"The Handmaid's Tale":Wenn eine Serie zum politischen Kommentar wird

handmaid's Tale

Die hochgelobte Serie The Handmaid's Tale mit Elisabeth Moss (l.) und Alexis Bledel läuft jetzt bei der Telekom.

(Foto: 2017 Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.)

In der preisgekrönten Serie "The Handmaid's Tale" werden Frauen als Gebärsklavinnen unterdrückt. Seit Trumps Wahlsieg halten in den USA manche diese Zukunftsvision für erschreckend realistisch.

Von Kathleen Hildebrand

Manchmal ist es das Datum seiner Veröffentlichung, das darüber entscheidet, ob man ein Kunstwerk einfach nur als sehr gelungen wahrnimmt - oder ob es zum politischen Statement wird. Zum Kondensat all dessen, was gerade falsch zu laufen scheint in der Welt. Als der amerikanische Streaming-Anbieter Hulu, ein kleiner und weniger bekannter Konkurrent von Netflix und Amazon, im April 2016 die zehnteilige Serie The Handmaid's Tale in Auftrag gab, da sah es so aus, als wäre - immerhin - Ersteres der Fall. Hulu bewarb sich mit einem ambitionierten Projekt um die höheren Weihen des Qualitätsfernsehens. Handmaid's Tale hat alle Ingredienzen, die man dafür benötigt: Die Literaturverfilmung eines bekannten Romans von Margaret Atwood. Hervorragende Darsteller, Elizabeth Moss (Mad Men) und Joseph Fiennes (Shakespeare in Love). Und ein Budget, groß genug für ein optisch beeindruckendes Ergebnis.

Im April 2016 sah es allerdings auch noch so aus, als würde Hillary Clinton die US-Präsidentschaftswahl gewinnen.

Sie tat es nicht. Und das änderte alles für diese Serie. Statt Clinton wurde ein Mann Präsident, der im Wahlkampf forderte, es solle "irgendeine Form von Bestrafung" für Frauen geben, die eine Abtreibung haben vornehmen lassen. Der sich damit brüstete, Frauen ungestraft begrapschen zu können, weil er berühmt sei. Und dessen Vizepräsident ein fundamentalistischer Christ ist, der sich prinzipiell nicht alleine mit Frauen zum Essen trifft. Auch nicht mit Kolleginnen und Mitarbeiterinnen.

Offred hieß einmal June, sie hatte einen Mann, einen Job und ein Kind. Jetzt hat sie nichts mehr

Als The Handmaid's Tale Ende April Premiere in den USA hatte, war sie vor diesem politischen Hintergrund plötzlich sehr viel mehr als eine anspruchsvolle, dystopische Serie. Nämlich ein hochrelevanter Kommentar zur Lage der Nation - und wurde als Teil des kulturellen Widerstandsprogramms gegen die Trump-Regierung interpretiert.

Bei einer Demo im Januar zeigten Frauen Schilder mit dem Satz "Make Margaret Atwood Fiction Again".

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieser Umstand zum enormen Erfolg der Serie zumindest beigetragen hat. Vor zwei Wochen wurde sie mit fünf Primetime-Emmys ausgezeichnet, dem wichtigsten amerikanischen Fernsehpreis, darunter dem für die beste Drama-Serie. Das kleine Hulu ist damit der erste Streaming-Anbieter, der in der Hauptkategorie der Emmys gewonnen hat. Elizabeth Moss gewann als beste Haupt-, Ann Dowd als beste Nebendarstellerin, und Alexis Bledel, bekannt aus Gilmore Girls, wurde als herausragende Gast-Schauspielerin ausgezeichnet.

"The Handmaid's Tale": Die Welt kann sich sehr schnell und fundamental ändern: Frauen wie Offred (Elizabeth Moss) dürfen in der Republik Gilead nichts mehr entscheiden.

Die Welt kann sich sehr schnell und fundamental ändern: Frauen wie Offred (Elizabeth Moss) dürfen in der Republik Gilead nichts mehr entscheiden.

(Foto: Hulu)

Margaret Atwoods Geschichte spielt in den USA der nahen Zukunft. Das Land heißt nun allerdings Republik Gilead und wird von einem theokratischen Männer-Zirkel regiert. Scheidung ist abgeschafft, Homosexualität bei Todesstrafe verboten. Frauen dürfen keinen Beruf ausüben. Lesen ist ihnen verboten, vom Schreiben ganz zu schweigen. Weil Umweltgifte einen Großteil der Bevölkerung unfruchtbar gemacht haben, werden die letzten gebärfähigen Frauen in Zentren gesperrt, wo man sie durch Gewalt gefügig macht und auf ihre zukünftige Rolle als "Mägde" vorbereitet. Sie sollen den mächtigen Männern der Republik Kinder gebären. Die Empfängnis wird durch eine monatliche "Zeremonie" gewährleistet. Und ja, das heißt genau das, was man sich darunter schlimmstenfalls vorstellt: eine Vergewaltigung, jeweils am Tag des Eisprungs.

Elizabeth Moss spielt Offred, ihr eigentlicher Name ist June. Als Magd aber darf sie ihn nicht mehr verwenden. Sie ist jetzt Eigentum des hochrangigen Politikers Fred ("of Fred"), dem Mann, gespielt von Joseph Fiennes, dem sie ein Kind gebären soll.

Dass die Serie zu dem großen Erfolg werden konnte, der sie ist, liegt zu einem gewaltigen Teil an den fantastischen Schauspielerinnen. Wie Elizabeth Moss ihren Gesichtsausdruck von Angst zu Resignation zu Wut und von Verzweiflung zu einem immer wieder aufflackernden Siegeswillen wechseln lässt, meist umrahmt und abgeschottet von einer steifen, reinweißen Flügelhaube, das ist so beängstigend wie faszinierend anzuschauen.

Es liegt aber auch an den klugen Änderungen, die die Autoren am Plot der Romanvorlage vorgenommen haben. Atwoods Buch ist 1985 erschienen. Doch die Zeit vor der Diktatur, an die Offred sich erinnert, ist unsere allernächste Zukunft. June lebt das Leben einer gebildeten, liberalen jungen Frau. Zu Anfang arbeitet sie noch in einem Verlag, hat Mann und Kind. In ihrer Freizeit geht sie mit ihrer lesbischen Freundin joggen, danach kaufen sie sich Kaffee in Pappbechern. Bis eines Tages im Café ihre Kreditkarte nicht mehr akzeptiert wird - allen Frauen des Landes ist der Zugriff auf ihr Geld gesperrt worden. Der Barista beschimpft sie als "Schlampe" und schmeißt sie aus dem Laden. Man merkt schon an der Schärfe des Tons, dass sich da etwas verändert hat - und zwar wahrscheinlich nicht nur in diesem kleinen Café.

Nicht lange danach versteckt sich June im selben Café hinter dem Tresen. Statt Kaffeekrümeln liegen jetzt Glasscherben und eine Leiche auf dem Boden. Eine Demonstration gegen das neue frauenfeindliche Regime ist eskaliert, die paramilitärische Polizei schießt auf Menschen, die aussehen, wie man heute in Brooklyn oder Berlin-Mitte eben aussieht. Die Normalität, wie wir sie kennen, zeigen solche Szenen, ist nicht für immer garantiert. Die Welt kann sich ändern, fundamental und sehr schnell. Das ist die Warnung dieser Serie.

Zu sehen ist The Handmaid's Tale in Deutschland von diesem Mittwoch an im Internetfernsehangebot der Telekom, Entertain TV. Anders als bei Netflix, Sky oder Amazon kann sie dort nur ansehen, wer auch einen Telefon- und Internetvertrag mit der Telekom hat. In den USA ist Hulu mit The Handmaid's Tale der Ligawechsel gelungen. Die Telekom hat sich für ihren Vorstoß immerhin eine der begehrtesten Serien dieses Jahres gesichert.

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