpolizistin Helen (Danielle Macdonald) will ihm unbedingt helfen. Spannung entsteht am ehesten, wenn es Figuren gibt, an die die Zuschauer ihre Herzen hängen können - und Macdonald ist mit Helen ein Meisterstück gelungen. Sie wirkt erst ein bisschen merkwürdig und entwickelt dann einen solch entwaffnend gutherzigen Charme - da will man gar nicht fragen, wie weit genau die Frau eigentlich mit einer einzigen Tankfüllung durch den Outback heizen kann.
Helen, Polizistin auf Probe, hat ihr Leben lang so sehr verinnerlicht, dass sie nichts kann und nichts ist, dass sie nicht einmal merkt, wie fies ihr Verlobter Ethan zu ihr ist, bis er endlich ausspricht, eine wie sie wolle außer ihm doch keiner haben. Sie will unbedingt abnehmen, und da sitzt sie dann mit großen Augen in der Selbsthilfegruppe und beschreibt den anderen, die sich dafür nicht die Bohne interessieren, wie sie sich fühlt: Wenn sie nicht abnimmt, findet sie sich hässlich und ist eine Verliererin, und wenn sie es tut, dann hat sie einem Schönheitsideal nachgegeben. Und ist eine Verliererin. Diese Frau ist so gutmütig und ehrlich und auf stille Weise klug, dass man eigentlich nur ihretwegen herausfinden will, was es mit diesem Kerl auf sich hat, den sie nun retten will, weil sie glaubt, das Gute in ihm freilegen zu können.
Der australische Outback ist eine unwirtliche Welt, er ist tatsächlich Teil dieser Geschichte, und die großartigen Bilder untermauern und befeuern sie: schön und bedrohlich, unerwartet kippt das Wetter von Sonnenschein auf Sandsturm, und die Ebenen erzeugen permanent die Illusion, man könne unendlich weit sehen, ohne dass man in der Ferne irgendetwas erkennt. Helen kann am Ende längst nicht alle losen Fäden verknüpfen - es bleibt noch genug übrig für eine zweite Staffel, die die BBC auch schon angekündigt hat. Hauptsache, Helen ist wieder dabei. Ohne sie wäre The Tourist nur die Hälfte wert.
The Tourist, in der ZDF Mediathek
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