Süddeutsche Zeitung

"Saat des Terrors" im Ersten:Wenn die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen

  • Das Erste setzt mit einem Themenabend zum Sprung in die zwielichtige Welt von Geheimdiensten und Terror an.
  • Der Doppelpack des Filmemachers Daniel Harrich hätte das Potenzial für Grundsatzdebatten.

Von Moritz Baumstieger

Wenn es doch alle Terrorfahnder so einfach hätten wie Jana Wagner. Als die BND-Agentin in das Hotelzimmer des Verdächtigen eindringt, findet sie dort ein umfassendes Dossier: Auf dem Schreibtisch liegt ein Stadtplan, auf ihm sind Anschlagsziele markiert. Daneben finden sich die Bordkarten drapiert, mit denen die Mitglieder des Terrorkommandos später an den Tatort reisen sollen. Wie praktisch.

Dieser nachrichtendienstliche Sechser im Lotto, der Agentin Wagner im Film Saat des Terrors zufliegt, zeigt exemplarisch, dass selbst innovative Formate schwächeln, wenn die Macher beim Erzählen zu oft den Weg des geringsten Widerstandes wählen. Mit ihrem hochkarätig besetzten Film wollte die ARD zum Sprung in die zwielichtige Welt von Geheimdiensten und Terror ansetzen, die Hollywood etwa in der Serie Homeland ausleuchtet - und sich dabei von True-Crime-Elementen tragen lassen. Von einem "Wirklichkeitskrimi" spricht ARD-Programmdirektor Volker Herres im Programmheft. In manchen Momenten wirkt die Produktion jedoch eher wie eine Art verfilmter TKKG-Roman: Böse schauen grundsätzlich sehr böse, Zwielichtige lächeln immer sehr zwielichtig - und Verdächtige halten in ihren Gemächern eben Handreichungen mit Beweisen gegen sich selbst vorrätig.

Dabei ist der Ansatz, den der Autor und Regisseur Daniel Harrich vor einigen Jahren ausgeheckt hat, eigentlich geeignet, um härtere Stoffe tauglich zu machen für die Hauptsendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Harrich recherchiert Themen wie Medikamentenfälschungen, illegale Waffenexporte oder, wie diesmal, die oft unselige Verquickung von Geheimdiensten und Terrorgruppen. Aus seinem Material schneidet er durchaus sehenswerte Dokumentationen; für seine Enthüllungen zum Gebaren der deutschen Waffenschmiede Heckler & Koch in Mexiko gewann er etwa den Grimme-Preis. Vor allem aber schreibt er auf Basis der Recherchen Drehbücher für Spielfilme, die aufrütteln sollen und unterhalten zugleich. Seine bitteren Tropfen Wahrheit träufelt Harrich so auf Zuckerwürfel, damit sie der Patient Publikum leichter schluckt.

Regisseur Daniel Harrich spannt gern Experten und Politiker ein - nicht die schlechteste PR-Strategie

Der 35 Jahre alte Filmemacher will Debatten entfesseln, sagt er, deshalb präsentiert er seine Produktionen auch gerne im Beisein von Experten und Politikern - was nebenbei natürlich nicht die schlechteste Strategie der Öffentlichkeitsarbeit ist. Sein neuster Doppelschlag aus Fiktion und Fakten hätte das Potenzial für Grundsatzdebatten: Saat des Terrors und die anschließende Dokumentation sollen beleuchten, wie unsere Sicherheitsapparate teils den Terror fördern, den sie doch eigentlich bekämpfen sollen - weil sie auf die falschen Partner setzen, weil sie Quellen schützen, die schon längst gegen sie arbeiten. Bei der Premiere in Berlin anwesende Abgeordnete wollen das Thema nun in den Bundestag bringen, erzählt Harrich am Telefon, "und auch Ex-BND-Präsident Schindler will das unterstützen". Gerhard Schindler ist in der Doku so etwas wie Harrichs Kronzeuge.

Für den Spielfilm hat Harrich die Agentin Jana Wagner (Christiane Paul) erdacht, die einen Mann namens James Logan Davis verfolgt. Dessen sehr reale Vorlage: der pakistanisch-amerikanische Staatsbürger David Hadley, der Informant von US-Diensten war, während er den Terrorakt von Mumbai vorbereitete. Im November 2008 starben 174 Menschen, als mehrere Killerteams durch die Stadt marodierten - ein Vorgehen, von dem sich später die Attentäter von Paris inspirieren ließen, zu denen Harrich in den letzten Filmminuten eine sehr gerade Spur legt. Die Täter von Mumbai unterstützte damals der pakistanische Geheimdienst ISI, eigentlich Partner des Westens. In der Realität warnten mehrere Dienste vor einem möglichen Anschlag, in der Fiktion Jana Wagner - der aber ihr Chef (Axel Milberg) nicht zuhören will und deren altersweiser Kollege (Heiner Lauterbach) irgendwann auf der Strecke bleibt.

Harrich will die Ambivalenz zeigen, die in dieser Branche Gut und Böse oft verschwimmen lässt. Er macht das an pakistanischen Geheimdienstlern fest, die bei Terror befehlen und Lübecker Marzipan lutschen, das sie seit ihrer Ausbildung in Deutschland so lieben. Diese Anekdote basiert sogar auf Fakten, wie später die Dokumentation zeigt. Um aber einem so ambitionierten Thema die nötigen Zwischentöne zu geben, bräuchte es noch mehr als einen Schurken mit Vorliebe für norddeutsche Süßigkeiten

Saat des Terrors, Das Erste, ab 20.15 Uhr.

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SZ vom 21.11.2018/jlag
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