WDR-"Tatort":Ein Mord wird kommen

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Die deutschen Avengers? Nö, nur (v.l.n.r.): Nicholas Ofczarek, Jörg Hartmann, Bjarne Mädel, Anna Schudt, Ben Becker, Friedrich Mücke, Charly Hübner, Friederike Kempterund Elena Uhlig in "Das Team" (Foto: dpa)
  • Im neuen Tatort gibt es einen Rahmen und ein Konzept - alles andere erarbeiten die Schauspieler ohne Drehbuch.
  • Das Geheimnis, das der WDR vorab um den Neujahrs-Tatort macht, ist jedenfalls aufwühlender als der Tatort selbst.

Von Holger Gertz

Im Tatort geht es oft darum, mit den berühmten TV-Sehgewohnheiten zu brechen. Auch die Neujahrsfolge bricht mit den Sehgewohnheiten, und vorher brechen sie beim WDR auch noch mit den Sehgewohnheiten der Kritiker, die normalerweise die Filme vorab in einer nur ihnen zugänglichen Mediathek anschauen können. Diesmal brauchte man einen zusätzlichen Code, den nur erhielt, wer zugesichert hatte, "inhaltlich nichts über den/die Mörder*innen und weitere Opfer zu veröffentlichen".

Nun wird in Vorabkritiken der Mörder ohnehin eher nicht verraten - es sei denn, er ist wie bei Columbo von Beginn an für jeden Zuschauer gut sichtbar, dann wird man es wohl noch schreiben dürfen. Die Schweigeverpflichtung des WDR ist also überflüssig, übergriffig, aber vielleicht gehört sie nur zum Marketinggesummse, um einen Film geheimnisvoller zu machen, als er eigentlich ist. 1962 verriet der Kabarettist Wolfgang Neuss per Zeitungsannonce den Mörder im Straßenfeger Das Halstuch (Dieter Borsche übrigens). Das war tatsächlich ein Spoiler-Skandal, aber 1962 war alles anders, geistreichere Kritiker, bessere Quoten - das Halstuch sahen bis zu 98 Prozent. Good old days.

Eine Art Weltauswahl der Kriminalisten

Das Ballyhoo um den Neujahrs-Tatort ist jedenfalls aufwühlender als der Neujahrs-Tatort selbst. "Das Team" von Jan Georg Schütte (Buch und Regie) ist ein durchaus ambivalent schillerndes Schmuckstück aus dem selten angebotenen Genre Improvisations-Tatort. Es gibt einen Rahmen und ein Konzept - alles andere erarbeiten die Schauspieler ohne Drehbuch, womit sich natürlich auch das Prinzip des allwissenden Kommissars erledigt hat. Überhaupt, die Kommissare: Vier sind in NRW umgebracht worden, jetzt soll ein Team ermitteln, darunter Martina Bönisch (Anna Schudt) und Peter Faber (Jörg Hartmann) aus Dortmund und die Münsteranerin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter). Man trifft sich zum Teambuildung-Workshop, der geleitet wird von den Gebrüdern Scholz (Charly Hübner und Bjarne Mädel).

Wer Freude am Schauspiel an sich hat, wird staunend den Improvisationskünsten all dieser Granden zusehen, Nicholas Ofczarek und Ben Becker sind auch dabei, eine Art Weltauswahl der Kriminalisten und Kriminologen. Ein Kammerspiel als Fest für Tatort-Fans, die es spannend finden, dass der improvisierende Faber weicher ist als der mit Drehbuch - die improvisierende Bönisch kommt der echten dagegen in puncto Wettkampfhärte recht nah. Aber keine Person entwickelt tragende Tiefe, und gerade der erste Teil zieht sich, bevor dann jemandem etwas passiert, was man aber nicht schreiben darf, weil der WDR das untersagt hat.

Ein Spoiler muss hier erlaubt sein: Der erste Tatort des Jahres 2020 wird nicht der beste Tatort des Jahres 2020.

Das Erste, Mittwoch, 20.15 Uhr.

© SZ vom 31.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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