Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Wien:Manchmal geht es in Österreich schneller als man denkt

"Glück allein" behandelt Korruption und Parteienförderung - und schließt damit ungewollt nah zur österreichischen Realität auf.

Von Cornelius Pollmer

Für den Beginn ein paar Sätze und Satzfetzen, von denen man sich gar nicht mehr vorstellen kann, wie anders sie vor gut zwei Wochen geklungen hätten. Gesagt wird also, in diesem Tatort aus Wien: "Jedes Land hat seine schwarzen Schafe ... Das ist hoch brisantes Material, das sowohl Sie als auch einige Unternehmen in Österreich schwer unter Druck setzen wird ... Scheinfirmen ... A bissl Parteienförderung scheint sie auch noch zu betreiben ... Nur weil ich mich mit Politikern gut verstehe, heißt das noch nicht, dass ich korrupt bin ... Zwei Täter - ein unkontrollierter Verrückter und ein Pragmatiker ... Mich nervt seine selbstgefällige, arrogante Art ... Wichtig ist, dass diese Sache völlig aufgeklärt wird, und ohne Druck von außen wird das nicht passieren, nicht in diesem Land ... Manchmal geht es in Österreich schneller, als man denkt."

Ja, manchmal geht es in Österreich schneller, als man denkt. Ein bisschen leidet darunter diese Episode von Catalina Molina (Regie) und Uli Brée (Buch), sie wird zum Opfer arg besonderer Umstände, weil die Parallelen zwischen Fernsehfiktion und Video-Wirklichkeit der Strache-Affäre schon grotesk wirken. Ein bisschen weniger als er leidet, profitiert der Film Glück allein aber auch vom jüngsten Blöken real schwarzer Schafe. Er steht gut in der Zeit, einen besseren Sendetermin hätte es für Oberstleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) nicht geben können, um ein Sachbuch aufzuschlagen, das tatsächlich diesen Titel trägt: "Aufgedeckt - Korruption, das neue normal?"

Mensch, da ist doch was

Geschrieben hat dieses Buch der Nationalratsabgeordnete Raoul Ladurner (toll verstörend: Cornelius Obonya), um den herum sich dieser Fall entwickelt. Frau und Kind Ladurners werden daheim heimtückisch gemessert. Statt der eigentlich zuständigen Ermittlerin schickt der Innenminister eine andere Kommissarin los (Gerti Drassl), die gleich und dann immer wieder in einer Weise so tut, als sei nichts, dass man denkt: Mensch, da ist doch was.

Privates wird politisch, seelische Wunden gehen wieder und immer weiter auf. Sie werden handlungsleitend, und weil die Interessen erst nach und nach und nur ungefähr sichtbar werden, erhält sich der Film lange Zeit eine gewisse Spannung. Nicht allen Verdrehungen kann man bis zum Ende folgen, nicht jedes Geflecht logisch aufdröseln. Das bleibt einerseits eine merkwürdige Schwäche dieses Tatorts. Andererseits ist es ja so, dass gerade solche Episoden oft als gelungener als andere in Erinnerung bleiben, die einen im Abspann mit dem Gefühl zurücklassen, nicht alles verstanden zu haben.

Über die Unklarheiten hinweg tragen wie so oft in den Fällen aus Wien auch präzise gearbeitete, minimalistische Dialoge. Als die Ermittler sich im Gefängnis bei der Justizwache nach einem zwielichtigen Häftling erkundigen, den sie gerne sprechen würden, sagt die Wache: "Der ist tot." Ermittler, erstaunt: "Wie, tot?" Wache: "Sehr tot", und zwar über Nacht. Auch manches Leben geht in diesem Film schneller, als man denkt.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 01.06.2019
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