Umstrittener "taz"-Text:Von der Meinungsfreiheit gedeckt

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Ort für "Gedankenspiele", von der Pressefreiheit gedeckt - heißt es in der Entscheidung des Beschwerdeausschusses des Presserats über eine Kolumne in der "taz". (Foto: Soeren Stache/picture alliance/dpa)

Der Deutsche Presserat hatte unter anderem getagt, weil zu einer polizeikritischen "taz"-Kolumne mit dem Titel "All Cops are berufsunfähig" 382 Beschwerden eingegangen waren. Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte sogar eine Strafanzeige erwogen.

Unbegründet. Das ist das Wort, auf das es in der Mitteilung des Presserats in dieser Sache ankommt. Die Sache, das ist eine Kolumne zu Polizeigewalt in Deutschland, erschienen am 15. Juni dieses Jahres in der taz. Hengameh Yaghoobifarah schrieb darin unter anderem, wenn die Polizei abgeschafft würde, der Kapitalismus aber nicht, gebe es für die 250 000 Polizisten hierzulande keine andere Verwendung als "die Mülldeponie" - und legte nahe, sie seien Abfall.

Unter den 382 Beschwerden, die beim Presserat zur Kolumne mit dem Titel "All cops are berufsunfähig" eingingen, hatte vor allem die von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) für Empörung gesorgt, der Yaghoobifarah vorwarf, durch die Wortwahl Straftatbestände erfüllt zu haben und mit einer Strafanzeige drohte. Kurz darauf rückte er von der Ankündigung ab. Aber die Entrüstung hatte sich schon weitergedreht, mit seiner Aussage war Seehofer vielen zu weit gegangen. Seine Worte riefen bei manchen Verwunderung über das Pressefreiheits-Verständnis des Bundesinnenministers hervor.

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In der linken "Tageszeitung" erscheint eine Kolumne zum Thema Polizei, Innenminister Seehofer kündigt daraufhin eine Strafanzeige an. In der Zeitung bricht eine aufgebrachte Debatte aus.

Von Elisa Britzelmeier und Jens Schneider

Am Dienstag gab der Presserat nun bekannt, die Beschwerden als unbegründet zurückzuweisen. "Das Gedankenspiel der Autorin, der als geeigneter Ort für Ex-Polizisten nur die Mülldeponie einfällt, ist von der Meinungsfreiheit gedeckt", steht in der Mitteilung. Und weiter heißt es, dass man zu dem Schluss gekommen sei, dass "der Text nicht gegen die Menschenwürde von Polizistinnen und Polizisten" verstoße, "da sich die Kritik auf eine ganze Berufsgruppe und nicht auf Einzelpersonen bezieht". Die Polizei als Teil der Exekutive müsse sich gefallen lassen, von der Presse scharf kritisiert zu werden, bewertete der Beschwerdeausschuss. "Die Satire bezieht sich im Kern auf die gesellschaftliche Debatte über strukturelle Probleme bei der Polizei wie Rechtsradikalismus, Gewalt und Rassismus."

Geschmacksfragen, keine ethische Bewertung

Die Interpretation, Polizisten würden mit Müll gleichgesetzt, ist aus Sicht des Gremiums nicht zwingend: Es handele sich um ein "drastisches Gedankenspiel", das aber Raum für unterschiedliche Interpretationen biete und "daher noch unter die Meinungsfreiheit fällt". Die Wortwahl "Mülldeponie" als einziger Ort für die Polizei berührt aus Sicht des Presserats Geschmacksfragen, "über die sich streiten lässt, die aber keine Grundlage für die ethische Bewertung" seien.

Der Text hatte für eine ganze Reihe von Aufschreien gesorgt, nicht nur von Außenstehenden, sondern auch innerhalb der Redaktion. taz-Redakteure distanzierten sich, es bildeten sich Lager. Einige der zentralen Fragen: Wie subjektiv darf die Autorenperspektive sein? Wie subjektiv soll sie sein? Was geht zu weit - oder kann man vielleicht gar nicht weit genug gehen?

Ein Treffen zwischen der Tageszeitung und Bundesinnenminister Seehofer steht noch aus. Als der CSU-Politiker ankündigte, doch keine Anzeige zu stellen, wurde eine Begegnung von beiden Seiten in den Raum gestellt. Nach Informationen der taz und der Nachrichtenagentur dpa wird die Kolumne voraussichtlich außerdem keine strafrechtlichen Folgen für Yaghoobifarah haben.

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