Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Wien:Der Hubert kann nicht mehr lieb sein

  • Der neue "Tatort" kommt an diesem Sonntag aus Wien, spielt allerdings zu großen Teilen im österreichischen Mölltal.
  • In "Baum fällt" verbrennt der Geschäftsmann Hubert Tribusser im Heizkessel seines Sägewerks.
  • In der Enge des Mölltals bilden Sehnsüchte und Abhängigkeiten ein feines Geflecht, das für den Zuschauer vor allem durch den überzeugenden Cast erlebbar wird.

Von Cornelius Pollmer

Der Geschäftsmann Hubert Tribusser führt ein Sägewerk am Fuße des Großglockners und auch privat unterhält er ein besonderes Interesse an Holz vor der Hüttn. Im Mölltal ist Tribusser für beides berüchtigt. Er gilt als Axt im Walde, als gnadenloser und auch deswegen erfolgreicher Unternehmer. Er gilt gleichzeitig als einer, der sich darauf versteht, im Schatten der Nacht oder auch nur der Spätschicht bedacht Süßholz zu raspeln. Späne davon, so scheint es, liegen bald in jedem Haushalt. Mit seinen Schmeicheleien stiftet Tribusser viel Unfrieden, und doch staunen ihm selbst jene Damen versonnen und ungläubig hinterher, die er schon wieder abgelegt hat: "Der Hubert hat sehr lieb sein können. Sehr lieb."

Der Hubert aber kann in diesem sehenswerten Tatort aus Wien (Buch: Agnes Pluch, Regie: Nikolaus Leytner) nicht mehr lieb sein. Als Ermittlerin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) sich bei einem örtlichen Polizisten erkundigt, wo die Leiche Tribussers liege, ordnet dieser ein, "also, Leiche wär jetzt eh bissl übertrieben. Der ist verbrannt." Dem Hubert hat sehr heiß sein müssen, der Heizkessel seines Sägewerks jedenfalls hat ganze Arbeit geleistet und bis auf ein Titan-Implantat in der Schulter nichts übrig gelassen.

Die nächste besondere Gründlichkeit erfährt Hubert Tribusser gleich nach seinem Tod. Weil der Vater Kontakte nach Wien unterhält und der Dorfpolizei nicht hinreichend traut, werden Fellner und ihr Kollege Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) als Sonderermittler abkommandiert. Eisner hat auf die Kriminaldienstreise weniger als gar keine Lust, er sieht gleich in allen und jedem ein "Orschloch", und das klingt netter, als es gemeint ist.

"Du worst amol a feiner Kerl, Moritz Eisner", ruft eines der Orschlöcher zurück, man kennt sich aus früheren Tagen und steht jetzt wieder nachts am Kicker und raucht und trinkt und rätselt zusammen. Jeder im Tal steht zu jedem mindestens in einem Kennverhältnis, viele haben sich fröhlich durch andere Höfe gepudert. Dieser auch im Realen gepflegte Verdacht gegenüber Dörflern wird zur spannungsreichen Filmrealität dieser Episode. Und den Menschen geht es darin nicht anders als den Bäumen: Über Tage mögen sie als standhafte Einzelgänger sichtbar sein - tief unten aber greifen die Wurzeln in alle möglichen Richtungen, auf der Suche nach Halt und Kollaboration.

In der Enge des Mölltals bilden Sehnsüchte und Abhängigkeiten ein feines Geflecht, erlebbar für den Zuschauer wird dieses durch einen auch in den Nebenrollen überzeugenden Cast. "Baum fällt" heißt diese Episode übrigens. Und je deutlicher in ihrem Verlauf das Geflecht zu erkennen ist, desto mehr darf man sich fragen, ob so ein plötzlicher Fall wie der vom Hubert vielleicht doch nicht das allerschlimmste Los des Lebens ist. Wie sagt es der Burgschauspieler noch mal, in Thomas Bernhards "Holzfällen": "Umfallen und tot sein, das ist ein Glück."

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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SZ vom 23.11.2019/luch
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