"The Newsroom" auf Sky:Wie in der Notaufnahme

So naiv, dass es schon zynisch ist: Die neue HBO-Serie "The Newsroom", die am Sonntag in den USA und kurz darauf in Deutschland Premiere feiert, inszeniert einen Journalismus, der toll aussieht - aber ein bisschen blauäugig wirkt. Die heroische Tradition, in der Hauptnachrichtensprecher Will McAvoy zu stehen scheint, ist in Wahrheit abgerissen.

Jörg Häntzschel, New York

Der Trailer zündet wie ein Feuerwerk: E-Gitarren brummen, Blackberrys fliegen Richtung Kamera, und dann explodiert im Golf von Mexiko auch noch die Deepwater Horizon: "Wir müssen da nachbohren!", drängt mit aufgerissenen Augen einer der Redakteure, die dem Anchorman Will McAvoy (Jeff Daniels) zuarbeiten.

"The Newsroom" auf Sky: Will McAvoy (Jeff Daniels) in der neuen US-Fernsehserie "The Newsroom": Es geht um Freiheit, Zukunft, The Nation!

Will McAvoy (Jeff Daniels) in der neuen US-Fernsehserie "The Newsroom": Es geht um Freiheit, Zukunft, The Nation!

(Foto: AP)

Beworben wird mit dieser Szene die am Sonntag bei HBO anlaufende und kurz darauf auch im Demand-Angebot von Sky Deutschland zu empfangende Serie The Newsroom.

Wie stets, wenn im Fernsehen Journalismus gezeigt wird, geht es in der Nachrichtenredaktion des fiktiven Senders ACN zu wie in der Notaufnahme, wenn nebenan gerade ein Flugzeug abgestürzt ist. Dass das Uraltklischee erstmal kaum auffällt, liegt an McAvoys Ausbruch bei einer Podiumsdiskussion. Nein, die USA sind nicht das großartigste Land der Welt, sagt er dort, und rattert all die Unzulänglichkeiten des einstigen gelobten Lands herunter. Schock! Das sieht man im Fernsehen selten.

Doch nicht nur der vielversprechenden Vorab-PR wegen wurde seit langem keine amerikanische Fernsehserie mehr so aufgeregt erwartet wie diese. Geschrieben nämlich hat sie Aaron Sorkin, der außer für Serienhits wie The West Wing auch für The Social Network bekannt ist, die absurd erfolgreiche Verfilmung der Facebook-Story. Hier, so dachte man, könne gar nichts schiefgehen.

Doch auf die Gitarrenriffs wartet man vergeblich. Stattdessen ertrinkt die mehr als 70 Minuten lange erste Folge in jener dicken, streicherlastigen Instant-Soße, die im Hollywood-Code bedeutet: Es geht um Freiheit, Zukunft, The Nation! Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis der Zuschauer kapiert, wer die Aliens und Zombies sind, aus deren Händen das Land zurückerobert werden muss, damit es wieder frühere Größe erreichte: Es sind McAvoys Kollegen: die Popularitätshuren die Unterhalter und Verdummer.

Endlich die Wahrheit sagen

Bisher war McAvoy, der jahrelang den jovialen Nachrichtenonkel spielte, selbst einer von ihnen - "nur ein Meeting davon entfernt, die Nachrichten in 3D zu machen". Alle sollten ihn mögen, damit auch alle morgen wieder einschalten.

Doch als Mensch und als Chef war er zum Fürchten. Jetzt, da er aus dem dreiwöchigen Bildschirmurlaub zurückkommt, der ihm nach dem Skandalauftritt verschrieben worden war, soll anders werden. Das findet jedenfalls seine neue Chefin vom Dienst, MacKenzie McHale (Emily Mortimer), die nach drei Jahren als aufrechte Kriegsreporterin in Afghanistan die Sendung und McAvoy - ihren Ex-Freund - zu dem machen will, was sie eigentlich sein sollten. "Speaking truth to stupid", formuliert sie das neue Motto.

McAvoy macht mit: "Ich steige beim Zirkus aus", verkündet er. Bald sagt er vor laufender Kamera unerschrocken Sätze wie: "Wir sind nicht von Moslems angegriffen worden, sondern von Soziopathen."

Steinchen im riesigen Medienmosaik

Es stimmt schon, was Sorkin in einem Interview sagte: "Würden die Republikaner behaupten, die Erde sei flach, würde die New York Times titeln: "Republikaner und Demokraten können sich nicht auf die Form der Erde einigen. Warum fällt es Mainstream-Journalisten so schwer, eine Lüge eine Lüge zu nennen?" Ausgewogenheit ist eine hohe journalistische Tugend, aber spätestens seit dem Irakkrieg weiß man, dass sie auch eine fatale Selbstfesselung sein kann.

Nur ist der Irakkrieg schon ein paar Jahre her. Allerdings: Heute ist weniger die Neutralität der Medien das Problem. Im Gegenteil: Statt Lügen der Politiker unkritisch weiterzureichen, erfinden Sender wie Fox News mittlerweile ihre eigenen. Nicht Nettigkeit und Harmlosigkeit bringt Quote, wie The Newsroom behauptet, sondern Stimmungsmache. Und ganz abgesehen davon: Wer kümmert sich überhaupt noch um Fernsehnachrichten?

Sorkin stellt seinen McAvoy in eine heroische Tradition, indem er im Vorspann Bilder legendärer Nachrichtenshows abrollt. Was er nicht erwähnt, ist, dass diese Tradition abgerissen ist. Ernsthafte Fernsehjournalisten sind nahezu irrelevant geworden. Die echten McAvoys sind heute Steinchen im riesigen Medienmosaik.

Es war keine schlechte Idee, The Newsroom 2010 beginnen zu lassen, und in ihr, anders als in The West Wing, reale statt erfundene Ereignisse zu verhandeln. Der Zuschauer weiß mehr als die Journalisten und sieht genüsslich zu, wie sie im Nebel tappen. Der Nachteil ist nur, dass es Sorkins Geschichte noch moralisierender und rechthaberischer wirken lässt. Wie im Journalismus-Seminar führt er selbstgefällig vor, wie man es damals hätte richtig machen müssen.

Auch was die dramaturgische Seite angeht, krankt es an allen Ecken und Enden. Jeff Daniels ist wie geboren für die Rolle des Anchorman. Doch bevor wir es glauben, muss zehnmal erklärt werden, dass hinter seinem rundum zufriedenen Gesicht ein kaputter Mann steckt.

Ebenso unglaubwürdig sind die diversen Liebes- und Hassbeziehungen, die sich zwischen den Redaktionsmitgliedern entspannen. Und die eitlen, rasiermesserscharfen Dialogzeilen, für die Sorkin berühmt ist, treiben das versprengte Personal hier nur noch weiter auseinander.

Sorkin scheint das alles nicht weiter zu stören. Für ihn zählt nur die Botschaft. Selbst unter Journalisten hat man in den USA wenig Geduld dafür: "So naiv, dass es schon zynisch ist" schrieb der New Yorker in seiner Kritik. "Es gibt nur eines: den Kanal wechseln", die Huffington Post.

Man will Sorkin den Mut zum unverhohlenen Gutmenschentum zugutehalten. Und McAvoy spricht einem aus dem Herzen, wenn er sagt: "Wir machen kein gutes Fernsehen, wir machen Nachrichten." Doch hier haben die anderen Recht: Ein Leitartikel als TV-Serie: das ist kein gutes Fernsehen.

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