Terroristen brauchen Öffentlichkeit. Im stillen Kämmerlein Touristen, Journalisten, "Ungläubige" zu enthaupten oder zu erschießen, bringt kaum den gewünschten Effekt, der da lautet: weltweit Angst und Schrecken zu verbreiten, um die eigene Macht zu vergrößern und weitere Anhänger zu gewinnen. Ohne Berichterstattung kein - falscher - Ruhm, ohne ständige Liveticker zu jedem neuen Attentat wäre zumindest weniger Stilisierung zu Helden innerhalb der Terroristen-Szene möglich. Je mehr Berichterstattung über terroristische Anschläge stattfindet, desto mächtiger werden die Täter und Strippenzieher. Meinen sie.
Gegen Herrschaftswissen und für Deutungsvielfalt
Aber: Die Welt besteht nicht nur aus Terroristen und Medien sind nicht immer automatisch Handlanger von irgendwem, nur weil sie berichten. Es gibt Opfer und deren Angehörige. Es gibt Urlauber, Politiker, Beamte, Wähler, Unternehmer, Ärzte, Entwicklungshelfer, Einsatzkräfte und ganz normale Leser, die diese Welt etwas angeht. Die sehr wohl darüber Bescheid wissen möchten und manchmal müssen, was gerade geschieht, und sei es noch so abscheulich. Auch damit es kein Herrschaftswissen gibt - in einem Krieg, der von Deutungshoheiten lebt. Die Medien sind angehalten, über Terror zu informieren. In welchem Ausmaß und Umfang das geschieht, ist eine andere Frage.
Deshalb: Wer über Terrorismus und terroristische Anschläge berichtet, tut damit nicht in erster Linie dem Terrorismus einen Gefallen. Die Medien sind dafür da, um bei Ereignissen von Weltrang erst einmal möglichst objektiv zu berichten, sie einzuordnen und es dem Leser dann zu überlassen, wie er mit diesen Informationen umgeht.
Die differenziertere Antwort auf die Frage, ob Medien zunehmend Gefahr laufen, sich ohne gebührenden Abstand auf jedes neue Massaker, jeden neuen Anschlag, auf jeden Terrorakt zu stürzen, um das ganz offensichtliche Bedürfnis nach Skandal und Empörung zu befriedigen und daraus ihren eigenen Nutzen zu ziehen, ist nicht ganz so einfach.
Es ist kein Geheimnis, dass nach jedem neuen Terrorakt, vor allem den spektakulären und denen im eigenen oder Nachbarland, die Klickzahlen der Online-Nachrichtenseiten in die Höhe schnellen und auch die Printmedien in den darauffolgenden Tagen ihre Absatzzahlen steigern. Auch das Fernsehen begegnet dem gesteigerten Zuschauerinteresse regelmäßig mit Sondersendungen. Das belegt auf der einen Seite das gesteigerte Informationsbedürfnis zum Zeitpunkt solcher Anschläge und den Wunsch nach Einordnung sowie Hintergrundinformationen.
Begierden und Beschwerden
Auf der anderen Seite zeigt es aber auch, dass die Medien sich durchaus darüber bewusst sind, dass schockierende Taten immer wieder eine Faszination des Bösen hervorrufen, die mit einer ausufernden Berichterstattung bedient werden kann.
Es sind oft genau die User-Kommentatoren, die sich bevorzugt unter der Berichterstattung tummeln, die sie selbst am stärksten geißeln.
Sich auf der einen Seite darüber zu empören, welch breiten Raum die Berichterstattung über Terrorismus einnimmt, auf der anderen Seite genau diese Beiträge begierig zu verschlingen, und nicht etwa einen gleichzeitig präsentierten Bericht über eine hübsche Kunstausstellung oder über ein neues Reformpaket der Politik, ist zumindest fragwürdig.